Konsequente Liberale gelten als schwierig. Sie haben stets etwas auszusetzen und sie kritisieren die herrschenden Zustände, darunter manches Bequeme und als Bewährt geltende.
Konsequente Liberale mögen den Wettbewerb, befürworten das Entdeckungsverfahren, setzen sich ein für Neues – streben nach etwas Besserem. Vielleicht sind sie Gesellschaftsunternehmer.
Ihre Kritik am Sozialstaat stößt auf Ablehnung von vielen Seiten. Inzwischen gehören auch Sozialstaatsliberale dazu. Die Verteidigung gesellschaftlicher Aktivitäten des Staates geht vielfach mit einer Umdeutung respektive Ergänzung der klassischen Vorstellung von Freiheit einher: Die von ihnen befürwortete progressive, positive Freiheit bedarf eines aktiven Staates.
Konsequente Liberale üben Kritik auf zwei unterschiedlichen Ebene: Theorie und Praxis. Trotz existierender Verbindungen lohnt sich ein trennscharfes Auseinanderhalten. Der Erkenntnisgewinn dürfte höher, die Argumentation treffender sein. Die theoretische Kritik des Sozialstaats beinhaltet sowohl eine Kritik des Staates als auch der sozialstaatlichen Aktivitäten. Dabei werden beide Seiten betrachtet: die Staatsbürokratie und die Politik einerseits sowie die Profiteure andererseits. Die Kritik der sozialstaatlichen Aktivitäten berücksichtigt die negativen Effekte für die Abhängigen und die Verdrängung privater Alternativen. Eine Schlüsselrolle kommt dem Verständnis der Eigengesetzlichkeit der Bürokratie zu. Bürokratie steht als Organisation in ihrer Funktionsweise im Gegensatz zur Gesellschaft als spontane Ordnung. Konsequente Liberale haben stets den institutionellen Rahmen im Blick.
Um die ausgetretenen Pfade zu verlassen und die mehr oder weniger interessanten, aber durchweg bekannten moralischen, politischen und zuweilen ökonomischen Argumente ruhen zu lassen, scheint sich die zweite Ebene für zukünftige Betrachtungen anzubieten: die Praxis. Eine Kritik der sozialstaatlichen Praxis existiert bereits. Die Defizite von Sozialstaaten, ob in den USA oder in Deutschland, sind mannigfach dokumentiert. Zudem gibt es verstreute Hinweise auf Alternativen in Vergangenheit und Gegenwart, die stärker ausgearbeitet werden dürfen – gerade im Kontext der herrschenden sozialstaatlichen Verhältnisse. Von Genossenschaften und Volksbanken im aktuellen Raiffeisenjahr über Kirchen und Sozial-Verbände bis zu unternehmerischen Sozialaktivitäten, ob von Konzernen oder Ich-AGs, dürfte das Spektrum reichen.
Die handlungsleitende Frage lautet: Wie kann der Sozialstaat sozial werden? In konsequent liberaler Perspektive dürfte eine Regulierung ohne Sozialstaatsaktivität ein Ansatzpunkt sein, also eine Krankenversicherungspflicht, die vollständig von echten privaten Versicherungen geleistet wird. Eine Herausforderung besteht für die Fälle, in denen keine privat organisierte Hilfe greift. Schlüssige Praxisvorschläge für private Unfall- und Krankenversorgung sowie eine Sozialhilfe, die jedermann erreicht, werden die Sozialstaatsliberalen ins liberale Lager zurückführen.