Bewährte bürgerliche Alternative zu staatlicher Hilfe
Bewährte bürgerliche Alternative zu staatlicher Hilfe

Bewährte bürgerliche Alternative zu staatlicher Hilfe

Bewährte bürgerliche Alternative zu staatlicher Hilfe

Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah? Antworten auf die Finanzkrise werden bisher vorwiegend im angelsächsischen Raum gesucht, der als Vorreiter eines modernen Finanzsystems gilt. Lösungen für das strukturell verfehlte Finanzsystem sollen durch international koordinierte Rettungs- und Regulierungsbemühungen erzielt werden. Max Otte und dem Finanzbuchverlag gebührt indes der Verdienst, eine bewährte Ordnungsalternative zum entkoppelten System des privilegierten Großkapitals in Erinnerung zu rufen. Die Rede ist vom Genossenschafts- und Volksbankenwesen, das auf Sparsamkeit, persönlicher Haftung, regionaler Bindung und Überschaubarkeit beruht sowie der Devise folgt: „Gemeinsam sind wir stark“– damit kommt es ganz normalen Menschen zu Gute.

Die gelungene Neuauflage der fünfundsiebzigseitigen Schrift des Journalisten und Nationalökonomen Max Wirth „Die Hebung der arbeitenden Klassen durch Genossenschaften und Volksbanken“ aus dem Jahr 1865, ordnet der Max Otte durch ein Vorwort und einen ordnungspolitischen Aufsatz mit Blick auf die aktuelle Finanzkrise (2008) ein. Beide Autoren sind sehr lesenswert, denn das Genossenschaftsmodell stellt eine in Deutschland, Österreich und der Schweiz bewährte Alternative dar. Die Finanzkrise konnte dem Genossenschaftswesen nichts anhaben, im Gegenteil. Indes droht es durch eine Allianz aus Großbanken und Politik Schaden zu nehmen.

Einleitend resümiert Max Otte die Vorteile der „Banken von Menschen für Menschen“ (Louis Brandeis): Erfolgreiche regionale Wirtschaftsförderung, verantwortungsvolles und nachhaltiges Handeln sowie effektive Kontrolle des Managements haben das Wachstum an Mitgliedern und Einlagen während der Finanzkrise begünstigt. Max Wirth und Max Otte zeigen anschaulich, dass ein genossenschaftlich organisiertes Bankwesen „in besonderer Weise den Anforderungen an ein stabiles, nachhaltiges und wettbewerbsorientiertes Bankensystem entspricht.“ (M. Otte

Auch 1857 war in den USA eine Finanzkrise ausgebrochen, die nach Europa überschwappte. Max Wirth ging in seiner kleinen, systematischen Schrift den Ursachen der Malaise auf den Grund und skizzierte eine regional tragfähige Alternative zum bestehenden Finanzsystem. Im Mittelpunkt stand bemerkenswert aktuell eine Kreditklemme, die insbesondere einfache Menschen und Kleinunternehmer traf. Damals wie heute galt ein verfehlter Staatsaktivismus als Krisentreiber: Zinsmanipulation nicht zuletzt durch kontraproduktive Zinsobergrenzen, die Konzessionierung von Banken mit zu wenig Eigenkapital und zweifelhaften Finanzprodukten im Zentralbanksystem (Crédit Mobilier), schlechte Regierungen, die Krieg führten, hohe Steuerlasten bei verschwenderischen Ausgaben auferlegten und ungerechtfertigte Spekulationen in einer „Zeit des Schwindels“ begünstigten. Abhilfe bot die Selbstorganisation nach dem Motto „Einheit macht stark“ in Form freiwilliger Zusammenschlüsse.

Volksbanken gewährten Kredite für jedermann durch Haftung aller bei sorgfältiger Prüfung der Kreditwürdigkeit. Hypothekenbanken entwickelten Pfandbriefe als ideales Finanzierungsinstrument, gaben aber selbst kein Geld aus – billiges Geld hätte weder das Problem des Kapitalmangels gelöst, dafür bedarf es auch heute noch der Sammlung von Kapital, noch die eigentlichen strukturellen Krisenursachen gelöst. Auf genossenschaftliche Weise konnte Kredit „als eines der wichtigsten Fördermittel der Kulturentwicklung“ (M. Wirth) die Wohlstandmehrung der einfachen Leute, Bauern wie Handwerker, auf selbsttragende Weise ermöglichen.

Max Wirth dokumentiert zusätzlich zu seiner Krisendiagnose und -therapie abschließend ausführlich die Statuten einer bewährten Volksbank, der Frankfurter Gewerbekasse.

Erwähnt seien zwei bemerkenswerte Einschätzungen, die en passant fallen und auf das Wesen einer guten Geldordnung hinweisen: Bereits Mitte des 19. Jahrhunderts war für aufmerksame Beobachter klar, dass private Hypothekenbanken stets besser wirtschafteten als staatliche. Konsequenterweise unterstützt Max Wirth ein freies Geldwesen mit privater Haftung, indem er es als selbstverständlich ansieht, dass Privatnotenbanken Banknoten emittieren dürfen, da diese Schuldscheine darstellten. Nur innerhalb des Zentralbanksystems sei dies höchst problematisch: „Einerseits gibt es seit langer Zeit in England, Schottland, Amerika, Deutschland und selbst in der Schweiz (Zürich, St. Gallen), was doch bekannt genug sein sollte, Privatnotenbanken; andererseits sind Banknoten, weil sie jederzeit bei Vorzeigen der Bank gegenüber ausgelöst werden müssen, Schuldscheine und haben mit dem Münzregal nichts zu tun. Man durfte, um volkswirtschaftlich zu handeln, der Eidgenössischen Bank nicht die Rechte einer Mobiliar-Kreditanstalt neben dem Notenemission zugleich einräumen; allein als einer Privat-Diskontobank dürfte man ihr letzteres Recht unbedenklich gestatten.“ Und wenig später weist er auf die entscheidende Erfolgsvoraussetzung eines privatrechtlichen Bankwesens hin: „Hypotheken und Diskontobanken müssen sich, nachdem sie einmal mit einem gewissen Grundkapital bei ihrer Einrichtung dotiert sind, von selbst speisen – durch das Vertrauen des Publikums.“

Vor diesem Hintergrund greifen die Einschätzungen von Max Wirth und Max Otte, die beide das Zentralbanksystem nicht konsequent in Frage stellen, zu kurz. Das erstaunt, da Genossenschaften und Volksbanken eine natürliche und privilegienlose „bottom up“ Alternative darstellen. Das mindert gleichwohl nicht ihren Verdienst, eben jene bewährte, im Einklang mit den ökonomischen Gesetzen stehende deutsche Selbstorganisation überzeugend zu verteidigen.

Max Wirth: Die Hebung der arbeitenden Klassen durch Genossenschaften und Volksbanken. Eine Anleitung zur Gründung von Genossenschaften aller Art, hg. v. Max Otte, Erstauflage 1865, Neuauflage Finanzbuchverlag München 2013, 115 S

Quelle: Zuerst erschienen 2013 auf dem Vorgänger dieses Forums.