Selten hatte ein Kandidat derartige Hürden zu überwinden. Politischer Newcomer. Unbeliebtester Kandidat – ever. Angefeindet von der eigenen Partei, die ihn bis zuletzt verhindern wollte. Namhafte Republikaner verweigerten ihm Gefolgschaft und Stimme. Scharf kritisiert von den Medien, häufig zurecht, vielfach völlig übertrieben. Am medialen Tiefpunkt seiner Wahlkampagne hielt öffentlich kaum jemand von Bedeutung zu ihm. Die Demoskopen sahen fast durchweg Hillary Clinton vorn und hielten ihren Wahlsieg für ungefährdet. Das politisch-mediale Establishment in Deutschland und Teilen Europas hielt nur die mitunter verhasste Ex-Außenministerin für das Weiße Haus geeignet. Dort zieht Donald Trump nach seinem souveränen Wahlsieg ein. Sein Erfolg ist eine enorme Leistung.
Trump hat, wie seine Konkurrentin auch, einen Wahlkampfmarathon hinter sich gebracht, der eine gewaltige Kraftanstrengung erforderte. Trump hat aber nicht nur die innerparteilichen Hürden überwunden und den Shitstorm abgleiten lassen. Vielmehr muss er frühzeitig eine treffende Wahlanalyse getätigt haben:
- Die Wähler wollen mehrheitlich einen Wandel – nicht ein kollektives weiter so à la „Together we are stronger“, sondern einen echten Change, zurück zu den Wurzeln: „Make America Great again“.
- Die Amerikaner wollen nach Obama keine Moralisierung, sondern ein Ende der paternalistischen politischen Korrektheit. Vor allem aber wollen viele Wähler ein Ende des Politfilzes und endlich wieder gutes Geld für harte Arbeit, damit sie selbstverantwortlich ein sinnerfülltes Leben führen können.
Tatsächlich haben die Arbeiter aus dem Rust Belt, der ältesten Industrieregion Amerikas, die Wahl entschieden. Selbst in Youngstown, Ohio, der von Bruce Springsteen besungenen Stadt und Hochburg der Demokraten, haben die Menschen Trump gewählt. Seine Wirtschafts- und Industriepolitik zielt genau auf die Menschen ab, die einst in Detroit Autos und in Baltimore Schiffe gebaut haben, die als Stahlarbeiter und Bergleute in Youngstown ihr Einkommen hart erarbeitet haben und nun in Geister- und Caravanstädten leben. Die Verlierer von Strukturwandel, Globalisierung und Arbeitsplatzverlagerungen haben ihre Stimme erschallen lassen.
Donald Trump ist beileibe kein Sympath, aber auch kein Psychopath. Ein authentischer Hitzkopf und Choleriker wird als einer der ältesten Präsidenten vereidigt werden. Die Menschen erwarten von ihm fundamentale Änderungen. Eine Reihe seiner bislang rudimentär bekannten wirtschaftlichen Reformäußerungen passen zu dem, was führende Ökonomen für die USA fordern: Steuerreform und Steuersenkung, massive Deregulierung auch für dringend notwendige Produktivitätssteigerungen, eine drastische Reduzierung der Staatsschulden sowie eine Grunderneuerung der Infrastruktur. Unter den gehandelten Ministern und Beratern sind eine Reihe namhafter Persönlichkeiten mit politischer Erfahrung, darunter Vizepräsident Mike Pence und Rudy Giuliani, aber auch Newt Gingrich. Zusammen mit der jeden Präsidenten einhegenden Verfassung spricht das für eine Politik, die für die Amerikaner besser sein kann als die ablaufende Ära eines der schlechtesten Präsidenten. Andere politische Vorhaben trüben das Bild. Und Europa sollte sich warm anziehen. Trump wird teuer, wird zu einer weiteren Belastungsprobe für die EU und – nicht zuletzt ohne Mäßigung der unsäglichen politischen Äußerungen bekannter deutscher Politiker – zur Herausforderung für Großunternehmen von Deutsche Bank bis Daimler Benz
Die Wahl von Donald Trump zum 45. Präsidenten der USA könnte zu einem Erdrutsch führen. Sie ist mehr als nur eine Klatsche für die unter einer Käseglocke lebenden Apparatschicks in Politik und Medien. Mit ihren Kommentaren hat sich das deutsche Führungspersonal selbst in Abseits gestellt. Und dort wird es sich dauerhaft wiederfinden, wenn in Deutschland und Europa unvorstellbare Wahlergebnisse zunehmen – als Reaktion auf den Realitätsverlust des Establishments. Amerika war oft ein Trendsetter und ist uns vielleicht lediglich ein paar Jahre voraus.