Reiseimpressionen USA, Westküste – kein Land der unbegrenzten Möglichkeiten
Reiseimpressionen USA, Westküste – kein Land der unbegrenzten Möglichkeiten

Reiseimpressionen USA, Westküste – kein Land der unbegrenzten Möglichkeiten

Reiseimpressionen USA, Westküste – kein Land der unbegrenzten Möglichkeiten

Heiko Kleve hat interessanten Einsichten aus seiner dreiwöchigen Reise im Südosten der USA geteilt, als touristische soziologische Feldstudie in Anführungszeichen (LinkedIn). Parallel hatte ich diese Idee für meine Familien-Reise an der Westküste, die nur wenig später zu Ende gegangen ist. Stationen: San Francisco, LA, Sprung nach Hawaii, zurück in National Parks und nach Las Vegas – insgesamt in 5 Bundesstaaten gelangt: Kalifornien, Hawaii, Nevada, Arizona, Utah. Es gelten dieselben Vorbehalte subjektiv-selektiver Beobachtungen.

#1 Teuer: Alles kostet, vieles zu viel. Das gilt auch für Weltklasseshows wie Cirque du Soleil mit etwas unter 1.000 Dollar für eine vierköpfige Familie. In Deutschland wird Kultur subventioniert, zugunsten Gutverdienender, was keine Alternative ist. In den USA sind die Lebenshaltungskosten hoch, wie Einheimische beklagen, Benzin ist teuer geworden, Einkaufen auch, einfach Essen gehen, selbst im Café, kostet mitunter doppelt so viel wie in Deutschland. 

#2 Armut und niedrige Lebensstandards sowie Obdachlosigkeit (ca. 75.000 Obdachlose in der Millionenstadt LA) fallen dem Reisenden auf, in Städten und auf dem Land. San Francisco erlebt offenbar die stärkste Abwanderung von Bewohnern aller US-Städte, die primär in republikanisch geführte Staaten ziehen. Die normalen Häuser sind durchweg simpel aus Holz gebaut. Auf dem Land gibt es armselig anmutende Behausungen, das sind Hütten und Wohnwagen, immer wieder kombiniert, davor stehen mehrere Autos, vielfach in karger Landschaft. Viele alte Menschen haben Jobs im einfachen Service – sie brauchen es und werden gebraucht.

#3 Kein Land der unbegrenzten Möglichkeiten: Nur sehr wenige erreichen sehr viel, z.B. im Sport. Wenige Reiche und Wohlhabende, entsprechendes Mäzenatentum, eine Mittelschicht, in der 100.000 USD in San Francisco als Geringverdiener gelten, darunter scheinbar die Masse („Income inequality is a major concern in California“). Umso mehr werden Chancen und Glück thematisiert. Las Vegas erscheint als glänzend-lärmende Abzocke normaler Bürger, die einmal im Leben dort gewesen sein wollen – ähnlich wie im einerseits naturschönen und andererseits touristischen Hawaii. Einfache Amerikaner haben mehrere Jobs, wechseln diese (indes weniger häufig, Tyler Cowen) vielfach voraussetzungslosen Jobs (Radiomoderator, einfacher Dienstleister im Motorsport, Servicekraft), um über die Runden zu kommen und sind dabei um Trinkgeld bemüht mit entsprechendem Service, zuweilen viel Kreativität und ausdrücklichem Wunsch nach positiven Ratings.

Schätzung: Für ein angenehmes Leben mit einer Familie benötigt man in Ballungsgebieten wie LA und San Francisco vermutlich ein Einkommen von rund 200tsd USD plus Kapital für Investitionsgüter, für ein Leben auf Kapitalertragsbasis einen niedrigen zweistelligen Millionenbetrag.

#4 Krank machendes Essen: Ein überbordendes Angebot ungesunden Essens in Fastfood-Ketten und in Supermärkten steht einem elitären Zugang hypergesunder Ernährung angeboten in Biosupermärkten wie Wholefoods gegenüber. Immerhin werden Obst und Gemüse immer mehr verfügbar und immer wieder auch bezahlbar. Enorm übergewichtige und füllige Menschen fallen auf, in Utah sind sie hingegen selten. Fleisch gibt es en Masse.

#5 Waowh Natur und naja Städte: Endlose Weiten (Navi: After 210 Miles turn right …) mit kargen Steinwüsten, tiefen Schluchten, bewaldeten Mittelgebirgen in sehr gepflegten nationalen (zentralstaatlichen) Parks, plus Dschungel, plus … Weit, einsam, karg. Gepflegte, saubere Kleinstädte und eher pekige Großstädte, gerade auch die Innenstädte, die durchweg veraltet erscheinen. Der Hollywood Boulevard war eher eklig. Einen Sinn für Ästehtik vermisst man als Europäer, was bei den Häusern und beim Städtebau beginnt.

#6 Autos, Autos, Autos – Plastik, Plastik, Plastik. Ohne Auto geht nichts. LA bräuchte einen öffentlichen Nahverkehr, aber das Auto bleibt trotz Stau überlegen (wie Bryan Caplan auch empirisch argumentiert) und der Kollektivverkehr wäre schwer zu etablieren. Plastikverpackungen, auch Plastik in Plastik verpackt, wie Wegwerfbecher und -besteck, sorgen für Müllmassen.

#7 Gute Organisation: Von schnellem, spürbare Bürokratie rasch bewältigendem Mietwagengeschäft über die effiziente Bewältigung von touristischem Ansturm in Hotels bis zum Gepäck am Flughafen fast ohne Wartezeit scheint das organisatorische, unternehmerische Talent zu reichen. Zugleich sind die Amerikaner überwiegend warteschlangengeduldig. Coffee to stay im Wortsinn. Für die Befriedigung von Emotionen haben die Amerikaner ein Talent, ob spektakuläre Shows, in Szene gesetzter Sport, hochmotorisierte Autos fahren, Filmindustrie. Ein Sinn für Begeisterung und Engagement ist spür- und sichtbar.

#8 Skurriles: Schilder mit dem Hinweis, keine Schusswaffen im Laden. Andernorts das Angebot: Schusswaffen ausprobieren und Spaß haben, ferner Tipps zum Kaufen von Schusswaffen an der Tankstelle. In Las Vegas gibt es kaum Uhren. 24/7 Glitzerglück. Sieben unterschiedliche Kirchen(Gemeinden) neben einander in der Kleinstadt Page. Paternalistische Hinweise für alltägliches Verhalten, etwa beim Aussteigen aus einem Bus und Wasser trinken. Dauerbedudelung mit Musik aller Orten.

#9: Höflichkeit: Mir sind viele freundliche Menschen begegnet, die sowohl gut erzogen erschienen als auch aus professionellen Gründen sich so verhielten, d.h. im Kundenkontakt. 

#10: Unerwartet erwartet: Alcatraz zeigt exemplarisch den Missbrauch der Staatsgewalt gegenüber Bürgern, darunter Kriegsdienstverweigerern. Mir erscheint die Bürokratie erheblich, staatlich und privatrechtlich. In Kalifornien erscheint der Staat omnipräsent zu sein. Zudem: Biometrie ist seit Jahren etabliert. Dem Militär dankt man seinen Service und seine Angehörigen genießen Privilegien (Schüler, Rentner, Soldaten).

Deutschland ist trotz aller zunehmenden Probleme im Vergleich mit der Westküste für mich lebenswert.

Wer bestätigt oder widerspricht meinen Erfahrungen? Wer hat andere Eindrücke gesammelt?

 

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