Ein internationaler Ansatz zur Bewältigung der Flüchtlingsproblematik.
Gastbeitrag von Gérard Bökenkamp
Politisch Verfolgte müssen geschützt werden. Das ist ein Gebot der Humanität und der Moral und Aufgabe der gesamten internationalen Gemeinschaft. Kein Staat allein kann diese Probleme lösen. Deshalb sollten Regelungen auch auf internationaler Ebene abgestimmt werden. Da in der EU durch den Binnenmarkt und das Schengen-Abkommen ein gemeinsamer Raum für die Freizügigkeit von Menschen, Gütern und Dienstleistungen geworden ist, ist dies eine Aufgabe der EU. Die folgenden Überlegungen beruhen auf den Annahmen, dass Anreize für die Unterbringung von Flüchtlingen besser sind als staatlicher Zwang, dass eine europäische und internationale Lösung in diesem Feld den einzelnen nationalen Verfahren überlegen ist und dass es darum geht, mit begrenzten Ressourcen möglichst vielen Menschen zu helfen.
Der Vorschlag zur Lösung der Asyl- und Flüchtlingsproblematik lautet wie folgt: Bei der EU wird ein internationaler Flüchtlingsfonds angesiedelt, in den alle EU-Mitgliedstaaten entsprechend ihrer Wirtschaftskraft einzahlen. Dieser kann und sollte auch durch weitere Staaten erweitert werden. Dieser Fonds führt die Verfahren durch, betreut die Flüchtlinge, sucht für sie geeignete Aufenthaltsorte und Unterbringungsmöglichkeiten und schließt Verträge mit Staaten und Gebietskörperschaften. Ein nationales Asylverfahren gibt es nicht mehr, es fallen auch keine Kosten auf nationaler Ebene mehr an. Alle Kosten werden von dem europäischen Flüchtlingsfonds getragen.
Der Asylantrag kann bei den regionalen Vertragsstaaten oder bei EU-Botschaften gestellt werden, wodurch die Notwendigkeit, den lebensgefährlichen Weg über das Mittelmeer anzutreten, entfällt. Sobald ein Flüchtling seinen Wunsch nach Asyl artikuliert, wird der europäische Flüchtlingsfonds informiert. Dieser schließt mit dem Asylbewerber einen Vertrag, in dem die Rechte und Pflichten definiert und die einzelnen Schritte von der Einleitung des Verfahrens bis zum Abschluss des Verfahrens und Anfang und Ende des Asylanspruchs festgelegt werden.
Der europäische Flüchtlingsfonds verpflichtet sich in diesem Vertrag, den Antragsteller für die Dauer des Verfahrens und anschließend für die Zeit der Bedrohung für Leib und Leben an einem sicheren Ort unterzubringen und Schutz zu garantieren. Dieser verpflichtet sich, sich an die Regeln des Verfahrens zu halten und konstruktiv an der Durchführung des Prüfungsverfahrens und der Umsetzung der Regelungen mit zu wirken. Dazu gehört, die notwendigen Auskünfte nach bestem Wissen und Gewissen zu erteilen und sich an die Auflagen und Regeln der Verfahrens zu halten und die Verpflichtung, in das Heimatland zurück zu kehren, sobald der Betroffene dort keiner Verfolgung mehr ausgesetzt ist.
Der EU-Flüchtlingsfonds erhält die Kompetenz weltweit Verträge mit Staaten, Gebietskörperschaften und privaten Organisationen zur Unterbringung von Flüchtlingen und Asylbewerbern zu schließen. Der Fonds bringt die Asylbewerber in den Staaten, Gebietskörperschaften unter, mit denen entsprechende Verträge bestehen und wo freie Kapazitäten vorhanden sind. Die Aufnahme und Unterbringung von Asylbewerbern durch Gemeinden und Gebietskörperschaften, Institutionen und Privatpersonen erfolgt freiwillig. Sie erhalten dafür Zahlungen aus dem Fonds, die die Kosten der Unterbringung und auch die Kosten für die Integration und Nutzung der nationalen und lokalen Infrastruktur mit abdecken. Auf diese Weise werden nicht nur die direkten Kosten, sondern auch die sozialen und politischen Kosten eingepreist.
Durch die finanziellen Anreize und die Suche nach Vertragspartnern entsteht ein „Markt“ für die Aufnahme von Flüchtlingen und damit ein finanzieller Anreiz Flüchtlinge aufzunehmen. Der europäische Flüchtlingsfonds kann außerdem Kooperationen mit privaten Unternehmen, gemeinnützigen Vereinen, Kirchen, und Privatpersonen eingehen, die für die Unterbringung der Asylsuchenden sorgen. Da die Aufnahme von Asylbewerbern freiwillig erfolgt und alle Kosten gedeckt werden und die Gebietskörperschaften davon finanziell sogar profitieren können, wird politischer Radikalisierung und Ressentiments entgegen gewirkt.
Insgesamt würde das Asylrecht damit auf eine rationalere und humanere Grundlage gestellt. Politisch Verfolgte müssen nicht ihr Leben in Gefahr bringen, um nach Europa zu kommen, sondern haben Anlaufpunkte in ihrer Region. Der Anreiz aus wirtschaftlichen Gründen das Asylrecht in Anspruch zu nehmen entfällt, da das Asylverfahren nicht mehr von einem bestimmten Land durchgeführt wird. Rassismus und Ressentiments werden keine Nahrung mehr finden, da die Gebietskörperschaften selbst freiwillig entscheiden, wie viele Asylbewerber sie aufnehmen und für soziale und politische Kosten im vollen Umfang kompensiert werden.
Quelle: Open Europe Berlin