Vom Wald als Freiheitsphilosophie
Vom Wald als Freiheitsphilosophie

Vom Wald als Freiheitsphilosophie

Vom Wald als Freiheitsphilosophie

Ich mag Wald. Manche Menschen ziehen das Meer vor. Ich fühle mich am Waldrand, im Wald und mit Blick auf Wald wohl. Naturverbunden. Erdverhaftet. Baum geborgen. Generationen überspannend.

Als ich auf Alexander Grau „Vom Wald. Eine Philosophie der Freiheit“ (Claudius Verlag 2023) stieß, war ich sehr gespannt und erwartungsvoll. Der erste Satz: „Wald ist Freiheit.“ Wunderbar. Dann folgten Irritationen. Erwartungsdiskrepanzen. Nachdenken über das andere Denken kann helfen. Attestierte hohe Anziehungskraft des Waldes: ja, natürlich. Erfahrungsraum: ja. Aber unberechenbar und willkürlich? Nichts sei ewig. Der Mensch werde mit seiner Ohnmacht konfrontiert. Der Wald lehre, dass nichts absolut sei. Weder die Freiheit noch die Unfreiheit. Das ist eine Perspektive, recht absolut.

Deutsche Wälder wurden forstwirtschaftlich gestaltet. Urwälder sind hier wieder eine jüngere Erfindung. Die Natur lässt sich in ihrer Entwicklung erforschen, abschätzen, berechnen, Zufälle eingeschlossen. Erfahrungen von Wald verbundenen Forstleuten mit fachlichem und gesunden Verstand wirken seit Generationen wohltuend. Im Solling ist Forstmeister von Langen (1699-1776) eine Persönlichkeit, die sowohl Waldbau als auch Stadt- und Industrieplanung vorausschauend betrieb. Ob man den Menschen als ohnmächtig begreift, ist eine Frage des Blickwinkels in unseren Breitengraden. Der Dschungel in Brasilien und Venezuela wirkte auf mich mächtiger, machte mich ohnmächtiger – als Fremder. Den Einheimischen ging es anders.

Philosophen haben etwas zu sagen und scheinen zuweilen mit Worten und Sätzen zu spielen. Mit Ernst Jünger müsse man frei sein, um es zu werden, zitiert ihn der Münchener Publizist und Philosoph.

Alexander Grau konturiert seine Waldfreiheitsphilosophie mit sechs Kapiteln über „Wald und Zeit“, das ist zunächst Wandel, dann mit „Der Wald und das Nichts“ sind das Märchen der Gebrüder Grimm sowie Eckbert von Wilhelm Tieck. Hinzu kommen „Die Wege der Freiheit“, das sind Philosophen und Literaten wie Tieck, Heine und Thoreaux. Es mangelt dort nicht an Kritik an Moden und Massengesellschaft. Schließlich folgen „Die stille Rebellion“ und  „Wald und Revolte“ u.a. mit Deutungen von Adalbert Stifter und Ernst Jüngers Waldgang. „Wald, Kontingenz und Freiheit“ ist das Abschlusskapitel. Die Waldphilosophie ist wesentlich eine Interpretation des Verhältnisses namhafter Gelehrter zum Wald.

Alexander Grau streut Freiheitsklärungen ein wie „Freiheit bedeutet sich für eine Zukunft zu entscheiden“. Waldklärungen wie „Wälder sind nicht einsam, Menschen sind es.“ Und etwas später: „In der Waldeinsamkeit begegnet man immer nur sich selbst.“ Freiheit würde der Mensch durch Flow finden, der entstehe durch Hingabe an die Natur. Tatsächlich geschieht auf sehr vielfältige Art und Weise wie wir durch Mihaly Csikszentmihalyi wissen – für mich ein wahres Freiheitsbuch.

Der Wald stehe für das Verlassen von Zwangssystemen. Der Wald sei ein Garant der Anarchie. Über beides ließe sich trefflich diskutieren. Persönlicher Standpunkt und die eigenen Maßstäbe machen einen Unterschied.

Offenbar ist Freiheit ist kein einfacher Wert.