Der letzte Winter Weimars ist ein machtpolitisches Lehrstück. Jeder kennt die dramatische Zeit rasch wechselnder Regierungen von Papen über Schleicher bis zu Hitler zumindest in Grundzügen. Wie sehr hinter den Kulissen gerungen wurde, wie unsicher die Machtübertragung an Hitler bis zur letzten Minute war, weil noch im Vorzimmer des Reichspräsidenten Hindenburg um eine Koalition grfeilscht wurde, macht das Buch „Die Totengräber“ der Historiker Rüdiger Barth und Hauke Friederichs deutlich.
Der inzwischen beliebte chronologisch-kaleidoskopische Ansatz hatte schon bei ähnlich konzipierten Büchern zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs und zu den Olympischen Spielen 1936 Stärken und Schwächen. Besonders in dieser über 400 Seiten wiederholt packenden Erzählung sorgt die Chronologie für Verständlichkeit und Tempo. Die primär politische aber auch gesellschaftliche Bildervielfalt, die durch zahlreiche kurze Einblicke in das Handeln und Denken der Protagonisten entsteht, ist einerseits unterhaltsam und sorgt für eine temporeiche Reduktion auf das Wesentliche, lenkt andererseits ab durch eine Informationsfülle, die auch Randthemen umfasst. Ein Drittel, die konsequente Beschränkung auf den machtpolitischen Prozess, hätte für mich das Buch besser werden lassen.
Entstanden ist eine Vorlage für eine deutsche Serie, die mindestens so packend sein dürfte wie House of Cards, das den beiden Autoren als Initialzündung diente. Nach dieser ersten Staffel ist genug Stoff für weitere vorhanden. Wer darüber nachdenken möchte wie offen politische Entwicklungen sind, wie problematisch die Konzentration der Macht in den Händen weniger ist und wie eine kontrafaktische Entwicklung verlaufen wäre, etwa als Militärdiktatur unter Schleicher, sollte Die Totengräber als Sommerlektüre erwägen.
Michael von Prollius
Rüdiger Barth und Hauke Friederichs: Die Totengräber. Der letzte Winter der Weimarer Republik, S. Fischer, Frankfurt am Main 2018, 410 S.