Deutschlands Zukunftsaussichten – eine systemische Modellperspektive
Deutschlands Zukunftsaussichten – eine systemische Modellperspektive

Deutschlands Zukunftsaussichten – eine systemische Modellperspektive

Deutschlands Zukunftsaussichten – eine systemische Modellperspektive

Wie sieht die Zukunft in Deutschland aus? Etwas genauer: In welcher wirtschaftspolitischen Lage werden sich die Bürger mittelfristig, also in drei bis fünf Jahren, befinden?

Wer in die Zukunft blickt, schreibt häufig die aktuelle Situation und die Entwicklung der letzten, in der Erinnerung präsenten Entwicklung fort. Dazu gehört eine überwiegend lineare Vorstellung der weiteren Entwicklung.

Grundsätzlich lassen sich indes verschiedene Systematiken von Entwicklungen unterscheiden. Das sind neben der zuvor erwähnten

  1. linearen Entwicklung mit einer weitgehend konstanten Veränderung

vor allem

  1. ein Auf und Ab, auch als S-förmige Entwicklung bezeichnet, bei der Entwicklungsgrenzen nach oben und unten erreicht werden – die oszillierende Entwicklung stellt eine verwandte Form dar,
  2. eine exponentielle Entwicklung – positiv als Wachstum und negativ als Kollaps, sowie
  3. eine chaotische Entwicklung aufgrund hoher Komplexität und Dynamik.

Auf die wirtschaftspolitische Entwicklung Deutschlands angewandt hieße das in etwa

  1. eine ähnliche Problemverschleppung wie in den letzten Jahren ohne nennenswertes Risiko eines größeren Schadens,
  2. Perioden des Schrumpfens und Wachsens ohne substantielle Änderungen des wachstumslosen Trends insgesamt,
  3. ein kleines „Wirtschaftswunder“ oder aber ein substanzielles, krisenhaftes Schrumpfen und Zuspitzen der wirtschaftlichen und politischen Probleme,
  4. aufgrund externer und / oder interner Schocks und Dynamiken eine Entwicklung, deren Richtung sowohl unklar als auch nicht steuerbar ist.

Diese sehr groben Trendskizzen beruhen auf verschiedenen Annahmen, die hier nicht ausgeführt werden. Beschränken wir uns stattdessen auf systemische Kausalzusammenhänge in Form von Feedbackschleifen, die sich jeweils einem Problemzusammenhang zuordnen lassen und einen Auschnitt aus einen großen – sowohl komplexen als auch dynamischen – Modell der wirtschaftspolitischen Realität mit Schwerpunkt auf die Belastungen darstellen sollen. Das Modell beinhaltet ausgewählte politikökonomische Funktionsweisen, nämlich die Deindustrialisierung, die Standortattraktivität, die staatliche Bürokratisierung und das Geldsystem. Es unterscheidet sich von herkömmlichen Erzählungen dadurch, dass es technischer wirkt und der Schwerpunt auf den Kausalzusammenhängen liegt, die sonst hinter einem wohlklingenden Narrativ verschwinden.

Deindustrialisierung

Die Existenz von Unternehmen wird hinsichtlich ihrer Überlebensfähigkeit seit Jahren erheblich durch Energiekosten und Regulierungsbeschränken respektive Bürokratie(kosten) beeinflusst. Dabei gilt je höher die Energiekosten desto schlechter die Überlebensfähigkeit der Unternehmen und je größer die Regulierungsbeschränkungen desto schlechter wiederum die Überlebensfähigkeit. Energiekosten und Regulierungsausmaß werden wiederum durch eine staatsbürokratische Lenkung beeinflusst; hierbei gilt je größer das staatliche Lenkungsausmaß desto höher Energiekosten und Regulierungsbeschränkungen. Die Folge der zunehmenden Existenzgefährdung der Unternehmen ist ihr Exit(us), also Abwanderung und Aufgabe des Unternehmens.

Standortqualität

Die Folge der Deindustrialisierung ist ein sinkendes Steueraufkommen. Auch hier gilt je größer der Exit(us) desto geringer das Steueraufkommen. Und anschließend: je geringer das Steueraufkommen desto höher die Staatsverschuldung. Es gibt noch zwei weitere Folgen eines sinkenden Steueraufkommens: je niedriger das Steueraufkommen desto geringer die staatlichen Investitionen und desto höher der Anteil des Staatskonsums am Steueraufkommen.

Eine Verbindung der Teilmodelle mündet in der Infrastruktur. Je größer der Exit(us) der Unternehmen desto schlechter die Infrastruktur (vor Ort – in der Kommune) und je geringer das Steueraufkommen desto schlechter die Infrastruktur. Hier entsteht ein Teufelskreislauf. Das gilt auch und zusätzlich unter Berücksichtigung des Fachkräfteangebots.

