Kein alter Hut: Biberhüte im 16. Jahrhundert, Gemälde und Globalisierung
„Die Geschichten, die auf diesen Seiten erzählt habe, drehen sich alle um die Auswirkungen des Handels auf die Welt und die gewöhnlichen Leute. Aber zwischen diesen beiden stand der Staat, der tiefgreifend von der Geschichte des Handels verändert wurde und seinerseits mächtigen Einfluss ausübte.“ schreibt Timothy Brook, Sinologe an der Universität Oxford, im Schlusskapitel „Kein Mensch ist eine Insel“.
Acht holländische Gemälde dienen ihm als Ausgangs- und Bezugspunkt seiner Geschichten, darunter eben Vermeers Hut, der aus kanadischen Biberpelzen gefertigt wurde – für Biberhüte begann sich im 16. Jahrhundert ein Hutmarkt zu entwickeln. Alle Gemälde sind Auftragsarbeiten, die eine Fülle von Details und damit Hinweise auf geschichtliche Abläufe der Zeit enthalten. Timothy Brooks erläutert sie sorgfältig und öffnet so gleichsam eine Tür zu einem hinter dem Gemälde verborgenen Korridor zu den Handelswegen der ersten Globalisierung.
Der Leser unternimmt Zeitreisen, auf denen er die Beschaffung von Porzellan aus China erlebt. Silber (als Weltwährung) und Tabak, dessen Handelsgeschichte zugleich eine Geschichte des Sklavenhandels war, sind weitere herausragende Güter; auch hier dienen Europa und China als Pole der Erzählung. Offenkundig war das 17. Jahrhundert ein Zeitalter intensiver Kontakte. Bemerkenswert aktuell ist, dass Asien für viele Menschen die Zukunft verkörperte.
Timothy Brook versteht es, Kunst-, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte mit Sinologie zu verschmelzen. Die Präzision im Detail verbindet sich mit der Leichtigkeit seiner Erzählung. Vermeers Bilder werden zum Dreh- und Angelpunkt für ein Buch, das unaufdringlich den Aufbau von Märkten und Handelsrouten für Alltagsgüter analysiert. Alles beginnt mit einem Blick auf Delft.
Literatur: Timothy Brook: Vermeers Hut: Das 17. Jahrhundert und der Beginn der globalen Welt, Edition Tiamat 2009, 272 S., 18 Euro.
Quelle: Ursprünglich erschienen auf Forum Ordnungspolitik im Oktober 2010.