Eine Warnung aus der intellektuellen Elite
Eine Warnung aus der intellektuellen Elite

Eine Warnung aus der intellektuellen Elite

Eine Warnung aus der intellektuellen Elite

Anne Applebaum ist eine renommierte amerikanisch-polnische Osteuropa-Historikerin und Kolumnistin, geboren 1964 in Washington, verheiratet mit dem früheren und aktuellen polnischen Außenminister Radoslaw Sikorski, zuhause im Westen, das, was den Westen einmal auszeichnete. Ihr Holodomor-Buch ist ein Standardwerk, ergreifend, ausgezeichnet.

Sie gehört zu den führenden westlichen Intellektuellen, ist Teil der Elite. Das gilt wegen ihrer Publikationen, nicht nur Bücher, sondern auch zahlreiche Artikel für führende Zeitungen. Und es gilt aufgrund ihrer Kontakte zu insbesondere politischen Führungskräften.

Das engagierte Buch „Die Verlockung des Autoritären“ ist eine persönliche Schilderung und ein Erfahrungsbericht. Der Kontrast zwischen der weltanschaulichen Position ihrer Freunde und Bekannten auf der Sylvester-Party 1999 im Vergleich zu nur 15 Jahren später ist gelinde gesagt krass. Eine Abkehr von Marktwirtschaft und aufgeklärtem Konservatismus zum stumpfem Nationalismus und autoritären Positionen, Propaganda inklusive. Applebaum bietet Einsichten insbesondere in die PiS-Zeit Polens, behandelt Ungarn und kommt auf Großbritannien und die USA zu sprechen.

Das Buch ist unter dem Eindruck der (frühen) Coronapolitik entstanden und erschien 2020. Im Grunde ist es ein Essay, der persönliche Erlebnisse garniert mit politischer Literatur zur Zeitgeschichte bietet. Ein Modell, eine Theorie, eine Erklärung für das populäre Autoritäre gibt es jenseits psychologischer Etiketten – man könnte von Ruhm, Rache und Reaktionismus sprechen – nicht vor. Der linke Kulturkampf kommt kaum vor. In Ralf Dahrendorfs „Krisen der Demokratie“, das 20 Jahre zuvor publiziert wurde, erfahren wir in Interviewform mehr. Roland Baader bietet mit „totgedacht. Warum Intellektuelle unsere Welt zerstören“ weitaus mehr Stoff zum Nachdenken und differenzierte Erklärungen.

Kurz, in meiner Wahrnehmung: Ein vielleicht unterhaltsames Buch, eine wichtige, wenn auch inzwischen hinlänglich bekannte Botschaft, aber wie aus einer Blase.

Anne Applebaum: Die Verlockung des Autoritären, Warum antidemokratische Herrschaft so populär geworden ist, Pantheon, 4. Aufl. München 2022, 208 S., 18,00 Euro