Bürokratisierung

Die staatliche Verwaltung / Staatsbürokratie, produziert staatliche Lenkung – das ist der Link zum Teilmodell Deindustrialisierung. Je mehr Staatsbürokratie desto mehr staatliche Lenkung. Die Staatsbürokratie produziert staatlichen Verwaltungsaufwand – je mehr Staatsbürokratie desto mehr staatlicher Verwaltungsaufwand. Hier existiert ein Teufelskreislauf bekannt als Wagnersches Gesetz des ewigen Staatswachstums; das ist eine Art Perpetuum mobile. Die Staatsbürokratie schafft mehr Regeln auf mehr Gebieten und das erfordert mehr Staatsangestellte, die mehr Regeln auf mehr Gebieten schaffen.

Je größer das Staatsausmaß desto weniger Marktwirtschaft und auch desto weniger freie Gesellschaft. Weniger Marktwirtschaft und weniger freie Gesellschaft verringern wirtschaftliches (und menschliches) Wachstum und verringern die Wohlfahrt. Sklerose und Etatismus sind die Folge.

Geldsystem

Das Staatsausmaß (Umfang und Reichweite) steht in direktem Zusammenhang zur Staatsfinanzierung – je größer das Staatsausmaß desto größer die Staatsfinanzierung. Die Staatsfinanzierung erfolgt durch Steuereinnahmen und Staatsverschuldung (das sind überwiegend vorgezogene/hinausgezögerte Steuereinnahmen). Ein gesetzliches Zahlungsmittel für das Steueraufkommen und die Verstaatlichung der Geldproduktion in einer zentralen Bank vergrößern die Staatsfinanzierung und verringern deren Kosten. Zugleich senken sie den Wert der Währung kontinuierlich durch Aufblähen der Geldmenge (bei wettbewerbslosem Fiatgeld) und schüren Finanzkrisen durch den Kredithebel der Geschäftsbanken, die künstliche Zinsfestsetzung, die Bailout Funktion, aber auch die Regulierungsbeschränkungen (unbeabsichtigte Konsequenzen). Hinzu kommen im europäischen Raum inkompatible Wirtschaftskulturen und Wirtschaftspolitiken. Was wiederum Zentralisierung beflügelt und Etatismus.

Modellkonsequenz

Die zuvor skizzierten Ursache-Wirkung-Zusammenhänge, ihre Dynamiken als sich überwiegend verstärkende, statt ausbalancierende Feedbackschleifen geben einen Hinweis auf die systemische Existenz einer existenziellen Entwicklung (c). Sie lassen sich im Detail und insgesamt diskutieren anstatt, wie sonst üblich, einen anderen Narrativ dagegen zu stellen.

Kurzgefasst bergen in dieser Bestandsaufnahme Deindustrialisierung, sinkende Standortattraktivität, steigende Bürokratisierung und billiges Geld des Zentralbanksystems das Risiko beträchtlicher Wohlstandsverluste statt eines weiter so, sowohl in jedem einzelnen Feedbacksystem als auch in der Gesamtdynamik. Das gilt umso mehr in der verfestigten Praxis auf Krisen stets mit mehr staatlicher Aktivität zu reagieren, die dauerhaft und nicht nur Krisen bezogen zu einer Ausweitung der Staatsaktivitäten führt (Sperrklinkeneffekt, Interventionsspirale). So wächst der Staatssektor in den letzten 10 Jahren am stärksten im Vergleich mit allen Branchen (über 150%). Stets wird Bürokratieabbau von der deutschen Bürokratie selbst und insbesondere der EU konterkariert.

Sichtbar ist eine exponentielle Entwicklung u.a. in Kommunen, die einen dauerhaften drastischen Ausfall von Steuereinnahmen erleben, weil Großunternehmen in strukturellen und sogar existentiellen Krisen stecken und den Standort wechseln.

Auf Bundesebene hat der Bundesrechnungshof aktuell gewarnt, es gebe keinen Spielraum bei den Staatsausgaben. Die Problematik wird sich angesichts der demographischen Entwicklung und eigentlich erforderlicher Großausgaben für Verteidigung und Infrastruktur mittelfristig zuspitzen. Volkswirtschaftlich werden wahrscheinlich steigende Arbeitslosigkeit und zurückgehende Konsumfähigkeit eine zunehmende Rolle spielen. Bisher nur punktuell thematisiert werden stark steigende Ausgaben für Gesundheit und Pflege in einer alternden Gesellschaft. Die Reduzierung von auch existenziellen Gesundheitsleistungen ist in Deutschland längst Alltag und wird insbesondere für GKV-Patienten weiter zunehmen, weil diese betriebswirtschaftlich mit einer Selbstausbeutung der Ärzte einhergehen.

