Ein Shooting Star schießt zu kurz
Ein Shooting Star schießt zu kurz

Ein Shooting Star schießt zu kurz

César Hidalgo: Why Informations Grows. The Evolution of Order, from Atoms to Economies, o.O. 2015, 232 S., 25,63 Euro.
Die Fähigkeit zur Bildung von Informationsnetzwerken entscheidet über den Wohlstand von Nationen und Regionen. Diese These breitet der chilenische Physiker César Hidalgo in seinem metaphernreichen Buch aus, das beachtliche Vorschusslorbeeren erhalten hat. Nicht weniger als eine „radikal neue Interpretation der globalen Wirtschaft“ soll den Leser hinter dem gut aufgemachten grünen Umschlag erwarten. Das flott, fast wie ein Blog geschriebene Buch informiert über die Gründe und Bedingungen für Informationswachstum auf allen Ebenen von den Atomen bis zu den Ökonomien. Es soll nicht weniger als eine Verknüpfung von Physik, Informationstheorie, Theorie des Sozialkapitals, Empirie industrieller Diversifikation und ökonomischer Entwicklung leisten. Entsprechende Erwartungen werden noch dadurch befeuert, dass Hidalgo, der am MIT eine Forschungsgruppe zur Datenvisualisierung leitet, 2012 als einer von 50 Menschen eingeschätzt wurde, die die Welt verändern könnten, so das Wired Magazine UK.

Was bietet Hidalgo inhaltlich an?

Information lässt sich in explizites Wissen (Knowledge) und implizites Wissen (Know-how) gliedern. Informationen werden in Objekten abgelegt. Personen verkörpern Wissen und Fähigkeiten. Ökonomien sind Wissenssysteme. Komplexität in Nichtgleichgewichtszuständen generiert spontan Informationen, die in Feststoffen gespeichert werden. Die Informationsverarbeitungsfähigkeit ist ein Entwicklungs- und Wohlstandsanzeiger; die Kapazitäten sind begrenzt durch die Speicherung in Personen (Personenbyte) und Unternehmen (Firmenbyte). Exportierte Produkte sagen etwas aus über die Wohlstandsentwicklung. Vertrauen und die Ausbildung von Netzwerken sind entscheidende Komponenten für die Bildung, Entwicklung und Speicherung von Informationen. Eine Wirtschaftsstruktur ist somit die von Vertrauen und Wissen.

Nicht mehr?

Das war es, abgesehen von vielen Metaphern und Geschichten sowie einigen Erläuterungen im Detail. Für einen Naturwissenschaftler ist die Grenzüberschreitung zu den Wirtschaftswissenschaften viel. Wer die Österreichische Schule der Ökonomik mit ihrer Unternehmertheorie kennt (Kirzner) und sich mit dem Koordinationsproblem (von Smith bis Mises und Hayek) befasst hat, wer sich für die Theorie von Unternehmen und lernenden Organisationen (Coase, Schreyögg, Argyris) interessiert und Netzwerke studiert hat (Sydow), der wartet auf den Big Bang, vergeblich.

Boettke kann es besser!

Die Betonung von Informationen, die in gängigen Standardtextbucherklärungen vernachlässigt werden, ist begrüßenswert. Dazu gehört die Erkenntnis, nicht verkaufen, sondern produzieren zeichnet wirtschaftliches Vermögen aus. Und historisch gewachsene Wirtschaftssysteme können sich nur langsam anpassen (Pfadabhängigkeit). Gleichwohl bedarf die Erklärung erfolgreichen Wirtschaftens mehr als den Hinweis auf Information. Information ist eine von sechs Komponenten in dem komprimierten und vielleicht besten Erklärungsansatz wie das ökonomische Koordinationsproblem gelöst wird – mit Peter Boettke sorgen 3 p (Preise, Privateigentum, Profite und Verluste) für 3 i (Information, Innovation und Incentives/Anreize). Hidalgos Buch unterhält, aber verändert die Welt kein bisschen.
Michael von Prollius