Auswertung des Experiments: Das Klima gehorcht nicht
Auswertung des Experiments: Das Klima gehorcht nicht

Auswertung des Experiments: Das Klima gehorcht nicht

Auswertung des Experiments: Das Klima gehorcht nicht

Zunächst möchte ich allen Teilnehmern auf LinkedIn danken, deren Beiträge zu meinem Text „Das Klima gehorcht nicht“ ich aufgrund der bemerkenswerten Resonanz ausgewertet habe. Streng genommen handelt es sich nicht um ein Experiment, eher um eine ex post Beobachtung und Bewertung eines Ereignisses.

 

Die Reaktionen

Bis zum 06.04.2023 19.20 Uhr waren zu verzeichnen: 14.730 Impressionen, 130 Bewertungen, 154 Kommentare. Von den 130 Bewertungen waren 88 Daumen hoch, 9 Beifall und 7 inspiriert, was sich als 80% Zustimmung werten lässt, und 26-mal amüsiert. Unbekannt ist wie viele Menschen den Text auf FFG gelesen haben, aufgerufen wurde die Textseite über 300-mal, und wie viele Leser sich nicht geäußert haben.

Die 158 Kommentare habe ich in vier Kategorien eingeteilt (% in Klammern): eigene Bemerkungen (<10%), Substanz-Beiträge (10%), persönliche Abwertung (30%), Unterhaltung (>50%). Insgesamt würde ich rund 80% negative Kommentare (auch über andere Kommentatoren), rund 10% zustimmende Kommentare und den Rest eigene Bemerkungen festhalten.

Von den ad hominem Bemerkungen sind besonders prägnant:

  • „Ein von und zu Querdenker und Provinzfakenewsproduzent ohne Fachkompezenz“
  • „unglaublich hirnlos“.

außerdem

  • „größten Bockmist“
  • „darüber braucht man nicht zu diskutieren“
  • „Endlich habe ich das Zentrum der “Alu-Hüte” gefunden.“
    „So viel geistig Verwirrtes auf einem Haufen habe ich noch nie gesehen.“
  • „Selten dämlicher Post.“
  • „Ihr Post ist geradezu ungeheuerlich sinn- und verstandlos“
  • „Wer sich verblöden lassen will soll hier ruhig weiterlesen.“
  • „subjektiven Müll verbreitet, besser die Klappe halten“
  • „Wieder einer jener Deppen, die Wetter und Klima nicht auseinanderhalten können.“

Vor diesem Hintergrund ziehe ich den Schluss, dass Zustimmung hier überwiegend über die Reaktionen geäußert wurde (am Rande: es fehlt offensichtlich ein Daumen runter Symbol), während Ablehnung vor allem geäußert wird durch Kommentare und dann in einfachen Bemerkungen, vielfach gegen die Person gerichtet.

 

Der Text

Der Text „Das Klima gehorcht nicht“ ist eine Glosse, ein pointierter, punktuell latent polemischer Meinungsbeitrag und enthält inhaltlich vor allem drei Aussagen:

  1. Der zurückliegende Winter war in Fürstenberg/ Weser auffällig nass und im Südwesten Berlins bemerkenswert kalt.
  2. Der Mensch wird einseitig als Umweltzerstörer dargestellt, allerdings nicht, wenn Windkraftwerke errichtet werden; positive, langfristig wirkende Umwelteingriffe wie Wiederaufforstungen dürfen mehr Beachtung finden.
  3. Anpassungen an Klimawandel sind die bessere Strategie als eine CO2-Senkungspolitik, die Ressourcen reduziert.

Die Überschrift arbeitet mit dem Stilmittel der Personalisierung eines statistischen Wertes, hier Klima, und ist bewusstetwas provokativ formuliert. Anlass sind zahllose Medienberichte über Wetterereignisse, die als Folge eines fundamentalen respektive gefährlichen Klimawandels dargestellt werden. Hinzu kommen konkrete lokale bzw. regionale Prognosen, Austrocknen der Weser und schnee-/ eisfreie Winter. Auf gegenteilige Ereignisse weist der Text hin.

Der Text ist Teil einer noch kleinen Reihe von Glossen zu solchen subjektiven Wetterereignissen.

 

Bewertung und Einordnung

Das ist mein erster Klima-Text, der erhebliche Aufmerksamkeit gewonnen hat, aber nicht der erste Text über Klima wie z.B. einige im Text enthaltene Links andeuten. Über die Trockenheit wurde bereits ein wenig diskutiert, u.a. mit dem Hinweis auf eine frühere Trockenphase, der vor rund 150 Jahren im Harz zusammen mit extremem Borkenkäferbefall zehntausende Hektar Nadelwald zum Opfer fielen. Die Zustimmung nehme ich gerne an. Dissens und Konflikt sehe ich per se nicht als Ausnahme, sondern wie das Missverstehen als Normalfall.Interessant finde ich, dass der überwiegende Teil der Kommentare sich als Unterhaltung einordnen lässt –Stammtischatmosphäre, vermutlich ein Bedürfnis sich zu äußern und dabei zu positionieren. Man kann den Eindruck gewinnen, es geht dabei um zwei Lager: richtig und falsch, zuweilen auch gut und böse. Offen ist, ob ein Bedürfnisnach Zugehörigkeit, Abgrenzung und einem Ende von Mehrdeutigkeit besteht, die allenfalls als Ausnahmebeobachtbar ist.

Am häufigsten wurde auf den Unterschied zwischen Wetter und Kima hingewiesen. Dass das dem Autor bekannt ist, wäre rasch erkennbar gewesen: durch das Erkennen der Textart, und sei es durch die Schlagwörter, durch einen Klick auf einen anderen Text vom selben Autor oder durch eine kurze Recherche. Zusammen mit den ad hominem Kommentaren auch gegen andere Diskutanten erscheint mir das bemerkenswert, auch für ein Berufsportal wie LinkedIn. Mehr substanzielle Bemerkungen würde ich bei einer Glosse nicht erwarten. Wie ein Feedback vor allem etwas über den Feedback Geber aussagt, sagen die Kommentare vor allem etwas über die Kommentatoren aus.

Aufgefallen sind mir zudem einige katastrophisch und malthusianisch anmutende Einschätzungen. Ich verbinde das bei besonders überzeugtem Bekunden mit dem Konzept der „Politischen Religion“ als Hypothese.

Insgesamt würde ich die Reaktionen für typisch halten, typisch für soziale Medien, typisch für primär emotionale Reaktionen, als Ausdruck von System 1 Denken (Kahneman) – schnell, intuitiv und assoziativ und damit durch Biases geprägt. Von denen gibt es rund 200, hier u.a. Attributionsfehler, Backfire-Effekt, Bestätigungsfehler und emotionale Beweisführung beobachtbar. Vielleicht konsumieren wir zu viele Informationen und denken zu wenig. Wir alle leiden darunter, dass wir regelmäßig vor allem das sehen, was wir schon wissen. Insofern stimmt es munter, dass sich genau dagegen der Text wendet und man genau das gegen den Text wenden könnte.

Was tun? Klima-Debatten führen, auch hier. Angesichts festgefahrener Lager ist das nicht einfach. Diese dürften indes heterogener ausfallen, wenn man zwei Achsen zur Einordnung nutzt (Klimawandel: Bewertung des Ausmaßes und der Auswirkungen jeweils von gering bis massiv). Wäre das Debattieren-Lernen hilfreich? Das kann jeder am besten für sich selbst entscheiden. In diesem Sinne: bis demnächst.

Weser bei Höxter, April 2023
Weser bei Höxter, April 2023