Ein deutsches Leben
Wer etwas lebensnahes über die NS-Zeit erfahren möchte, dem kann ich “Ein deutsches Leben” empfehlen. Vorstellungen finden im Schlosspark Theater Berlin (Steglitz) monatlich, meist am Samstag Nachmittag statt. Link
Worum geht es: Um die echten Lebenserinnerung einer Sekretärin von Joseph Goebbels – Brunhilde Pomsel. Sie war 1945 34 Jahre jung und wurde 106 Jahre alt.
Warum ist es sehenswert: Brigitte Grothum, die 2025 ihren 90. Geburtstag feiert, spielt 75 Minuten allein. Und jede Minute ist es wert, zuzuschauen und zuzuhören. Die reduzierte Inszenierung ist gelungen.
Welche Assoziationen hatte ich beim Zuschauen: 1. Die Beschreibung des Lebensalltags ist zuweilen eindringlicher und realer als die vielen Abhandlungen, die Regalmeter füllen und eine guter Ergänzung.
2. Die Alltagsgeschichte der NS-Zeit hebt sich vom Besserwisserischen der Lehnstuhlmoralisten ab. Ganz normale Menschen haben ihre persönlichen Lebensziele verfolgt, natürlich auch mit den menschenverachtenden, aber im Alltag regelmäßig freundlich auftretenden Nationalsozialisten. Spätere Widerstands- und Besserwissenappelle halte ich grundsätzlich und gerade heute für abgehoben.
3. Unsere Erinnerungen mischen sich mit der Gegenwart und jüngeren Vergangenheit, so dass die Vergangenheit tagtäglich umgeschrieben wird. Das reflektiert Brunhilde Pomsel.
4. Das Propagandaministerium war ein Herrschaftsinstrument. Wer bestimmen kann, was politisch korrekte Meinungen sind, übt Herrschaft aus.
5. Es ist vielfach schwer festzustellen, was “die” Realität war und ist, zumal diese von Standpunkten, Perspektiven und Bewertungen abhängt. Es gibt in vielerlei Kontexten nicht das Richtige, das nur entdeckt werden muss. Zugleich sollten wir deshalb nicht in Nihilismus abgleiten. Und: das Böse ist oft banal.