Zwischen Sinn und Zweifel – Eine persönliche Lektüre Viktor Frankls
Zwischen Sinn und Zweifel – Eine persönliche Lektüre Viktor Frankls

Zwischen Sinn und Zweifel – Eine persönliche Lektüre Viktor Frankls

Zwischen Sinn und Zweifel – Eine persönliche Lektüre Viktor Frankls

Dies ist ein eher persönlicher Text – eine Ausnahme auf diesem Forum, aber keine bloße Abschweifung.
Die Lektüre von Viktor Frankls Über den Sinn des Lebens hat mich in einer Phase des Innehaltens begleitet. Ich habe das Buch gelesen, wie ich vieles lese: mit Respekt, mit innerer Distanz, mit dem Wunsch, zu verstehen und zugleich nicht zu übernehmen, was mir nicht stimmig erscheint.
Was folgt, ist kein philosophischer Traktat, sondern ein stiller Dialog mit einem berühmten Werk – und vielleicht auch ein kurzer Blick in den inneren Raum, aus dem sonst eher sachliche Analysen entstehen.

Was mir Frankl zeigt und was ich anders sehe

Ich habe Über den Sinn des Lebens von Viktor E. Frankl gelesen. Es ist ein bewegendes Buch, geschrieben von einem Überlebenden des Konzentrationslagers, dessen Stimme nicht verstummt, sondern eine Botschaft in die Welt tragen will: Das Leben hat Sinn – immer. Auch und gerade im Leiden.

Der erste Teil hat mich angesprochen. Besonders Frankls Gedanke, das Leben als Aufgabe zu begreifen, hat mir etwas mitgegeben. Nicht als Pflicht, nicht als Zwang – sondern als Haltung. Das Leben fragt, und wir antworten. In manchen Momenten meines Lebens habe ich vielleicht eine solche Aufgabe empfunden: dass es eine Würde haben kann, sich einer schwierigen Situation nicht zu entziehen, sondern ihr einen Sinn zu geben. Auch wenn dieser nicht von außen kommt, sondern von innen entsteht.

Doch je weiter ich lese, desto mehr stellen sich mir Fragen. Frankls Argumentation wirkt auf mich oft zu geschlossen, zu sicher. Seine Schlüsse scheinen alternativlos: Leiden führt zu Sinn, Erfahrung macht besser, das Leben ist grundsätzlich sinnvoll. Das überzeugt mich nicht. Mir fehlt das Denken in Wahrscheinlichkeiten, das Eingeständnis von Ungewissheit – und auch das Wissen darum, dass Sinn konstruiert wird. Nicht alles hat Sinn. Aber wir können dem, was geschieht, eine Bedeutung geben – im besten Fall. Manchmal bleibt auch einfach etwas zerbrochen.

Einige Formulierungen klingen für mich fast wie zeitgenössische Lebenshilfe-Slogans: „Was dich nicht umbringt, macht dich stärker.“ Doch das stimmt nicht immer. Manches schwächt. Manches bleibt Wunde, irreparabel, nicht nur persönlich auch gesellschaftlich.

Besonders deutlich wird mein Widerspruch im dritten Teil, wenn Frankl das Konzentrationslager mit der Schlacht vergleicht: Der Soldat steht dem Nichts gegenüber, der KZ-Häftling ist selbst das Nichts, zu Lebzeiten tot. Diese Gegenüberstellung greift für mich zu kurz. Ich denke an Verdun, an Stalingrad – an die Soldaten, die in den Gräben und Trümmern lebten, dem Tod ausgeliefert, jeden Tag. Auch sie waren ihrer Würde oft beraubt, ihrer Handlungsmacht, ihrer Zukunft. Der Unterschied liegt für mich eher in der Form des Ausgeliefertseins: der eine handelt noch bis zuletzt, der andere wird seiner selbst systematisch entleert. Doch beides ist nicht vergleichbar, nur nebeneinander zu betrachten.

Was mich bei Frankl beeindruckt, ist seine Lebensbejahung. Sie scheint mir weniger das Ergebnis seiner Philosophie zu sein, als Ausdruck seines Wesens. Manche Menschen tragen diese Kraft in sich – nicht alle. Das ist keine Schwäche, sondern eine menschliche Verschiedenheit.

Ich schätze Frankl. Und ich widerspreche ihm. Beides gehört für mich zum Nachdenken dazu. Sinn ist keine Entdeckung, sondern ein Entwurf. Vielleicht ein stiller, manchmal ein brüchiger, aber immer ein persönlicher.