Die dunkle Seite der Hanse
Die Hanse, das mittelalterliche Handels- und Städtebündnis, wird immer wieder als erfolgreiches Beispiel für Kooperation und wirtschaftliche Kraft in Nord- und Mitteleuropa dargestellt. Zugleich gibt es auch Kritik, die ich in meinem Artikel im Freiheitslexikon knapp thematisiert habe. Diese dunkle Seite sieht die Hanse begründet als ein Kartell an, das Druck auf Mitglieder ausübte, Sanktionen erließ und Krieg führte und von staatlichen Privilegien profitierte, die als Monopolstellungen angestrebt wurden.
Menschen verfolgen ihre Interessen. Sie schließen sich dafür regelmäßig in Gruppen zusammen. Diese Gruppen wenden immer wieder Mittel an, die anderen Menschen veranlassen sich anders zu verhalten als sie das freien Willens tun würden. Dieses Muster existiert in der Geschichte seitdem es Menschen gibt. Es weist grundsätzlich auf die Macht- und Gewalt-Problematik hin – nicht-staatliche Akteure und Alternativen eingeschlossen.
Kritik an der Hanse im systematischen Kurzüberblick:
1. Exklusiv und elitär
- Exklusives Bündnis: Die Hanse war ein Netzwerk und Kartell, das nur bestimmten Städten und Kaufleuten Vorteile bot. Andere, insbesondere kleinere Händler und Nicht-Mitglieder, wurden ausgeschlossen.
- Konzentration auf die Elite: Die Vorteile der Hanse kamen primär der wohlhabenden Kaufmannsschicht zugute, während die breite Bevölkerung oft nicht von der wirtschaftlichen Macht profitierte.
2. Monopolbildung
- Wirtschaftliche Dominanz: Die Hanse strebte nach staatlichen Privilegien und Handelsmonopolen, insbesondere bei Rohstoffen wie Salz, Getreide und Pelzen. Dies führte dazu, dass sie andere Händler und Regionen (gezielt) vom Markt verdrängte und den Wettbewerb ausschaltete.
- Preismanipulation: Durch ihre Marktmacht konnte die Hanse Preise beeinflussen, was in den betroffenen Regionen zu wirtschaftlichen Nachteilen führte. Beispiel betreffen viele wesentliche Güter wie Stockfisch, Salz, Getreide, Pelze und Bier.
3. Ausbeutung kleinerer Städte und Regionen
- Abhängigkeit: Kleinere Städte und Regionen, die mit der Hanse Handel trieben, gerieten in wirtschaftliche Abhängigkeit, wurden zu Hanse konformem Verhalten gezwungen, u.a. durch Sanktionen.
- Isolation: Visby war im frühen Mittelalter ein bedeutendes Handelszentrum in der Ostsee. Die Stadt geriet jedoch in Konflikt mit bzw. innerhalb der Hanse, insbesondere mit Lübeck um den Einfluss in der Ostsee und im Kontor Nowgorod.
- Ungleiche Handelsbeziehungen: Die Handelsverträge waren häufig zugunsten der Hanse ausgelegt, was lokalen Wirtschaften schaden konnte, etwa in Bergen, Brügge, Emden.
4. Konflikte und Gewalt
- Aggressive Handelsstrategien: Die Hanse setzte oft militärische und wirtschaftliche Macht ein, um ihre Interessen durchzusetzen, z. B. in Konflikten mit Dänemark (Waldemarkrieg 1367-70), Norwegen (1284-1295), England (1470er).
- Großmacht: Zwischen 1350 und 1400 war die Hanse eine europäische Großmacht.
- Piraterie: Die Hanse war zwar ein Gegner der Piraterie, aber sie setzte gelegentlich selbst unlautere Methoden ein oder duldete sie, um Konkurrenten auszuschalten, darunter zeitweise die Vitualienbrüder
5. Kulturelle Dominanz und Assimilation
- Förderung deutscher Interessen: Die Hanse wurde oft als Instrument des deutschen Handels und der Expansion gesehen, was in nicht-deutschen Gebieten, z. B. in Skandinavien oder im Baltikum, zu Spannungen führte.
- Vernachlässigung lokaler Kulturen: Die Dominanz der Hansestädte über lokale Handelszentren und Traditionen wird als kulturelle Einseitigkeit kritisiert. So setzte die Hanse in ihren Handelskontoren und Städten einheitliche Regeln und Vorschriften durch, die auf deutschen Handels- und Rechtspraktiken basierten, und verdrängte lokale Händler.
6. Kurzsichtigkeit in langer Frist
- Wirtschaftliche Stagnation: Die Hanse konzentrierte sich stark auf traditionelle Handelswege und -güter, die sie erfolgreich gemacht hatten, wodurch sie im späteren Mittelalter nicht flexibel auf neue Entwicklungen, wie die Entdeckung Amerikas und die atlantischen Handelsrouten, reagieren konnte.
- Interne Zerstrittenheit: Die Hanse hatte keine zentrale Führung und litt unter internen Konflikten, was ihre Effektivität und Anpassungsfähigkeit einschränkte. Beispiele sind der Konflikt zwischen Lübeck und Köln, das zeitweise aus der Hanse austrat, der Wendische Städtebund versus preußische Hansestädte und Streit um Kontore.