Der Mythos der Machbarkeit: das Stabilitätsgesetz
Der Mythos der Machbarkeit: das Stabilitätsgesetz

Der Mythos der Machbarkeit: das Stabilitätsgesetz

Wirtschaftsgeschichte: Das Stabilitätsgesetz von 1967 „enthält in systematisch wenig geordneter Form Aussagen institutioneller Art (wer soll handeln), Zielvorgaben und Aussagen instrumenteller Art (womit soll gehandelt werden)“ (K. H. Hansmeyer), die sich in ökonomischer Perspektive zu einem Handlungsrahmen verbinden, der von der Politik permanent neu zu füllen war. Die diesem Gesetzestyp eigentümliche Mischung aus spezifischen Handlungsanweisungen und allgemeinen Absichtserklärungen war auf die Erhaltung des „gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts“ gerichtet (§ 1 StabG). Hinter dieser vagen Zielaussage verbirgt sich das so genannte „Magische Viereck“. Es besteht aus den Komponenten Vollbeschäftigung bzw. hoher Beschäftigungsstand, Preisstabilität bzw. Geldwertstabilität, außenwirtschaftliches Gleichgewicht im Sinne eines Leistungsbilanzgleichgewichts und stetiges, angemessenes Wirtschaftswachstum. Die Magie kommt dann ins Spiel, wenn diese zum Teil durch Staatsaktivitäten konkurrierende Ziele, z.B. Preisniveaustabilität und hohe Beschäftigung, gleichzeitig zu verfolgen und gleichrangig zu realisieren sind. Folglich war die Wirtschaftspolitik gezwungen, realistische Zielgrößen zu formulieren und politische Schwerpunkte zu setzen.

In der alltäglichen Anwendung scheiterte das Gesetz auf der ganzen Linie. Die Instrumente erwiesen sich als stumpf. Der Steuerungsoptimismus blieb Illusion. Die Konzertierte Aktion erzielte keine konkreten Festlegungen. Die anvisierte Vollbeschäftigung von 1 Prozent gilt international als Überbeschäftigung und stellte sich als illusorisches Ziel heraus. Der Subventionsbericht blieb hinsichtlich des Abbaus von Subventionen folgenlos. Die Finanzpolitik funktionierte frei nach dem Prinzip: „Gas geben funktioniert, nur bremsen nicht“, d.h. Ausgaben wurden erhöht, aber nicht gesenkt, geschweige denn Überschüsse erzielt.

Zudem wurde der Grundstein für spätere Fehlentwicklung gelegt. Allein zu diagnostizieren, in welcher konjunkturellen Lage sich die bundesdeutsche Wirtschaft gerade befand, erwies sich zum Ende der Rekonstruktionsperiode als nahezu unmöglich. Schließlich kam dem Staat die Aufgabe und Bürde zu, für Wohlstand zu sorgen. Das Gesetz verschob die Aufgabenteilung vom Markt zum Staat. Mit der Globalsteuerung des volkswirtschaftlichen Prozesses über die Lenkung makroökonomischer Größen, die im Laufe der Zeit durch zahllose Eingriffe in spezifische Einzelbereiche flankiert wurde, rückte die Bundesrepublik Deutschland mental und instrumentell der Planwirtschaft der DDR näher. Insofern ist das Stabilitätsgesetz Ausdruck einer Neukonzeption der Wirtschaftspolitik.