Die Stunde der Liberalen
Die Stunde der Liberalen

Die Stunde der Liberalen

Die Stunde der Liberalen

In Deutschland und Europa gewinnt das politische rechte Lager seit einigen Jahren an Aufmerksamkeit. Zu den Gründen gehören

  • als relevant erachtete (neue) politische Parteien, Regierungen und Staatsführungen,
  • der Bedeutungsverlust von Volksparteien und das Abdecken des rechten Wählerspektrums durch spezifischere Parteien,
  • das Aufkommen identitärer Bewegungen,
  • eine jahrelange eher linke politische Dominanz in Regierungen,
  • ein links der Mitte liegender Schwerpunkt der Medien und der herrschenden Meinung,
  • ein von Links geführter Kulturkampf um Sprache, Geschlechter, (Hoch-)Schulen, mit rechten Gegenreaktionen,
  • eine von links kommende Umweltbewegung, die sich bis zum Ökologismus gesteigert hat und auf Gegenreaktionen stößt,
  • ein linker Antikapitalismus, Etatismus und dem linken Spektrum zuzuordnende Ideologien (verstanden als Strukturierung der Gesellschaft) wie „soziale Gerechtigkeit“,
  • das Infragestellen von Nationalstaaten und die Gegenreaktion,
  • eine Krisenakkumulation,
  • v.m.

In einer dynamischen Ursache-Wirkung-Betrachtung liegt die These nahe, dass folgender Zusammenhang (neben anderen) besteht: Die Öffnung der Grenzen für (unkontrollierte) Migration hat Identitätsfragen hervorgerufen und rechte Positionen eine Bedeutung erlangen lassen. Das Ignorieren und Kritisieren dieser politischen Position hat zu deren Stärkung beigetragen, die öffentliche moralische Delegitimierung ebenfalls, genauso wie die ungelösten und zunehmenden gesellschaftlichen, sozialen und ökonomischen Probleme. Damit ist ein selbstverstärkender Zyklus entstanden, der in Ostdeutschland die AfD zur vielfach stärksten Partei werden lässt.

Ein oberflächlicher Blick auf die Medienlandschaft, die politischen Parteien und Nichtregierungsinstitutionen sowie verfügbare Finanzmittel lässt die These zu, dass personell, institutionell und materiell das linke Lager stärker ist als das rechte Lager – in Deutschland und in Europa.

Insbesondere in Deutschland wird aus historischen Gründen das rechte Spektrum mit Argusaugen betrachtet. In Nachbarländern wie Österreich und der Schweiz sowie Dänemark, aber auch Polen ist keine identische Haltung beobachtbar.

Die Polarisierung der Gesellschaft lässt sich politisch besonders deutlich in den USA beobachten, wo eine linke einer rechten Partei gegenübersteht. Dort wie in Europa ist eine Problemverschleppung unübersehbar. Wesentliche alte oder zeitlose Probleme treffen auf neue Herausforderungen für die Regierungen keine hinreichenden Lösungen gefunden haben. Vielfach werden die Regierungen und ihre Verwaltungen als wesentlicher Teil des Problems angesehen, z.B. wegen einer ausufernden Bürokratisierung. Vermutlich bekommen in Krisenzeiten stärker als in Zeiten des Wachstums und des inneren Friedens rechte Protagonisten und Parteien Aufmerksamkeit und Bedeutung.

Bisher sind keine Bemühungen zu beobachten, Gemeinsamkeiten zwischen links und rechts zu suchen, vielmehr dominieren Frontstellungen, Abgrenzungen und eine auf der Metaebene, vor allem oberhalb der eigentlichen Probleme liegende politisch-mediale Auseinandersetzung. Das ist historisch insofern bemerkenswert als die Geschichte der politischen Ideen stets aus Gegensätzen bestand, ob links versus rechts oder herrschaftlich versus freiheitlich usw. – mindestens seitdem sich Aristoteles gegen Platon wandte.

Für konsequente Liberale stellt sich diese Polarisierung anders dar. Liberale sehen eine relevante Verwandtschaft in linken und rechten Positionen. Beide verbindet: Etatismus, Antikapitalismus, Zentralisierung, Homogenisierung und Strukturierung der Gesellschaft – im Gegensatz zu liberalen Positionen. In den Politikwissenschaften wurden für die linken und rechten Extreme daher statt den Gegensätzen eines Kontinuums u.a. eine Hufeisenform erwogen. Liberale plädieren zudem seit Jahrzehnten für Reformen, darunter Strukturreformen, die die großen Fragen von Wirtschaft und Gesellschaft adressieren: soziale Sicherungssysteme, Standort Deutschland (und Europa), Wettbewerbsfähigkeit, Entbürokratisierung im bürgerlichen Alltag wie in der Wirtschaft, solides Geld und solide Staatsfinanzen.

Eigentlich ist in Deutschland und Europa die Stunde der Liberalen gekommen. Schade nur, dass die Verteidiger von Freiheit, Privatheit, Wohlfahrt und Wohlstand, Frieden und Toleranz Außenseiter sind, unter den Intellektuellen und (partei)politisch.