Zerrüttet
Zerrüttet

Zerrüttet

Es lohnt sich, das Original zu lesen. Das Thunberg-Ernman-Panoptikum spricht für sich:

„Unser Leben ist Chaos, und jegliche Logik scheint unendlich weit entfernt.“

„Greta erzählt uns, dass Sie auf dem Schulhof verprügelt oder in einen Hinterhalt gelockt wurde. Sie erzählt von systematischer Ausgrenzung und von ihrem Zufluchtsort, der Mädchentoilette, wo sie sich manchmal versteckte und weite, bis die Pausenaufsicht sie zwang, nach draußen auf den Schulhof zu gehen.“

„Ich will keine Freunde. Freunde sind Kinder, und alle Kinder sind gemein.“

„Also setzen wir eine Grenze, wir sprechen ein Machtwort. Das ist natürlich nicht das erste Mal, aber heute haben wir nicht vor nachzugeben.“

„Es wird kein guter Sommer. Keines der Kinder kann verreisen. Beata hat es versucht, aber jetzt will sie nicht mehr. Wir locken sie mit all den Aktivitäten, die man in der Stadt unternehmen kann. Doch jeder unserer Vorschläge wird mit einem ‚Halt die Klappe, du blöder Idiot‘ quittiert“.

„Ich kündige mein Engagement am Stockholmer Stadttheater und nehme Antidepressiva und Beruhigungsmittel und warte darauf, dass die Sommerferien und die Badezimmerrenovierungen ein Ende haben. Wir schreien. Wir treten Löcher in die Türen. Wir kratzen uns. Wir schlagen Wände ein. Wir tragen Ringkämpfe aus. Wir weinen. Wir bitten um Hilfe, und wir halten aus.“

„Jeden Dienstag sitze ich zwei Stunden vor diesem Raum. Ich darf mich nicht vom Fleck rühren, denn dann wird Beata nervös. Sie muss mich die ganze Zeit durch den Türspalt sehen können.“

„Die Psychologin kommt zurück. Ich leide wahrscheinlich an ADHS, außerdem zeige ich deutliche Anzeichen einer Depression und eines Erschöpfungssyndroms.“

„Ich stehe auf dem Bürgersteig vor dem Einkaufszentrum und bin all meine versteckten Handycaps so wahnsinnig leid; all meine unsichtbaren verdammten Probleme.“

Greta Thunberg ist krank. Ihre Mutter ist krank. Ihre Schwester ist krank. Ihr Vater ist Hausmann. Das ist der erste Eindruck, den der Leser der Selbstdarstellung der Thunberg-Ernmans bei der Lektüre gewinnt. Die Familie ist vollkommen zerrüttet, psychisch kaputt: eine zeitweise unter Bulimie, dauerhaft unter ADHS und Depressionen leidende Mutter, eine Asperger-Tochter mit Anorexie, eine durch Vernachlässigung erkrankte Schwester. Dementsprechend zusammenhanglos sind auf 254 Seiten 92 Szenen aneinander gereiht worden, die vielfach wirken als seien sie unter Medikamenteneinfluss erlebt und erstaunlicherweise auch geschrieben und vom Verlag publiziert worden. In der zweiten Hälfte tauchen aufgeschnappte Schlagsätze über Klima und Nachhaltigkeit auf. Weltuntergang. Apokalypse. Ein kranker Planet.

Greta bestreikt die Schule, weil sie dort gemobbt wird. Greta handelt krankheitsbedingt nach dem Lustprinzip: völlige Konzentration auf das, was ihr gefällt. Was will die Familie? Das Ende der Wachstumsgesellschaft, eine radikale Politik, eine revolutionäre Umstellung – wörtlich: „Meine Hoffnung verlangt radikales Handeln.“

Deutsche haben einen Hang zur Verherrlichung Radikaler.

Michael von Prollius

Greta Thunberg, Svante Thunberg, Beata Ernman, Malena Ernman: Szenen aus dem Herzen. Unser Leben für das Klima, S. Fischer, 2. Auflage Frankfurt am Main 2019, 256 S., 18,00 Euro