Zähes Papiergeld und zauberhafte Geldmengenanpassung
Zähes Papiergeld und zauberhafte Geldmengenanpassung

Zähes Papiergeld und zauberhafte Geldmengenanpassung

(mvp) Untergangspropheten haben es leicht und schwer. Weil sie gerne gelesen werden, haben sie es leicht. Weil ihre Prophezeiungen äußerst selten eintreten, haben sie es schwer. David Schlichter kommt ein Verdienst zu: Auf dem Höhepunkt der Finanz- und Staatsschuldenkrise hat der frühere Finanzmanager eine gut lesbare österreichische Krisendiagnose publiziert. Die Ideenwelt ist nicht zuletzt durch seine Publikation etwas österreichischer geworden. Torsten Polleit und ich hatten kurze Zeit zuvor mit „Geldreform“ in eine ähnliche Richtung argumentiert. Außerdem sei Roland Baader erwähnt, der mit „Geldsozialismus“ zunächst bei der Vontobel Stiftung und anschließend als eigenständige Monographie seine bereits ein halbes Jahrzehnt zuvor geäußerte Geldsystemkritik erneuerte.
images-2Ein gutes halbes Jahrzehnt später ist jedoch noch keine Währung kollabiert. Ein Kollaps von Dollar, Yen, Pfund und Euro ist nicht in Sicht. Finanzielle Repression und manipulierte Deflation bei gleichzeitiger Vermögenspreisinflation scheinen ein Szenario zu sein, dass noch für geraume Zeit fortbestehen könnte. Immerhin gibt es japanische Verhältnisse nunmehr seit einem Vierteljahrhundert. Die permanenten Warnungen vor einer destruktiven Deflation und die (vorgeblichen) Bemühungen der EZB, Inflation mit ihrer Geldpolitik herbeizuführen, entpuppen sich zunehmend als Täuschungen der Öffentlichkeit. Tatsächlich gehören Staatsfinanzierung und Umverteilung von den Sparern zu Banken und Staatsführungen zu den vordringlichen Zielen der monetären Technokraten.
Grund genug sich noch einmal Gedanken über zwei Geld-Thesen zu machen, die Schlichter aufgreift.

  1. Der (nicht) bevorstehende Währungsverfall

Papiergeldwährungen sind in der Geschichte stets gescheitert. Eine Inflationspolitik lässt sich nicht unbegrenzt fortführen. Diese beiden Thesen werden regelmäßig vorgetragen. Sie stimmen und sind doch nicht ganz richtig. Wie immer kommt es auf die konkreten Umstände an. Das Britische Pfund ist eine jahrhundertealte Währung, die immer noch existiert. Die Abkehr vom Goldstandard liegt zwar nur ein gutes halbes Jahrhundert zurück, aber auch das ist kein Pappenstil. John Law ruinierte die Währung immerhin binnen weniger Jahre. Und auch die Mark brach in Deutschland nur wenige Jahre nach dem Jahrhundertkrieg zusammen. Der US-Dollar hat einen Bürgerkrieg, zwei Weltkriege und die Abkehr vom Goldstandard überlebt. Mehr schlecht als recht, möchte man angesichts des drastischen Kaufkraftverlusts hinzufügen, aber zugleich quietschfidel und als Weltleitwährung unangefochten. Die Ruinierung einer Währung ist offenkundig kein Kinderspiel, sondern erfordert eine drastische Vermehrung der Geldmenge, die zu galoppierenden Vermögenspreisen führen muss, damit die Menschen statt der Währung eine andere oder Sachgüter halten möchten. Für die genannten Währungen sind derzeit die Bedingungen nicht erkennbar.

