Die „radikale“ attische Demokratie
Gleichheit und Freiheit für alle Bürger. Diese beiden Ideale bilden die Grundlage der „radikalen“ Demokratie Athens im perikleischen Zeitalter 443-429 v. Chr.
Was machte die attische Demokratie aus und welche Unterschiede bestehen zur Demokratie heute?
Nach Aristoteles bildete Freiheit die Grundlage der demokratischen Staatsform. Konkret bedeutet das im politischen Sinne, dass jeder im Wechsel regierte und regiert wurde, also ein Amt für ein Jahr inne hatte und im Jahr darauf dasselbe Amt nicht wieder bekleiden durfte. Insofern gab es keine Herrschaft, sondern eine Identität zwischen Herrschenden und Beherrschten. Die individuelle Freiheit, d.h. so zu leben, wie man wollte, unterschied die Freien von den Sklaven. Frei und politisch wie rechtlich gleich waren nur die Bürger, nicht Frauen, Sklaven und Metöken als ansässige Fremde.
Herrschaft wurde durch Regieren ersetzt, dabei war die Meinung der Mehrheit maßgebend. Der Staat hieß „die Athener“ und machte die Identität der Bürger mit dem Staat deutlich. Der Begriff für diese politische Ordnung lautete Isonomia – Gleichberechtigung – Demokratie ist eine spätere Bezeichnung. Der niedere Demos, die Masse des Volkes, bestimmte maßgeblich das Gemeinwesen. Die Theten, Angehörige der untersten Vermögensklasse, bildeten die Mehrheit in der Volksversammlung, dem Souverän, zu dem alle Bürger Zutritt hatten. Parteien im heutigen Sinne waren nicht bekannt, die Machtverteilung war folglich atomisiert. Die Bürger entschieden über alle wichtigen Angelegenheiten.
Der Rat der 500 (Bule) diente als geschäftsführender Ausschuss der Volksversammlung wie eine Regierung mit jährlich neu bestimmten und durch Los ausgewählten Mitgliedern. Außerdem gab es verschiedene Ämter für Verwaltungsfunktionen, nicht für Entscheidungen, darunter Finanzwesen, Bau, Bau, Gerichte, Kulte.
Die Athener waren bestrebt, möglichst wenig Entscheidungsmacht in der Hand einer Person zu belassen und stattdessen die gesamte Regierungsgewalt direkt vom Volk ausüben zu lassen. Daher gab es keine Gewaltenteilung, sondern eine strikte Trennung zwischen entscheidungsbefugten und initiativbefugten Institutionen.
Ein Vergleich mit heutigen Demokratien zeigt zunächst Unterschiede. Dazu gehören
- die räumliche Begrenztheit des Gemeindestaates,
- ein exklusiver Bürgerstatus,
- ein fehlendes Repräsentationssystem auch mangels argwöhnisch betrachteter Parteien,
- das Volk als Souverän, das jederzeit die Regierungsgewalt ausübte
- Losverfahren gegen Seilschaften und
- die Gemeinschaft der Bürger als Staat.
Zu den Gemeinsamkeiten – bei allen historischen Besonderheiten – gehören die Wertschätzung von Freiheit und Gleichheit, bürgerliche Grundrechte, ein Wechsel von Regierenden und Regierten.
Die Bürger Athens waren ununterbrochen Bürger und nicht nur im Wahlzyklus alle vier Jahre.
Ein Grundfehler der „radikalen“ Demokratie war ein mangelnder Schutz gegen Berufsredner (Demagogen), die die Beschlüsse der Volksversammlung beeinflussten, ohne für die Folgen verantwortlich zu sein.