Buchbesprechungen
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Ungeklärt: Wie die Eliten die Demokratie gefährden

Ungeklärt: Wie die Eliten die Demokratie gefährden Ich hatte ein aufschlussreiches Buch erwartet. Das ist nur bedingt eingelöst worden. Unterschiedliche Weltanschauungen sind ein Grund. Eine mich wenig überzeugende Analyse ist ein weiterer. Die zentrale Aussage bleibt unfundiert: „Wie die Eliten die Demokratie gefährden“. Schade, das Thema ist noch aktueller als beim Erscheinen des Buchs 2018. Der Soziologe Michael Hartmann beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit Elitenforschung. Seine Argumentation würde ich wie folgt zusammenfassen: Ungleichheit ist ein wachsendes …

Die britische Aufklärung als Inspiration für eine bessere Zukunft

Die britische Aufklärung als Inspiration für eine bessere Zukunft Die Zeit ist reif für eine zweite Aufklärung, geistig, technologisch und materiell auf jeden Fall, aber leider nicht machtpolitisch und mental. So ähnlich schrieb ich in meiner Ankündigung zu diesem Beitrag und außerdem: Die Aufklärung war ein europäisches Phänomen. Schottland spielte eine bedeutende Rolle: ein kleines Land, international offen – die Elite war viel in Amsterdam und Paris, daneben auch etwas in London präsent, mit (Frei-)Handelsbeziehungen …

Backfire. Kontraproduktive Sanktionen

Kontraproduktive Sanktionen Manche Bücher und Autoren wecken das Interesse. Dazu gehört „Backfire“ von Agathe Demaris. Das Buch ist in einem renommierten Verlag erschienen, Columbia University Press. Die Autorin kann einen vielversprechenden Lebenslauf vorweisen. Agathe Demarais ist Senior Fellow am European Council on Foreign Relations und befasst sich mit Geopolitik, globalen ökonomischen Fragen und Sanktionen. Zuvor war sie als “Global Forecasting Director” der Economist Intelligence Unit tätig, einem namhaften Forschungsbereich des Economist. Backfire beruht auf ihren …

Jedem das Seine, jedem ein passendes Leben

Jedem das Seine, jedem ein passendes Leben Remo Largo liegt in vielen Zimmern, in Buchform, als Lektüre von jungen Eltern. Jeder Mensch ist ein Unikat, mit Sophokles: „Jedes Wesen kann nur in seiner Eigenheit gut sein.“ (S. 90) So lautet eine Schlüsselstelle in „Das passende Leben“, einem wirklich bedeutenden Buch. Jeder Mensch ist individuell, unterscheidet sich von seinen Mitmenschen, besitzt spezifische Fähigkeiten und Bedürfnisse, unterschiedlich ausgeprägte geistige und körperliche Kompetenzen, hat spezifische Erfahrungen gemacht und …

Humanistische Projektarbeit – Kritik und Leitlinien herkömmlicher Führungspraktiken

Humanistische Projektarbeit – Kritik und Leitlinien herkömmlicher Führungspraktiken „Projektmanagement … ist eine betriebliches Dauerthema.“ Und Norbert Weiß schreibt im Prolog unter dem vorangestellten treffenden Zitat von Bob Dylan „It is simple, but not easy.“ weiter, dass „es in Zukunft ganz entscheidend auf die humanistische Haltung der verantwortlich Handelnden im Zusammenhang – nicht nur, aber auch – mit Projekten ankommen wird.“ (S. 11). Ipso est. Würden die Verantwortlichen, insbesondere die Führungskräfte, und die Mitarbeiter humanistisch denken …

Geoökonomie – Perspektive und Werkzeug  

Geoökonomie – Perspektive und Werkzeug   Geopolitik ist ein geläufiger Begriff. Gemeint sind damit außen- und sicherheitspolitisches Denken und Handeln, die über nachbarstaatliche Konstellationen hinausreichen und Großräume von größeren Mächten bis hin zu globalen Fragen staatlichen Einflusses umfassen. Geoökonomie ist ein weniger etablierter Begriff, der in den letzten Jahren allmählich Verbreitung findet. Das hat mit den durch die Corona-Politik unterbrochenen Lieferketten und der Abhängigkeit von ausländischen Produktionsstandorten, der zunehmend verbreiteten wirtschaftlichen Protektionismus- und Sanktionspolitik sowie …

Politische Ideengeschichte – eine Einführung

Politische Ideengeschichte – eine Einführung Eine bildende Reise durch die politische Theoriegeschichte bietet die kompakte Darstellung von Marcus Llanque, Professor für Politikwissenschaften an der Universität Augsburg. Der in der Reihe C.H.Beck Wissen erschienene Überblick besticht durch die Auswahl von Resonanz- und Gegensatzpaare politischer Denker seit der Antike beginnend mit Platon und Aristoteles über Hobbes und Locke bis Carl Schmitt und Max Horkheimer in insgesamt zehn (Doppel-)Kapiteln. Die Gegenwart wird als „Zeitalter der Menschenrechte“ reflektiert behandelt. …

Gekränkte Herrschaft 

Gekränkte Herrschaft  Die herrschende Meinung, die Meinung der Herrschenden, das ist für Stefan Blankertz ein Synonym. Als Wortmetz zeigt er das auf, indem er die zweite Formulierung konsequent in Klammern der ersten hinzufügt. Als profunder Herrschaftskritiker gelingt ihm der inhaltliche und der methodische Nachweis, indem er sich intensiv mit der irrtumsreichen und weit verbreiteten Ideologie repressiver Egalität auseinandersetzt. Der Sozialphilosoph geht noch darüber hinaus und skizziert für den aufmerksamen Leser eine Theorie der Herrschaft.  Die …

Braune Wirtschaftselite oder eher graue?

