Von Berlin nach Bonn. Eine Zeitreise. Beim Spazierengehen im Zentrum wähnt man Konrad Adenauer an jeder Zweiten Ecke. Die Bonner Republik war eine ganz andere als es die Berliner ist. Geschichte und Veränderungen haben einen Ort. Dass nichts beständiger ist als der Wandel, gilt auch für die Hayek-Gesellschaft, die sich stetig weiter entwickelt.
Im Bonner Universitätsclub am Rhein kamen jung und alt zusammen. Jede Generation berichtete aus ihrer Forschung. Gerade der Workshop mit den Nachwuchswissenschaftlern lässt Freiheitsfreunde hoffen: frische Ideen, präzise Sprache, souveränes Auftreten waren zu besichtigen. Eine Historikerin, zwei Ökonomen und ein Philosoph. Ein hayekianischer Mix.
Vor dem zweiten Weg zur Knechtschaft warnte der Altmeister und frische Hayek-Medaillenträger Peter Bernholz indem er die uferlose Ausbreitung des Staates und die Einschränkung der Freiheiten in sehr unterschiedlichen Bereichen dokumentierte. Der zweite Preisträger, Mikhail Chrodokowski, gab in einem ausführlichen Interview erhellende Einblicke in die Lage Russlands unter Putin.
Wie so häufig könnten auch dort „Thronfolge“ und Generationenwechsel zur Systemherausforderung werden. Dabei lohnt sich Bastiat: Was mach sieht (und hört) und was man nicht sieht (und hört).
Die Profis im Panel diskutierten das weite Themenfeld Nationalstaat und Globalisierung. Vier Männer, die etwas zu sagen haben, besser: viel zu sagen haben. Erich Weede wies auf die Bedeutung gemeinsam geteilter Werte für eine tragfähige Rechtsordnung hin; fehlt diese Grundlage, muss die Polizei ran.
Günther Schnabl thematisierte geldpolitischen Verwerfungen, die immer noch ignoriert werden. Stefan Kooths sprach über den Markt, der aus geschlossenen Sippen arbeitsteilige Netzwerke über Grenzen hinweg macht. Markus C. Kerber gab aufschlussreiche Einblicke in das EU-Gebaren, darunter die alltäglichen Rechtsverletzungen.
Die Hayek-Tage 2017 in Bonn haben einen Eindruck von der Vielseitigkeit und der guten Sacharbeit der Gesellschaft von Freiheitsfreunden aufgezeigt.
Erleben könnte man argumentative Leidenschaft und kühle Vernunft, zudem Humor und Ironie, die eingängiger als manches Vernuftargument wirken, dieses aber nicht ersetzen können. Mit den Worten des glänzend aufgelegten Henryk M. Broder: “Wenn der Wahnsinn epidemisch wird, heißt er Vernunft.“ Die Zersetzung von Werten, Institutionen, Sitten und Recht durchzog ungeplant die zweitägige die Beiträge der gelungenen Veranstaltung im Universitätsclub.
Zuweilen sollten wir uns wirklich fragen, ob unsere Politiker und ihre Wähler, Journalisten und Gutmenschen noch ganz bei Trost sind: Klimaplanwirtschaft, gageske Bürokratisierung, Toleranzexzesse, Multikultiphantastereien, westliche Werteselbstaufgabe gepaart mit genudgeder Unterwerfungskultur, Euro- und EU-Absurditäten mit Rechtsbruch als Arbeitsgrundlage, politische Korrektheit als Maulkorbideologie. Vieles davon thematisierte Roland Tichy.
Der mit geradezu sozialistischem Ergebnis wieder gewählte Vorsitzende der Hayek-Gesellschaft Wolf Schäffer hatte eingangs die bereichernde Herausforderung thematisiert, Vielfalt und Einheit in einer Gesellschaft auszutarieren. Hilfreich mögen dabei zwei Eigenschaften sein, die Hayek zugeschrieben werden: Scharfsinn oder der zwanglose Zwang des besseren Arguments und sich verhalten wie ein Gentleman. In diesem Sinne wirkte nicht zuletzt der Geschäftsführer Gerd Habermann auf den Hayek-Tagen mit Charme und Kontaktfreude.
Transformation und Professionalisierung der Hayek-Gesellschaft sind auf einem guten Weg. Was einmal klein anfing wächst nunmehr zu einem großen, gut zu organisierenden Netzwerk. Die vielen guten Gespräche im Universitätsclub Bonn zeugten davon.
Weitere Impressionen:
NZZ: Auszeichnung auch für Ökonomen-Doyen Peter Bernholz. Weg vom Weg in die Knechtschaft
NZZ: Hayek-Medaille für Michail Chodorkowski. Räuberbaron oder Freiheitsheld