Der amerikanische Wohlfahrtsstaat
Der amerikanische Wohlfahrtsstaat

Der amerikanische Wohlfahrtsstaat

Der amerikanische Wohlfahrtsstaat

Es gibt Menschen, die glauben, ein Unterschied zwischen den USA und Deutschland sei der Wohlfahrtsstaat, der in den USA fehle.
Diese Ansicht war bereits in den 1960er Jahren unzutreffend. Ausmaß und Umfang der Sozialsysteme unterschieden sich.

Henry Hazlitt schrieb über ungezählte Wohlfahrtsprogramme bereit Anfang der 1970er Jahre und damit über den amerikanischen Wohlfahrtsstaat, der bereits in den 1960er Jahren weit ausgebaut war. Nachfolgend ein Ausschnitt aus seinem Buch: The Conquest of Poverty, Erstauflage 1973, S. 97:

Es scheint nirgendwo eine vollständige Zählung der derzeitigen vollständigen Zahl von Wohlfahrtsprogrammen zu existieren. Die 171 Milliarden Dollar Ausgaben für Sozialhilfe im Fiskaljahr 1971 sind offiziell grob geteilt in 66 Milliarden Dollar für «Sozialversicherungsleistungen», 22 Milliarden Dollar für «öffentliche Hilfen», 11 Milliarden Dollar für «Gesundheits- und Medizinprogramme», 10 Milliarden für «Veteranenprogramme», 56 Milliarden Dollar für «Bildung», nahezu 1 Milliarde Dollar für «Wohnungsbau» und 5 Milliarden Dollar für «andere Sozialleistungen». Allerdings bestehen diese Teilsummen wiederum aus 47 verschiedenen Gruppen von Programmen, und viele von diesen setzen sich wiederum aus vielen verschiedenen Programmen zusammen.

Der verblüffte Steuerzahler liest von solchen Dingen wie Essensmarken, Bewerbungstraining, öffentlichem Wohnungsbau, Mietzuschüssen, «Modelstädten», Gemeinschaftsaktionsprogrammen, Rechtshilfen für die Armen, Nachbarschaftsgesundheitszentren, FAP, Büro für Wirtschaftliche Chancen (Office of Economic Opportunity – OEO), Gesundheitsprogramm für Bedürftige (Medicaid), Altersunterstützung (Old Age Assistance – OAA), Hilfe für die Blinden (Aid to the Blind – AB), Hilfe für die dauerhaft und vollständig Behinderten (Aid to the Permanently and Totally Disabled – APTD), Hilfe für Familien mit unselbstständigen Kindern (Aid to Families with Dependent Children – AFDC), Allgemeine Unterstützung (General Assistance – GA), Gemeinschaftsunterstützungsprogramm (Community Action Program – CAP), das Job-Korps, Arbeitskräfte-Trainingsprogramme, Vorsprung (Head Start), VISTA und so weiter und so fort. Er hat keine Vorstellung, ob eins im anderen inbegriffen ist, ob sie ihre Funktionen duplizieren, welches, wenn überhaupt eines, eingestellt wurde oder welches gerade erst begonnen wird. Alles, was er weiß, ist, dass es jeden Monat ein neues zu geben scheint.

Die Konfusion des kaum organisierten Wucherns staatlicher Wohlfahrtsbehörden ist auffällig und wurde 40 Jahre später thematisiert. Der weitere Ausbau des US-Wohlfahrtsstaates lässt sich wie seine Entstehung in einer Monographie nachvollziehen mit: William Voegeli, Der amerikanische Wohlfahrtsstaat, herausgegeben und übersetzt von Hardy Bouillon, Berlin: Duncker und Humblot 2023 (englische Originalausgabe 2011). Eine Zusammenfassung bietet als Denkanstoß das Liberale Institut hier. Dazu gehören offizielle Wohlfahrtsausgaben. Hary Bouillon konstatiert:

So lagen z.B. 2003 die Pro-Kopf-Sozialabgaben in den USA mit 6.481 USD zwar deutlich unter denen von Deutschland (8.168 USD), aber nur knapp unter denen von Italien (6.717 USD) und sogar über denen des Vereinigten Königreichs (6.255 USD). Die Mär, Amerika kenne keinen Wohlfahrtsstaat, ist mit solchen Zahlen keineswegs zu halten.

Derzeit wird u.a. in Deutschland deutlich, dass der Wohlfahrtsstaat von Voraussetzungen lebt, die er nicht schafft, sondern auszehrt. Verteilungskonflikte stehen auf der Agenda, auf der, der Regierung und tagein tagaus in weniger weithin sichtbarer Form in der Gesellschaft, allerdings sehr sichtbar für die betroffenen Bürger und Wähler. Das Tragische: Wohlfahrtsstaat klingt so positiv. Wer wollte keine Wohlfahrt? Wer sieht im Staat nicht die neutrale Adresse für eine gerechte Verteilung? Nur wenige. Vermutlich werden es mehr. Der Wohlfahrtsstaat ist nämlich ein Koordinationssystem, das an anderer Stelle, außerhalb des Staates geschaffene Wohlfahrt umverteilt und Anreize schafft, die früher oder später Wohlfahrt schaffen unattraktiv macht. Wohlfahrt schaffen und Bedürftigen helfen funktioniert auch anders. Diese Alternativen werden zunehmende Bedeutung erlangen.