Braune Wirtschaftselite oder eher graue? Zu einem realistischen Bild der Großunternehmer im Nationalsozialismus gelangen der Soziologe Paul Windolf und der Historiker Christian Marx in ihrer makro-empirischen Datensatzanalyse aller Vorstände und Aufsichtsräte von Großunternehmen im Dritten Reich (1933-1938). Vorweg, es handelt sich um eine reflektierte, differenzierte Ausarbeitung. Der Titel erscheint gleichermaßen zugkräftig wie schief. Die untersuchte Wirtschaftselite bestand weder überwiegend aus Nationalsozialisten, bis zur Machtübertragung verhielten sie sich distanziert, dann arrangierten sie sich mit dem totalitären …

Eine Kausalrevolution

Eine Kausalrevolution In den letzten etwa vier Jahrzehnten hat sich eine Kausalrevolution ereignet. Eine wesentliche Rolle spielt die Mathematik. KI ermöglicht beträchtliche Fortschritte. Der Schlüssel liegt jedoch im weiterentwickelten Denken: „Mind over Data!“ Das gilt zumindest für Judea Pearl (*1936), einer der Gründerväter der KI, Informatiker, ausgezeichnet mit dem Turing Award, eine Art Informatik-Nobelpreis. Why? Das ist die Mutter aller Fragen – von der Kindheit an. Die Frage zielt auf den Zusammenhang von Ursache und …

Amerikanische Außen- und Sicherheitspolitik auf dem politikökonomischen Prüfstand

Amerikanische Außen- und Sicherheitspolitik auf dem politikökonomischen Prüfstand Was ist der Staat? Eine Antwort hängt von der Perspektive und den gewählten Kriterien ab. Das Gewaltmonopol ist ein Wesensmerkmal. Streitkräfte dienen der Sicherheit, sie sollen vor äußeren Feinden schützen. Was ist Sicherheit und wie lässt sich Sicherheit erreichen? Fundamentale Fragen der Kategorie „unlösbar“.[1] Die USA gelten als Hegemon einer liberalen Weltordnung, einer Pax Americana. Seit mehr als 100 Jahren greifen amerikanische Streitkräfte in der Welt ein …

Wolfszeit in Deutschland

Wolfszeit in Deutschland Nachkriegsgeschichte wie ein Film, gleich zwei Mal Eine Notiz zu den kultur- und gesellschaftsgeschichtlichen Panoramen von Harald Jähner Höhenrausch und Wolfszeit, so lauten die Titel der beiden Nachkriegserzählungen von Harald Jähner, früherer Feuilletonchef der Berliner Zeitung und Honorarprofessor für Kulturjournalismus. Höhenrausch, hier auf FFG von mir besprochen, liest sich wie der Titel verspricht. Eine Art Tanz am Rande des Vulkans, zum Ende des ErstenWeltkriegs, dann im Aufstieg mit Hyperinflation und modernem Aufbruch, …

Alternative Staatsformen

Alternative Staatsformen Der deutsche Nationalstaat war weder alternativlos noch die beste Lösung für die Menschen in Deutschland und Europa. Die Geschichte bietet spannende Einblicke in die jahrhundertelange, wechselhafte Staatsgeschichte und die Organisationsformen zum Austarieren und Konzentrieren von politischer Macht. Dieter Langewiesche, namhafter Professor Emeritus für Mittlere und Neue Geschichte, geht der vorherrschenden Ansicht auf den Grund, die Entwicklung habe zum Nationalstaat, zur Vollendung durch die Reichsgründung gedrängt: „Der Nationalstaat war ein Geschichtsbruch.“ (S. 2) Es …

Vom Wesen des Anarchismus: Autonomie

Vom Wesen des Anarchismus: Autonomie Anarchismus ist ein gebrauchter Begriff und ein mitunter missbrauchter, darin dem Neoliberalismus ähnlich. Stefan Blankertz verhilft dem klassischen Anarchismus zu neuem Ansehen, ohne ein einseitiges Liebeslied zu singen. Seine Ideen- und Sozialgeschichte porträtiert maßgebliche europäische und amerikanische Denker des Anarchismus, beginnend mit dem „Vater des Anarchismus“ Proudhon bis zur Bedeutungslosigkeit im spanischen Bürgerkrieg und den fehlgeleiteten, Gewalt affinen Strömungen der 1960er und 70er Jahre. Fortgeführt mit der Quäkerin Anne Hutchinson …