Auslandsinterventionen als fatale Selbsttäuschung
Auslandsinterventionen als fatale Selbsttäuschung

Auslandsinterventionen als fatale Selbsttäuschung

Viele gute und manche weniger gute Gründe werden für Auslandseinsätze des Westens vorgebracht. Hehre Absichten haben allerdings nichts zu tun mit der Realität am Boden, vor allem nicht mit der langfristigen machtpolitischen Realität. Und eine Absicht ist keine Fähigkeit. Eigene Ziele in einem fremden Land, in einer entfernten Region in die Tat umzusetzen, das bedarf mehr als nur einer guten Absicht.

Das Scheitern des Westens im Ausland lässt sich über Jahrzehnte zurückverfolgen, z.B. bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs. Dazu gehören Einsätze von Spezialkräften und Söldnern, große Militäroperationen und Kriege, aber auch moderne Euphemismen wie Stabilisierungseinsätze, Nation- und Statebuilding.

Die Niederlage in Afghanistan nach 20 Jahren Krieg am Hindukusch stand fast unausweichlich im Vorhinein fest. Viele Warnungen wurden in den Wind geschlagen, darunter auch die von Arundhati Roy:

“America is at war against people it doesn’t know, because they don’t appear much on TV. Before it has properly identified or even begun to comprehend the nature of its enemy, the US government has, in a rush of publicity and embarrassing rhetoric, cobbled together an “international coalition against terror”, mobilised its army, its air force, its navy and its media, and committed them to battle.”

Ich habe meine Vorbehalte und vor allem Prinzipien einer liberalen Außenpolitik in einem Aufsatz dargelegt (Grundsätze liberale Außenpolitik, prägnant und kürzer zudem beim Liberalen Institut).

Die überwiegend unangenehmen Alternativen von Auslandseinsätzen hat Christopher Coyne (George Mason University) systematisch aufgezeigt und ausgearbeitet. Auch für Afghanistan waren das: 1. Gewalteinsatz und Kolonialisierung. 2. Begrenzter Militäreinsatz mit Mission creep und Rückzug. 3. Kapitalistischer Friede mit Freihandel und (Privat-)Diplomatie sehr langfristig.

Nun hat der liberale Ökonom mit dem seltenen Schwerpunkt Außen- und Sicherheitspolitik zusammen mit zwei Mitstreitern von der George Mason University ein weiteres lesenswertes Papier vorgelegt: The Fatal Conceit of Foreign Intervention: Evidence from the Afghanistan Papers. Wie der Titel für Insider andeutet, dient Friedrich August von Hayeks Werk „Die verhängnisvolle Anmaßung“ als Grundlage für die Auswertung der umfangreichen Afghanistan Papiere (612 interne Regierungsdokumente).

Die verhängnisvolle Anmaßung von Auslandseinsätzen besteht in der Unfähigkeit, die Grenzen von Macht und Gewalt als Mittel der Politik für ein wahrgenommenes Problem in ausländischen Gesellschaften zu erkennen. Darin enthalten sind wesentliche Unzulänglichkeiten des intervenierenden Staates:

      • Top-Down-Planung,
      • bürokratischer Ressourcensteuerung,
      • Verwechselung ökonomischer Entwicklungen mit technologischer Steuerung und
      • Behandlung von Gesellschaften als simple Organisationen statt komplexe Systeme.

Treffender Weise lautet der Untertitel von Hayeks Buch: „Die Irrtümer des Sozialismus“. Denn die Interventionsmängel sind auch bei Auslandseinsätzen systembedingt, sind stets dem Sozialismus inhärent, gelten weithin auch für die staatlich-bürokratische Organisation, unterscheiden sich nicht von den schädlichen Eingriffen in die Marktwirtschaft, die längst zu deren Pervertierung geführt haben.

Wenn die Annahmen über die Funktionsweise komplexer Systeme grundfalsch sind, kann keine noch so gute Absicht helfen.

Zur Anmaßung gehört auch, dass die Kosten des Afghanistankriegs zwischen 2011 und 2019 auf rund 2 Billionen US-Dollar geschätzt werden, ohne dass Wiederaufbau und Vertreibung der Taleban gelungen wären. Unauflösbar damit verbunden sind massive Verschwendung und Korruption der Steuerzahlergelder. Symbolpolitik trat von Beginn an die Stelle systematischer Entwicklung. Der Blick in die Berichte aus dem amerikanischen Regierungsapparat lässt einem die Haare zu Berge stehen.

Natürlich war nicht jedwede Handlung kontraproduktiv, ist sicherlich nicht jeder Soldat vergeblich gestorben oder verwundet worden. Es geht an dieser Stelle nicht um eine Bilanz. Es geht um die Grenzen intuitiven Handelns, hehrer Absichten, mangelnden Verstehens sehr komplexer dynamischer Gebilde. Die verhängnisvolle Anmaßung und das Risiko eines krachenden Scheiterns sollte bei und besser vor jedem Auslandseinsatz mitgedacht werden.