Ein Essay über das „Scheißbürgertum“
Das „Scheißbürgertum“ lebt vom Bürgertum. Die Scheißbürger haben Netzwerke errichtet, die die Bildungseinrichtungen und die Kulturindustrie dominieren, sie lenken und die Gesellschaft mit einer Ideologie doktrinieren, die ihrem Wesen nach geradezu autoritäre Züge trägt.
Das ist die Diagnose des Publizisten und langjährigen Chefredakteurs von WeltN24.
Ulf Poschardt hat den Begriff Shitbürgertum geprägt, weil der eine Nähe zu den Schildbürgern besitze und auf das tatsächliche Niveau der selbst verstandenen Elite hinweise – in Anlehnung an Javier Milei, der links als scheiße bezeichnet und damit letztlich deren Niveaulosigkeit und Amoralität kritisiert habe.
Assoziationen mit der autoritären Spießbürgerideologie und sozialistischem bzw. faschistischem Gedankenungut der Unmoralischen, die sich als Moralmonopolisten sehen, erscheinen in dieser Perspektive naheliegend.
Shitbürgertum habe ich als ein etwas schräges, eminent wichtiges, Orientierung und sogar Hoffnung stiftendes Buch wahrgenommen. Schräg, stilistisch und weil Meinungsdiagnosen in Form von Leitkommentaren versammelt sind. Die Form erinnert mich trotz eines roten Fadens – die Dekonstruktion des links-grünen Medien-, Kultur-, Meinungs- und Bildungssektors in Deutschland und dem Westen mit deren pseudomoralischer Herrschaftspraxis – an die Technik der Blitzvorträge, die Impulse setzen, ohne geschmeidig durchdekliniert zu sein, gerade um zum eigenen Wahrnehmen und Denken anzuregen. Assoziation statt Komposition.
Wichtig, weil es als zeitgemäße Diagnose sowohl den Machtkomplex des sogenannten Scheißbürgertums identifiziert als auch seinen bereits weltweit erkennbaren Niedergang erfasst. Wichtig und Orientierung stiftend, weil Ulf Poschardt auf die Gegenbewegung von rechts hinweist und eine mögliche Brachialität beim Zurückdrängen. Dieser Konflikt bereitet Sorgen. Hoffnung, weil weniger Scheißbürgertumeinfluss mehr Freiheit, Kreativität, Innovationen, Leistung, Vielfalt und Individualität ermöglichen kann.
Für die Scheißbürger zeigt Ulf Poschardt zwei Zukünfte auf: Selbsttherapie mit dem Ziel eines stabileren Selbstbildes und der Entwicklung eines Differenzierungsvermögen bei gleichzeitiger Emotionsregulation oder: Dekonstruktion von außen im Zuge von Grabenkämpfen mit dem Ziel, das Shitbürgertum konsequent zu entmachten und dessen Institutionen aufzulösen.
„Das Shitbürgertum ist Shit, weil es dabei besonders feige und bequem agiert. Es muss dekonstruiert werden. Und zwar umfassend.“
Das würde zu den als notwendig erachteten Reformen in Wirtschaft und Gesellschaft passen. Entstaatlichung, Entbürokratisierung, mehr Wettbewerb und Leistung, komplettes Streichen der mit Steuergeldern finanzierten Stiftungen, Institute, Beauftragte, privatisieren von Staatsfernsehen und Staatsrundfunk etc. Zugleich würde Realität wieder an die Stelle der Konstruktivismus von Ökologismus, Wokismus, Genderismus, Moralismus, Etatismus und „Wasauchimmerismus“ treten. Das von Ulf Poschardt diagnostizierte passiv-aggressive Verhalten der Shitbürger würde nicht zuletzt verschwinden und Freiraum entstehen für Individualität und Humor. Dafür braucht es indes mehr Liberalität im Gegensatz zu links und rechts.
Vielleicht stehen wir angesichts der Ausmaße und Wirkmacht des Scheißbürgertums vor einer Freiheitsrevolution, die mit 1848 verglichen werden darf.
„Der Freiheitsneid ist der Antrieb aller totalitären, autoritären und egalitären Bestrebungen. Die Freiheit ist für denjenigen eine Zumutung, der sie nicht in sich spürt und dem sie Angst einflößt.“
Mit Shitbürgertum bietet Ulf Poschardt eine essayistische „Consommé“ der Genese, der begonnenen und zu leistenden Dekonstruktion angesichts eines tief sitzenden Freiheitsfeindbilds. Wir leben wahrlich in interessanten Zeiten.
Ulf Poschardt: Shitbürgertum, ulfposhbooks Berlin 2025, 164 S., 9,90 Euro Kindle.