Die unverstandene Transformation des Westens
Die unverstandene Transformation des Westens

Die unverstandene Transformation des Westens

Die unverstandene Transformation des Westens

Die Medien sind voller Hinweise auf die tiefgreifenden Maßnahmen, die Javier Milei und inzwischen auch Elon Musk im Auftrag von Donald Trump unternehmen.

Ich habe den Eindruck, dass die Nachrichten überwiegend fehlgeleitet sind. Fehlgeleitet, weil sie nicht berichten, nicht unvoreingenommen analysieren, sondern von einem ähnlichen Standpunkt aus bewerten. Die zugrundeliegende Haltung ist vielfach nicht nur durch Kritik, Abwertung und Empörung gekennzeichnet, sondern vielmehr kommt in den Beiträgen das Unverständnis der Bewerter zum Ausdruck. Dazu passt das folgende Zitat: „Coverage of political change is typically tendentious, and coverage of Trump has been ridiculously so.“ Der Urheber wird gleich genannt. Meines Erachtens liegt die Desinformationen ähnelnde Berichterstattung daran, dass sie weitgehend oder völlig verhaftet sind in der alten Welt, während eine neue von den Disruptoren angestrebt wird.

Martin Gurri ist einmal mehr einer Sache auf der Spur.

„Trump could improve the material well-being of his voters with few changes to the system. He seems intent on more, and to gauge his progress we should ask whether any of the following conditions are met. A new elite must replace the old ruling class. Institutions must be conquered and retooled, or new institutions erected, to sustain a steady pressure for the desired change—say, low immigration and merit-based employment. Political power must become the lever for cultural renewal, with a reorientation to the new ideals by art, entertainment, professional life—even the way we look and talk.”

Gurri, ehemaliger Analyst der CIA und ein Autor, der sich mit den Auswirkungen der digitalen Revolution auf Politik und Gesellschaft, betrachtet Trumps geplante Regierungsumbildung als Reaktion auf langfristige historische Entwicklungen, die den wachsenden Einfluss der progressiven, d.h. sozialdemokratisch-sozialistischen Bürokratie in den USA geprägt haben. Die zentralen historischen Entwicklungen, die Gurri anspricht, sind:

  1. Das Wachstum des Verwaltungsstaates
    • Seit dem frühen 20. Jahrhundert, insbesondere unter Woodrow Wilson, Franklin D. Roosevelt und Lyndon B. Johnson, haben progressive Eliten den Verwaltungsapparat der USA erheblich ausgebaut.
    • Diese technokratische Bürokratie wurde als „unabhängige“ Instanz geschaffen, die in vielen Bereichen der Politikgestaltung eine größere Rolle spielt als gewählte Politiker.
  1. Der „Deep State“ als Hindernis für Reformen
    • Gurri deutet an, dass sich über Jahrzehnte hinweg eine permanent-persistente Beamtenelite herausgebildet hat, die eine eigene Agenda verfolgt und sich Reformbestrebungen widersetzt.
    • Trump und seine Anhänger betrachten diese Institutionen als „Deep State“, der demokratisch gewählte Regierungen behindert.
  1. Die populistische Revolte gegen die Eliten
    • Die Präsidentschaft von Trump wird von Gurri als Teil eines breiteren globalen Trends gesehen, bei dem Bürger traditionelle politische Institutionen als korrupt und abgehoben wahrnehmen.
    • Diese Entwicklung spiegelt sich auch in Bewegungen wie dem Brexit, den Gelbwesten in Frankreich und anderen populistischen Strömungen wider.
  1. Die Rolle der Medien und der digitalen Revolution
    • Gurri ist bekannt für seine These, dass das Internet die Macht der etablierten Eliten geschwächt hat, indem es alternative Informationskanäle geschaffen und traditionelle Medieninstitutionen delegitimiert hat.
    • Er sieht Trumps Erfolg als direkte Folge dieser digitalen Disruption, die es Außenseitern erleichtert, sich gegen das Establishment durchzusetzen.

In diesem Kontext interpretiert Gurri bereits vor Trumps Wahl dessen mögliche zweite Amtszeit als den Versuch, diese historischen Entwicklungen radikal umzukehren – durch eine aggressive Neugestaltung der Bürokratie und eine direkte Konfrontation mit den Eliten, die den „tiefen Staat“ kontrollieren.

