Die große Ablenkung: Links & Rechts
Die große Ablenkung: Links & Rechts

Die große Ablenkung: Links & Rechts

Die große Ablenkung: Links & Rechts

Das Pendel schwingt zurück. Wie so oft in der Geschichte wird eine dominante Strömung von einer anderen abgelöst. Derzeit gibt es viel Aufregung um das Vordringen politisch rechter Positionen, die die angestammten linken herausfordern und abzulösen beginnen. Für Liberale ändert das nichts, nichts zum Besseren, zumindest im Grundsätzlichen. Etwas mehr Meinungsvielfalt und etwas mehr Wohlstand könnten möglich werden wie die Aufgabe der Zensur durch Facebook und die Abwendung von Wokeness durch US-Konzerne andeuten sowie die üblicherweise verfolgte Angebotspolitik vermuten lässt.

Die westliche Welt rückt seit einigen Jahren von links nach rechts: in den USA nun mit Trump, in Kanada vielleicht nach Trudeau, bereits seit wenigen Jahren tw. als Regierung oder Regierungsbeteiligung beispielsweise in Italien (Fratelli d’Italia), Ungarn (Fidesz – Ungarischer Bürgerbund), Österreich (Freiheitliche Partei Österreichs – FPÖ), Niederlande (Partei für die Freiheit – PVV), Schweden (regierungsunterstützend: Schwedendemokraten), Finnland (Perussuomalaiset – Die Finnen), Norwegen (Fremskrittspartiet – Fortschrittspartei), Dänemark (Dansk Folkeparti – Dänische Volkspartei) und Neuseeland (die Mitte-rechts-Partei National Party). In Deutschland ist nach dem von Friedrich Merz 2008 kritisierten Linksruck der CDU bei der kommenden Bundestagswahl rechnerisch eine Stimmenmehrheit von CDU und AfD wahrscheinlich, während in Frankreich die Rechte (Rassemblement Nationale) kontinuierlich auf dem Vormarsch ist. Die Medienlandschaft dürfte politisch weiter durch linke Dominanz gekennzeichnet sein, abgesehen von sozialen Medien, darunter X und wie angesprochen Facebook, ferner neue Medien wie Tichys Einblick und Achse des Guten sowie die kontinuierlich wachsende Wochenzeitung Junge Freiheit.

Indes wird die Welt nicht liberaler, nicht freiheitlicher, nicht dezentraler, nicht weniger zentralistisch, nicht weniger machtpolitisch und interessenpolitisch gelenkt und beeinflusst.

Die Probleme beginnen bereits beim Verständnis: Was ist links? Was ist rechts? Ab wann ist eine Position nicht mehr die der Mitte? Bis wohin reicht die Mitte? Welche Kriterien unterscheiden links und rechts? In welchem Land? Wissenschaftlich, publizistisch, in Alltagsgesprächen? Die amerikanische „Good Old Right“, die englischen „Whigs“, die schwedischen „Hats“ (im 18. Jahrhundert) lassen sich als rechte Positionen etikettieren und haben doch nichts mit dem landläufigen, abgenutzten Vorwurf zu tun, man nehme eine rechte Position ein.

Problematisch wird es, sobald diese ideelle, ideologische, geistige, konstruktivistische Position mit konkreter Politik konfrontiert wird. Wer links definiert mit: alle Menschen sind gleichwertig und rechts als: alle Menschen sind natürlich ungleich, der wird angesichts der Praktiken und Resultate linker Politik in Kuba, Venezuela, der DDR und der Sowjetunion mit der Tatsache extremer Ungleichheit von Herrschenden und Beherrschten bis hin zu massenhaften Verletzungen und Tötungen der Bürger konfrontiert. Gleiches gilt für die faschistischen Staaten, die keine Verfechter natürlicher Ungleichheit waren; das NS-Regime praktizierte eine eliminatorische Rassenpolitik in Europa.

Wer die Extreme des 20. Jahrhunderts betrachtet, der sieht Hitler und Stalin als Verkörperungen von rechts und links, als zwei Diktatoren, die beide durch hemmungslose massenhafte Staatsgewalt herrschten und Millionen Menschen töten ließen. Nationalsozialisten und Sozialisten propagierten Gleichheit als Volkgemeinschaften und klassenlose Gesellschaft, während sie Privilegienherrschaft autoritär praktizierten.

Welche Rolle spielt es, ob Hitler als Linker oder Rechter bewertet wird? Die Bewertung verändert nicht zuletzt den Diskurs, die moralischen Zuschreibungen, das derzeit dominierende Koordinatensystem von links = gut und rechts = böse. In dieser Hinsicht wäre es zugleich Geschichtsrevisionismus.

Aus liberaler Perspektive ist das nicht zuletzt eine Ablenkung.

Stalin und Hitler waren die Köpfe eines extremen Etatismus. Sie waren die Führer zweier zentralistischer, hierarchischer Organisationsformen von Wirtschaft, Gesellschaft, Politik und Kultur. Substanzielle Abweichungen waren in beiden totalitären Diktaturen nicht möglich. Der Sozialismus praktizierte eine Planwirtschaft, der Faschismus eine Organisationswirtschaft, zu den Ausprägungen eines extremen Etatismus zählten (perfider) Bürokratismus, Zentralverwaltungswirtschaft, Zensur und Unterdrückung. Linker und rechter Extremismus ist mit einer offenen, pluralistischen Gesellschaft unvereinbar – beide Strömungen wollen die Welt nach Ihren Ideologien organisieren und beherrschen.

Das Gegenteil von extremem Etatismus und auch von milderen Formen eines linken und rechten Primats des Staats ist die dezentrale, die nicht-hierarchische Ordnung, die freie Gesellschaft mit einem zurückgenommenen, beschränkten Staat. Als Schlagworte sind uns offene Gesellschaft, spontane Ordnung, Marktwirtschaft und freie Marktwirtschaft, Rechtsstaat und Zivilgesellschaft geläufig. Bürger und Familie können ein Gegenpol von Bürokratie und Fremdbestimmung sein.

Etatismus ist an sich eine Sackgasse. Im eher gewaltarmen Extrem führt Etatismus in den Staatsbankrott wie in Argentinien vor Javier Milei. In seiner „wohlfahrtlichen“ Form führt Etatismus zu dem, was der österreichische Ökonom Fritz Machlup 1932 wie folgt beschrieb: Wir essen unsere Straßen, unsere Eisenbahn und Häuser auf. Wir machen Feuer mit unseren Möbeln.  – Mit anderen Worten, heute: Substanzverzehr, Infrastrukturverfall, Inflationismus. Etatismus führt früher und später zu sozialer und materieller Ungleichheit, zur Geldentwertung und zur Beschränkung der Vielfalt des Lebens durch übergriffige Verbote und absurde Gebote.

Linke und rechte Positionen verbindet, dass ihre Befürworter Macht erlangen und ausüben wollen, damit sich Menschen anders verhalten als sie das normalerweise friedlich tun würden.

Die Zeit ist einmal mehr reif für mehr Freiheit, für mehr Selbstbestimmung, für mehr Vielfalt und gerade auch für Eigentümliches, Unterschiedliches, Nichtkonformes.

Die Bürger schaffen das (besser). Lasst sie machen!

Sonst werden sie einem Führer folgen, der ihnen ein besseres Leben verspricht.