Das hier skizzierte Modell ließe sich nun detaillierter mit Fakten füllen und dann quantitativ bearbeiten. Damit wären sowohl analytische als auch prognostische Erkenntnisse verbunden, die nicht zuletzt das Modell verbessern.

Das gilt beispielsweise für die Geldpolitik, die absehbar weiter Krisen treibend wirkt und mit zu billigem Geld und zu niedrigen Zinsen aufgrund der Verschuldung des Euro-Zentrums – Italien, Frankreich und mittelfristig Deutschland – erneuert wird. Die Kaufkraft des Euro verfällt weiter (Inflation), was primär die arme Bevölkerung trifft. Armut werden in der unteren Schicht und Wohlstandsverluste in der unteren Mittelschicht zunehmen. Importe werden teurer und ausländische Güter rar, sie fehlen dann in Angeboten. Die Schere zwischen Arm und Reich geht politisch bedingt auf.

Reformen müssen die Teufelskreise aufbrechen und Wachstum zulassen. Für Klimaausgaben bestand in Deutschland eigentlich nie ein finanzieller Spielraum, zumal der Wechsel der Energieerzeugung – wie die Ausgaben für Verteidigung – keinen Wohlstand schafft und nicht einmal Kosten senkt. Signifikante positive Auswirkungen auf die Natur gibt es ebenfalls nicht, im Gegensatz dazu werden erhebliche Umweltschäden verursacht, z.B. durch Windkraftwerke.

Nachtrag: Problemverschlepp und Reformstau

Ich habe den Eindruck, dass sich bürgerliche Wähler derzeit schwertun, ihre Stimme einer Partei zu geben. Das scheint daran zu liegen, dass keine Partei ein glaubwürdiges Reformprogramm anbietet und noch mehr daran, dass alle etablierten Parteien aus mindestens einem Grund Bürgern unwählbar erscheinen. Das gilt über die Ampel hinaus für viele Frauen z.B. für die CDU, aber auch die AfD, aufgrund deren Haltung zu Schwangerschaftsabbrüchen.

Zudem scheint die Masse der Wähler Wahlumfragen zufolge nur milde Veränderungen anzustreben.

Es ist längst kein Geheimnis mehr, dass wahrscheinlich (= ca. 80 %) die nächste Bundesregierung keine substanziellen Reformen realisieren wird. Was wäre, wenn das so käme. Dann würde nicht die nächste, sondern die übernächste Bundestagswahl interessant werden. Alle politischen Kräfte hätten dann unter erheblichem Reformdruck wiederholt bewiesen, dass mit ihnen die Problemverschleppung anhält und sich zuspitzt. Verfestigt sich dann die Sklerose? Bilden sich zwischenzeitlich maßgebliche Reformkräfte in und über die Parteigrenzen hinaus? Entstehen neue Parteien? Werden die Extreme stark, weil sie Verbesserungen versprechen, obwohl sie diese erkennbar nicht liefern werden?

Wo Schatten ist, ist auch Licht

Milei und Trump werden 2025 und in den Folgenjahren aufmerksam bei ihren Bemühungen um das Schrumpfen der Interessenkonglomerats Staat betrachtet werden. Strukturreformen werden im Westen ein herausragendes Thema in mittlerer Frist sein. Die Geschichte zeigt, es ist zuweilen anders möglich als weiter so, z.B. im sozialistisch geprägten Großbritannien mit einer Rosskur.

Im Bundesarchiv stellt Reinhold Beckmann in einer Lesung seines Buches „Aenne und ihre Brüder“ die tragische Familiengeschichte insbesondere seiner Großeltern und Onkel dar. Alle sechs starben an den Folgen des Ersten Weltkrieges und mangelnder Gesundheitsstandards (beide Großeltern) sowie an der Ostfront im Zweiten Weltkrieg (vier Onkel). Ein Onkel erkannte früh die nationalsozialistische Katastrophe. Ändern ließ sich der Verlauf der Dinge nicht. Die Lesung zeigte anschaulich familiäre Konsequenzen einer „Krise ohne Alternative auf“, die zu exponentiellen Einbrüchen, zum Kollaps des Alltags führen kann.

Wer die Weichen frühzeitig und dauerhaft falsch stellt, wer nicht zu Korrekturen bereit ist, der fährt aufs Abstellgleis, wenn es gut läuft. Noch dürften den Entscheidern überwiegend die Anreize für einen anderen Kurs fehlen.