In Deutschland kann man aktuell die Problematik des tiefen, breiten Staats an der parlamentarischen NGO-Anfrage von CDU/CSU und den Reaktionen darauf erkennen. Argentinien taugt als Beispiel für einen Stufenprozess in der Berichterstattung: Kritik und Ablehnung der Person und der Reformmaßnahmen, die als zu radikal bewertet werden und deren negative Folgen in den Vordergrund gestellt werden. Dann werden Veränderungen sichtbar, die indes relativiert werden und erneut Missstände thematisiert werden, auch die, die den Vorgängern anzulasten sind. Schließlich lassen sich die Fortschritte und Erfolge nicht mehr bestreiten, aber solange die Medien als Teil der heimischen Eliten für den Status quo stehen und ihre Kontakte in den Regierungsapparat sowie ihre (vermeintliche) Reputation nicht gefährden wollen, dominieren Zurückhaltung, Kritik und Nicht-Thematisieren.

Analysten wie Martin Gurri sehen das anders:

“The whirlwind we are now reaping is a gigantic effort to bring something new—and, one hopes, good—into the world. It will arise from and be connected to our history, as I keep insisting, but its orientation must be toward the disruptive technologies that, for whatever reason, the old elites loathed and sought to suppress. The digital age in government is about to begin, and the possibilities are staggering.”

Das Problem der Verkrustung und Sklerotisierung von Staatswesen ist ein wiederkehrendes Phänomen in der Geschichte. Wenn Bürokratien wachsen, Eigeninteressen entwickeln und Reformresistenz zeigen, stellt sich die Frage, ob Veränderungen von innen realistisch sind oder ob sie von außen kommen müssen.

1. Reformen von innen – evolutionärer Wandel?

Reformen innerhalb des Systems setzen voraus, dass es genügend Akteure gibt, die anpassungsfähig sind und Veränderungen aktiv wollen. Dies kann geschehen durch:

  • Politische Führung mit Reformwillen: Starke politische Führer, die die Bürokratie aktiv umbauen, können Veränderungen bewirken (z. B. Margaret Thatcher in Großbritannien).
  • Interne Erneuerung durch Krisen: Wenn eine Krise das System erschüttert, entstehen manchmal Reformdruck und -gelegenheit (z. B. New Deal nach der Weltwirtschaftskrise).
  • Demokratische Kontrolle: Wähler können Druck auf Regierungen ausüben, um Reformen durchzusetzen.

Problem: Oft blockieren eigene Interessen der Bürokratie und bestehender Eliten tiefgreifende Reformen, weil sie vom Status quo profitieren.

2. Reformen von außen – disruptive Veränderung?

Wenn sich ein System nicht von innen erneuern kann, müssen Änderungen oft von außen kommen:

  • Populistische oder revolutionäre Bewegungen: Diese entstehen, wenn das Vertrauen in das politische System verloren geht. Beispiele: Trump (USA), Brexit (UK), Gelbwesten (Frankreich).
  • Technologische Disruption: Neue Technologien (z. B. Internet, Kryptowährungen) untergraben etablierte Machtstrukturen, indem sie alternative Machtzentren schaffen.
  • Externes Ereignis oder Schock: Kriege, Wirtschaftskrisen oder geopolitische Erschütterungen können den Druck auf ein verkrustetes System so stark erhöhen, dass es sich verändert oder die Beharrungskräfte obsiegen (Arabischer Frühling).

Problem: Externe Reformimpulse sind oft chaotisch, schwer steuerbar und mit Risiken verbunden – sie können auch zu radikalen Brüchen führen (z. B. Arabischer Frühling, Fall der Sowjetunion).

Was ist effektiver?

  • Reformen von innen sind stabiler, aber oft zu langsam und werden von den etablierten Eliten blockiert.
  • Änderungen von außen sind oft disruptiv und unkontrollierbar, können aber tatsächlich festgefahrene Strukturen aufbrechen.

Fazit: Je stärker die Bürokratie und das politische System sich gegen Veränderungen immunisieren, desto wahrscheinlicher werden externe Reformimpulse nötig. Wenn sich Reformen nicht innerhalb eines Systems realisieren lassen, dann bleibt oft nur noch der Druck von außen, sei es durch populistische Bewegungen, technologische Entwicklungen oder/und Krisen.