Die deutsche Freiheitsrevolution – in österreichisch-amerikanischer Perspektive
Die deutsche Freiheitsrevolution – in österreichisch-amerikanischer Perspektive

Die deutsche Freiheitsrevolution – in österreichisch-amerikanischer Perspektive

Vor 30 Jahren durchbrachen die Deutschen die Mauer und schlüpften schon zuvor über Ungarn durch den Eisernen Vorhang. Eine Freiheitsrevolution nahm ihren Lauf.

Die anschließende Wiedervereinigung war wie die Freiheitsrevolution kein Glück im Sinne einer glücklichen Fügung, sondern die mutige Überwindung eines Menschen verachtenden sozialistischen Regimes an dessen Spitze ein spießige Partei mit perfider Propaganda und Kontrolle der Bürger stand. Gleichwohl dürfen wir selbstverständlich aus vielerlei Gründen glücklich sein.

Entgegen des im Sprachgebrauch verfestigten Begriffs handelt es sich auch nicht um eine Wende. Der Kollaps des Sozialismus war keine normale Wende, kein einfacher Richtungswechsel, sondern ein tiefgreifender Wandel nach einer friedlichen Revolution hunderttausender Bürgern gegen ein Unrechtsregime. Wenn man den Begriff verwenden möchte, dann scheint es angebracht von einer radikalen und schicksalhaften Wende zu sprechen.

Die Implosion des Sozialismus nach Jahren des Siechtums hatten kluge Köpfe vorhergesehen. Sie gehörten nicht zum Mainstream, weder politisch, noch publizistisch und auch nicht wissenschaftlich. Der hoch betagte Nobelpreisträger Friedrich August von Hayek soll sich beim Fall der Mauer außerordentlich über die Tatkraft der Jugend gefreut haben. Er sah wie sein jahrzehntelanger Einsatz für die Freiheit und seinen Warnung vor der Knechtschaft vom Erfolg gekrönt wurden. Sein Lehrer Ludwig von Mises hatte bereits 1920 in dem Aufsatz „Die Wirtschaftsrechnung im sozialistischen Gemeinwesen“ gezeigt, dass Sozialismus mangels Koordination von auf Privateigentum beruhenden Preisen zum Siechtum verurteilt ist. Hayek hatte in seiner Nobelpreisrede vor einer „Anmaßung von Wissen“ gewarnt, die uniformen Wissenschaften und zentralistischen Gemeinwesen zu eigen ist. Damit schloss er den Bogen zu seinem wegweisenden Aufsatz von 1945 „The use of knowledge in society“, in dem er den Wert des Wissens aufzeigte, das auf viele Köpfe verteilt ist.

Mises und Hayek hätten heute wieder enorm viel zu tun, ob in der Klimapolitik und bei der Preispolitik für Mieten oder dem mächtigen Vordringen bürokratisch-sozialistischen Denkhaltungen. Das gilt auch für die Rolle des Unternehmers, den beide sowie Israel Kirzner und Murray Rothbard als Entrepreneur, Wissensstifter, Risikoträger und findigen Arbitrageur erkannten. Wie trist ist das Bild des Unternehmers heute – Begeisterung für Gründer, obwohl Start-ups sich als Unternehmen noch nicht bewährt haben, und massive Kritik an den vermeintlichen Ausbeutern, deren Aufgabe die Staatsbürokratie angeblich besser leisten könne.

Die Österreicher wussten noch was eine gute Ordnung auszeichnet, in der Wirtschaft, wo eine Einheitspartei, aber auch ein überbordender, bis ins Absurde gesteigerter Regulierungsstaat das Koordinationsproblem erschwert, und in der Politik, wo statt einer Begrenzung der Herrschaft eine uferlose Ausweitung der Zuständigkeit bis in die privatesten Bereiche der Bürger praktiziert wird. Sie standen damit in Fundamentalopposition zur DDR und können gerade heute als kluge Kritiker und anregender Denker für essentielle Reformen gelesen werden. Und es war der amerikanische Präsident Ronald Reagan, der Hayek teilweise gelesen hatte, der den russischen Präsidenten an der Mauer aufforderte, diese niederzureißen.

Die Freiheitsrevolution markiert eine Zäsur in der deutschen Geschichte. Sie ist ein epochales Ereignis. Sie steht am Ende der grausamen kollektivistischen Gesellschaftsexperimente, deren Teilung in links und rechts für Ablenkung und Verwirrung sorgt. Die gemeinsame Frontstellung von extremistischen Linken und Rechten gegen Freiheit und Recht ist die Herausforderung unserer Zeit. Der Totalitarismus des Dritten Reichs und der Autoritarismus des SED-Regimes unterschieden sich erheblich – beide bilden aber als antiliberale, antikapitalistische Unrechtsregime verschiedene Facetten eines Wegs in die Knechtschaft.

Die deutsche Geschichte ist nicht reich an Freiheitsrevolutionen. Das liegt nicht an einem überbordenden Maß an gesicherter Freiheit. 1919 scheiterte eine sozialistische Revolution nachdem der imperialistische Nationalismus in einem totalen Krieg sein Ende gefunden hatte. Allerdings gilt 1848 zurecht als große Freiheitsrevolution.

1989 war auch kein singulär deutsches Ereignis. Das Abwerfen der Ketten war nicht einmal primär eine deutsche Errungenschaft. Nach dem 17. Juni 1953 und dem Einsperren der DDR-Bürger durch den Mauerbau ab August 1961 ragen der Prager Frühling 1968 und die aus den Streiks 1980 hervorgegangene Solidarnosc-Gewerkschaft als Inbegriff von Widerstand und Freiheit hervor. Es waren die Mittel- und Osteuropäer, die den Eisernen Vorhang niederrissen, nicht zuletzt die Ungarn, die erst ein Loch hineinschnitten, um Deutschen die Ausreise zu ermöglichen, und ihn dann ganz beseitigten.

Als Treppenwitz der Geschichte kann gelten, dass mit dem Fall der Mauer eine der am besten erhaltenen Immobilien der DDR in die Hände von Kapitalisten gelangte. Die haben an ihrer Stelle in Berlin Einkaufszentren, öffentliche Plätze und Büros errichtet – und Gedenkstätten. Die Mahnung vor neuen Mauern bleibt: Errichtet keine neuen Mauern! Weder in den Köpfen noch auf der Erde, nicht politisch gegen unliebsame Konkurrenz, nicht ideologisch gegen alle, die nicht linkt, etatistisch, sozialistisch oder ökologistisch sind, nicht gegen osteuropäische Staaten und nicht gegen Unternehmer, die unsere Welt jeden Tag ein Stück weit verbessern. Ein berühmter Staatsführer urteilte kurz nach dem Bau der Mauer: Die Mauer ist die abscheulichste und stärkste Demonstration für das Versagen des kommunistischen Systems.“ Er stellte zudem treffend fest: Ein Leben in Freiheit ist nicht leicht, und die Demokratie ist nicht vollkommen. Aber wir hatten es nie nötig, eine Mauer aufzubauen, um unsere Leute bei uns zu halten und sie daran zu hindern, woanders hinzugehen.“

Es wäre schön, wenn Berlin einmal wieder als Stadt der Freiheit erkennbar wäre und ein umjubelter Redner der Menschenmenge zurufen würde: Meine Berliner und Berlinerinnen, ich bin stolz, heute in Ihre Stadt zu kommen als Gast Ihres hervorragenden Regierenden Bürgermeisters, der in allen Teilen der Welt als Symbol für den Kampf- und Widerstandsgeist West-Berlins gilt.“