Sparen bedeutet Nichtkonsumieren. Sparen heißt für die Zukunft vorsorgen – mit Kapital von heute. Sparen bedeutet hingegen nicht, etwas nicht auszugeben, was man nicht hat, wie es leider permanent zur Austeritätspolitik heißt. Sparen und Konsum sind individuelle Entscheidungen, die nicht politisch gesteuert werden dürfen. Sparen ist eine Tugend und die Grundlage von Wohlstand und Wachstum.
Wenn Menschen mehr konsumieren, können sie das nur tun, wenn sie weniger sparen. Dann fehlt das Kapital für Produktivitätssteigerungen und Wachstum. Ein Euro kann nur einmal ausgegeben werden. Wohlstand und Wachstum resultieren aus Mehren, nicht aus Aufzehren. Haben Sie sich je reich geshoppt?
Wenn Sie ein Anhänger der Auffassung sind, wir stecken in der Krise, weil wir zu wenig verbrauchen, dann wird Ihnen das Buch von Jörg Bibow und Heiner Flassbeck gefallen. Tatsächlich ist das Anliegen der Autoren berechtigt. Die Euro-Zone befindet sich nach wie vor in einer Krise, allerdings in einer institutionellen Strukturkrise. Die Gründe werden seit über 20 Jahren genannt. Die Euro-Konstruktion gleicht einem Haus ohne Dach und ohne Fundament. Bibow und Flassbeck beobachten indes lediglich das Verhalten der Menschen in der Bausünde. Ihr Pamphlet besteht aus zwei Teilen: Sie kritisieren eine sogenannte fiskalische Austeritätspolitik und Lohnsenkung vehement als fatale Kombination; im Vergleich der Wirtschaftspolitik von Deutschland, Frankreich, Spanien und Italien wird Frankreich zum Modell für Europa gekürt.
Die Autoren starten mit einem Anti-Schäuble-Aufmacher – zurecht, allerdings wirkt Schäuble wie ein Strohmann. Die Anti-Schröder-Linie ist durch eine Mantra artige Kritik an den Arbeitsmarktreformen konsequenter, aber dafür falsch. Kein Unternehmen kann auf verkrusteten Arbeitsmärkten mit überhöhten Löhnen produktiver werden. Für das von den Autoren angestrebte volkswirtschaftliche Wachstum ist die Steigerung der Produktivität entscheidend. Leider erfährt der Leser nichts darüber, dass die Arbeitsproduktivität im Beobachtungszeitraum in Europa kaum mehr wächst und in Deutschland rückläufig ist. Der wichtigste Treiber der Arbeitsproduktivität ist technischer Fortschritt, der lahmt. Das Konsum-Mantra hilft nicht. Im Gegenteil, Löhne müssen langsamer als die Produktivität steigen.
Das Euro-Desaster ist ein bedauerlich unterkomplexes Buch. In ihrem vehementen Eintreten für eine von Experten betriebene Makrowirtschaftspolitik gibt es weder Unternehmer noch Bürger. Frei schwebend werden wenige makroökonomische Größen in Verbindung gesetzt, Korrelationen behauptet, aber keine substanzielle Kausalität wird nachgewiesen. Störche fliegen, Kinder werden geboren. Folglich wird das Ziel des Buches verfehlt, nämlich nachzuweisen, dass die „in den Eurokrisenländern verfolgte Politik, Lohnsenkungen – als Mittel zur Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit – und fiskalische Austerität zu kombinieren, maßgeblich war für die Tiefe und Dauer des beobachteten Einbruchs“.
Ein Blick in leicht zugängliche Statistiken zeigt zudem: In Deutschland nahm der private Konsum nach der Wiedervereinigung von 1991 (€ 891 Mrd.) auf 2015 (€ 1.635 Mrd.) über 80% zu. Der Anstieg erfolgte schneller als das verfügbare Einkommen wuchs, folglich sank die Sparquote von 12,6% auf 9,7%. Gleichzeitig verschweigt die permanente Kritik an zu wenigen Investitionen, dass die Staatseinnahmen auf Rekordniveau sind, genauso wie die Staatsausgaben.
Der Leser gewinnt den Eindruck, nur Bibow und Flassbeck können es richten. Die beiden wollen Europas Wirtschaft steuern und zur Überwindung der Krise 1. das Geld entwerten, 2. die Lohnstückkosten für Unternehmen verteuern und 3. noch mehr Schulden machen. Die Krönung soll die Fiskalunion sein: alles in einen Topf, alles aus einem Topf. Dazu gehört die Vorstellung, die Zentralbank müsse nur mehr Geld drucken und der Staat mehr ausgeben, damit Wohlstand entsteht, also einfach zur Verbesserung eines maroden Stromnetzes unbegrenzt Mehrfachstecker an eine Steckdose anschließen! Die Idylle des Keynesianismus – Konsum ohne Sparen – scheiterte in den 1970er Jahren krachend. Ein neuer Anlauf auf europäischer Ebene macht aus dem Scheitern ein Fiasko.
Literatur: Heiner Flassbeck und Jörg Bibow: Das Euro-Desaster: Wie deutsche Wirtschaftspolitik die Eurozone in den Abgrund treibt, Westend Verlag, Frankfurt am Main 2018, 224 S., Taschenbuch 20,00 Euro.
Quelle: Junge Freiheit