Ökonomische Dogmen: 6 verbreitete Irrtümer und Richtigstellungen
Ökonomische Dogmen: 6 verbreitete Irrtümer und Richtigstellungen

Ökonomische Dogmen: 6 verbreitete Irrtümer und Richtigstellungen

Ökonomische Dogmen: 6 verbreitete Irrtümer und Richtigstellungen

Der Wirtschaftshistoriker und langjährige Herausgeber des Independent Review erläuterte dort gleichermaßen knapp und prägnant 6 grundlegende Irrtümer des noch heute öffentlich dominierenden vulgär-keynesianischen Mainstreams:

    1. Aggregate statt komplexe Realität 

Das Denken in wenigen, künstlichen Aggregaten wie gesamte Produktion, gesamter Konsum, gesamte Investitionen und gesamte Exporte verstellt den Blick auf die Realität der komplexen Beziehungen und Unterschiede innerhalb eines jeden Aggregats. Es gibt keine Wirtschaft, die eine einheitliche Masse produziert, sondern eine unüberschaubare Fülle unterschiedlicher Güter und Dienstleistungen. Entscheidend sind die außerordentlich komplexen Mikro-Beziehungen und damit menschliches Handeln, nicht eine mechanische Konstruktion, die es in der Realität so nicht gibt.

2. Preisniveau statt relative Preise

Vulgär-Keynesianer betrachten nur einen Preis, das sogenannte Preisniveau. Entscheidend sind aber die relativen Preise und ihre Änderungen. Wenn die aggregierte Nachfrage oder das aggregierte Angebot gestiegen ist, bleibt völlig außer Acht warum und wie das geschehen ist – genauso wie die Frage, ob etwa zu viele Häuser und Wohnungen gebaut wurden. Infolgedessen bleibt Arbeit einfach das Aggregat Arbeit und Kapital wird als gegebene fixe Größe angesehen.

3. Manipulierter statt frei gebildeter Zinssatz

Für Vulgär-Keynesianer ist der Zinssatz lediglich ein Preis für Geld, also eine Art Leihgebühr. Leihen ist gut, mehr leihen ist besser, weil so mehr Arbeitsplätze entstehen. Deshalb sind möglichst niedrige Zinsen erstrebenswert. Tatsächlich sind Zinsen ein relativer Preis, nämlich der Preis eines Gutes, das jetzt verfügbar ist im Verhältnis zu seiner Verfügbarkeit in der Zukunft. Der Zinssatz beeinflusst entscheidend, ob aktuell konsumiert oder gespart wird. In einer freien Marktwirtschaft signalisieren sinkende Zinsen das Interesse der Marktteilnehmer, Konsum von der Gegenwart in die Zukunft zu verschieben (ihre Zeitpräferenz spielt dabei eine maßgebliche Rolle). Deshalb geht von künstlich gesenkten Zinsen durch die Zentralbank ein falsches Signal aus und infolgedessen kann es zu vermeintlich irrationalen Handlungen kommen („animal spirits“).

4. Kapital als Black box statt Geflecht mit gebundenem Wissen

Vulgär-Keynesianer sehen Kapital als gegeben an. Kapital ist einfach verfügbar und seine fein gegliederte Struktur und Spezialisierung etwa auf Branchen sowie die unzählbaren Verflechtungen und Kapitalgüter, die aus Spar- und Investitionsentscheidungen der Vergangenheit hervorgegangen sind, beleiben unbekannt. Kapital ist für sie Kapital, ob in neuen Telefonen und hydroelektrischen Dämmen investiert. Daher bleibt Ihnen auch die Österreichische Konjunkturtheorie unverständlich, die Fehlinvestitionen durch künstliche reduzierte Zinsen in den Mittelpunkt stellt, die wiederum Unternehmen (und Haushalte) zu Investitionen in langlebige Kapitalgüter verleitet, darunter Immobilien, obwohl die Marktteilnehmer das nicht wünschen. Boom und Bust ist die Folge. Nur eine Neustrukturierung des Kapitals mit vorübergehender Arbeitslosigkeit kann eine Rückkehr zu einer profitablen Wirtschaftsstruktur ermöglichen. Subventionen und billiges Geld erhalten lediglich unrentable Strukturen auf Kosten des Steuerzahlers.

5. Konsum statt Produktivitätsfortschritt

Vulgär-Keynesianer übersehen Fehlinvestitionen und befürworten Staatsausgaben auch über die verfügbaren Staatseinnahmen hinaus durch Verschuldung. Sie plädieren für billiges Geld, das Staatsausgaben preiswerter macht und Marktteilnehmer zu Krediten und Konsum anregt. Konsum soll immer gut sein. Robert Higgs erinnert das an eine Zeile in einem Country Song: „older whiskey, faster horses, younger women, more money.“ Inflation gilt zugleich als unproblematisch, Deflation ist hingegen ein Schreckgespenst. Produktivitätsfortschritte lassen sich indes nicht durch Shoppen erreichen.

6. Regime Uncertainty: Politische Unsicherheit statt konstante Politik

Vulgär-Keynesianer empfehlen genauso wie politische Aktivisten stets etwas zu tun. Wenn das nicht funktioniert, soll die Regierung etwas anderes tun. Die Folge ist eine „Verschlimmbesserung“ der wirtschaftlichen Lage und zusätzlich das Schüren von Unsicherheit über die Ordnung der Wirtschaft – das gilt insbesondere für die Behandlung von Eigentum und den Verfügungsrechten. Auf die Eurokrise übertragen wäre das die Unsicherheit über Steuererhöhungen, Regulierung – auch rückwirkend, Sonderabgaben oder Zwangsanleihen etc. für Bailouts, staatliche Investitionsspritzen, Notkredite und Maßnahmen zur Konjunkturankurbelung. Die Folge ist ein Rückgang der privaten Investitionsneigung, eine Störung des Wirtschaftsablaufs und die Verlängerung einer Rezession zu einer Depression. Schon Walter Eucken plädierte für eine Konstanz der Wirtschaftspolitik als konstituierendes Prinzip.

Nachtrag: Wer weiterlesen möchte: Die Funktionsweise und Störung der Marktwirtschaft habe ich in die Pervertierung der Marktwirtschaft und in diesem Beitrag auf Wirtschaftliche Freiheit zur Störung des Preissystems erläutert.

Quelle: Erstmals erschienen in einer früheren Fassung auf dem damaligen Blog Forum Ordnungspolitik im August 2013. Der Text bezieht sich auf die Ausgabe “Winter 2010” des Independent Review Artikels “Recession and Recovery. Six Fundamental Errors of the Current Orthodoxy”.