Ein Plädoyer für ein angemesseneres Freiheitsverständnis
Ein Plädoyer für ein angemesseneres Freiheitsverständnis

Ein Plädoyer für ein angemesseneres Freiheitsverständnis

Ein Plädoyer für ein angemesseneres Freiheitsverständnis

Eine klarsichtige Einordnung der Rede von JD Vance bietet FOCUS-online-Chefkorrespondent Ulrich Reitz: Video ansehen.

Seine Bewertung des Freiheitsverständnisses in der Rede als „libertär“ ist jedoch nicht korrekt – und das sollte nicht nur beunruhigen, sondern erfordert eine Richtigstellung.

Freiheit im Geiste der liberalen Gründerväter

Das in der Rede vermittelte Freiheitsverständnis entspricht der Freiheit, für die die liberalen Gründerväter der Bundesrepublik Deutschland eintraten – einer Freiheit, die untrennbar verbunden ist mit Föderalismus und Westbindung.

Alexander Rüstow, einer der führenden Denker des linken Liberalismus, formulierte dies vor über 60 Jahren treffend:

„Was ist für uns von allen Werten unserer abendländischen Kultur der zentralste, der, zu dessen Verteidigung wir uns vor allen anderen berufen und verpflichtet fühlen? Die Freiheit! Und zwar ebenso die politische wie die geistige Freiheit.“
(Rede und Antwort, S. 338)

Dies klingt erstaunlich passend zu dem, was der amerikanische Vizepräsident in seiner Rede vorgetragen hat.

Bereits vor 70 Jahren ergänzte Rüstow zur Bedeutung der Freiheit:

„Denn worauf es entscheidend ankommt, das ist, das Ideal der Freiheit, über die bloße Ablehnung der Unfreiheit hinaus, mit lebendigem und reichem, positivem Inhalt zu erfüllen. Je mehr es sich nicht nur um Freiheit wovon, sondern um Freiheit wozu handelt, je erfüllter von lebendigem Inhalt unsere Freiheit ist, desto mehr wird sie uns wert sein, und desto eher werden wir bereit sein, uns für sie einzusetzen und sie zu verteidigen.“
(Soziale Marktwirtschaft als Gegenprogramm gegen Kommunismus und Bolschewismus, S. 103)

Damit trifft Rüstow gleich doppelt auf den Kern der Mahnung von JD Vance zu.

Vorstaatliche Freiheit als Ordnungsprinzip

Dieses Freiheitsverständnis begreift Freiheit nicht als etwas, das von Politikern oder einer Staatsbürokratie gewährt wird. Freiheit bedeutet nicht: „Erlaubt ist nur, was nicht ausdrücklich verboten oder staatlich genehmigt wurde.“

Freiheit ist vielmehr vorstaatlich. Die Aufgabe des Staates besteht darin, die Freiheit des Einzelnen mit der Freiheit des Anderen unter allgemeinen Rechtsgesetzen in Einklang zu bringen. Eine paternalistische oder obrigkeitliche Verbots- und Gebots(un)kultur ist damit unvereinbar.

Für Liberale ist Freiheit der höchste Wert – nicht nur ein individueller Anspruch, sondern zugleich ein Ordnungsprinzip. Das Recht dient dazu, die Freiheit des Einzelnen und der Gesellschaft zu schützen. Eine ausführlichere Auseinandersetzung dazu finden Sie in meinem Liberalen Manifest.

Einigkeit und Recht und Freiheit

Unsere Nationalhymne bringt dieses Freiheitsverständnis prägnant auf den Punkt:

„Einigkeit und Recht und Freiheit für das deutsche Vaterland!“

Der amerikanische Vizepräsident hätte sich kaum besser darauf beziehen können.

Für alle Kritiker sei ein Blick in Artikel 2 des Grundgesetzes empfohlen:

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

Fazit

Ein Freiheitsverständnis, das mehr ist als die bloße Ablehnung von Unfreiheit, ist heute so wichtig wie damals. Es fordert uns heraus, Freiheit mit positivem Inhalt zu füllen – und sie aktiv zu verteidigen.