  1. Die gar nicht so verrückte Idee elastischer Währungen

Die Vorstellung einer aus dem Nichts vermehrbaren Geldmenge scheint die Wurzel allen Übels zu sein. Tatsächlich ist das Kreditgeld im heutigen ungedeckten Zentralbankgeldsystem ein wesentlicher Grund für die Aufblähung des Finanzsektors und die Boom und Bust Zyklen. Allerdings gilt es präzise zu argumentieren. Die österreichische Kritik des Geldsystems und die österreichische Konjunkturtheorie sind im Rahmen des Goldstandards entwickelt worden. Der Goldstandard ist ein grundsätzlich anderes Geldsystem als das Reputationssystem, in dem die Welt sich seit spätestens seit 1971 befindet. Und der Goldstandard unterscheidet sich grundlegend von einer Geldordnung, die aus Wettbewerbswährungen ohne Verpflichtung zur Teil- oder Volldeckung bestehen würde.
Zunächst erscheinen einige wenige grundlegende Überlegungen zum Goldstandard und der österreichischen Argumentation angebracht bevor darüber hinaus gehend das Thema Geldfreiheit mit wenigen Strichen skizziert werden kann.
In Vollgeldsystemen kann eine steigende Geldnachfrage nur durch eine ebenfalls steigende Bereitschaft anderer Marktteilnehmer befriedigt werden, weniger Geld zu halten; letztere stellen ihr Geld durch Konsumverzicht oder Sparen anderen Investoren und Konsumenten zeitweise per vollständig gedecktem Kredit zur Verfügung. Die Geldmenge wird nicht vermehrt. Lediglich die Verfügung über Geld wechselt den Besitzer. Damit werden zwei Gefahren gebannt, ein Bankenrun und ein durch ungedecktes Kreditgeld angefachter künstlicher Boom, der eine zwangsläufige Bereinigungskrise nach sich zieht (En passent wird die Manipulation der Währung im internationalen Goldstandard durch die automatische Bremse sanktioniert). Jede Menge Geld reicht aus, so lautet eine zentrale These. Das stimmt zwar überwiegend, aber nicht friktionslos.
2.1 Vergleichsweise schwach erscheint vielleicht zunächst der Einwand, dass es durchaus nicht genug Bargeld geben kann, wie es einst in Schottland der Fall war als das Free Banking gerade deshalb mit privaten Münzprägungen aufblühte. Schwach mag der Einwand erscheinen, weil es nicht um die Geldmenge, sondern um die Bargeldmenge ging.
2.2 Etwas problematischer wird es in einer prosperierenden Wirtschaft, deren Geldmenge gleich bleibt, deren Gütermenge jedoch kontinuierlich wächst. Immer mehr Gütern steht eine unveränderte Geldmenge gegenüber. Eine Folge ist die immer stärker erforderliche Stückelung der Währung – was 1 Mark kostete, kostet später 50 Pfennige, dann 10 und weniger.
Nun wird bei einer Goldwährung Gold gefördert und ein Teil als Geld zur Verfügung gestellt, die Geldmenge wächst also doch mit. Bei etwa 2% pro Jahr, die meiner Erinnerung nach als Durchschnitt angegeben werden, ist der Unterschied zum monetaristischen Geldmengenwachstum von 3% pro Jahr nicht wirklich erkennbar.
2.3 Damit sind indes noch zwei weitere Probleme verbunden. So wächst die Geldmenge im Goldstandard unabhängig von einer wachsenden, stagnierenden oder kontrahierenden Wirtschaft, zeitweise auch schubartig durch den Fund neuer Goldvorkommen. Die Auswirkungen sind in den unterschiedlichen Phasen damit ebenfalls unterschiedlich, weil entweder mehr Geld oder eine gleiche Menge oder aber weniger Geld benötigt wird. Daher bleibt Gold als Medium für den Tausch eines Gutes gegen ein anderes nicht neutral. Hinzu kommt, dass eine konstante oder aber leicht wachsende Geldmenge – unabhängig von der Geldnachfrage – sich auch auf die Preise auswirkt. Die Preise geben nicht mehr unverfälscht die Präferenzen der Anbieter und Nachfrager wider, sondern verändern sich durch und mit der veränderten Geldmenge. Das ist besonders stark der Fall, wenn die Veränderungen von Geldmenge und von Gütermenge auseinanderklaffen. Folglich betseht ein Unterschied zwischen monetärer und produktivitätsbedingter Deflation.
2.4 Was den Geldbedarf anbetrifft, so gilt: In einem Geldsystem mit (vollständiger) Gelddeckung signalisiert der Zins das Ausmaß der Bereitschaft der Menschen, Geld für Investitionszwecke zur Verfügung zu stellen. Steht viel Geld „ungenutzt“ zur Verfügung, ist der Zins niedrig und signalisiert: investieren preiswert möglich! (und umgekehrt). Eine Veränderung der Geldmenge als Reaktion auf eine veränderte Geldnachfrage ist weder möglich noch gewollt. Es kann nämlich durchaus sein, dass die Investoren rufen: jetzt ist investieren geboten (z.B. Gründerboom), aber der Zins hoch ist. Dann rentieren sich weniger Vorhaben, nämlich die mit den niedrigeren Grenzkosten, als in einer Zeit, in der der Zins niedrig ist.
Die Folgen einer inelastischen Geldornung lassen sich nachfolgend am Beispiel einer anderen, eben elastischen Geldordnung verdeutlichen.
2.5 Eine elastische Geldordnung muss nicht zwangsläufig die Defizite beinhalten, die David Schlichter in Übereinstimmung mit einem Strang der österreichischen Geld- und Konjunkturtheorie konstatiert. In einer anderen Geldordnung ohne Volldeckung, die lediglich auf Vertrauen beruht, wäre eine elastische Geldmenge normal. Diese Argumentation folgt den Auffassungen, die insbesondere Selgin und White zum Free Banking entwickelt haben. Free Banking ist historisch indes im Rahmen eines Goldstandards aufgetreten. Das bedeutet, dass das Geld eine Forderung auf eine bestimmte Menge Gold darstellte. Eine Aufgabe der Banken war es folglich, die richtige Menge Geld zum Eintauschen verfügbar zu haben. Das Vertrauen der Geldnutzer war insofern einfach zu gewinnen, als es ein Reservemedium gab, eben Gold. In einer lediglich auf Vertrauen basierenden Geldordnung, kommt den Banken eine andere Aufgabe zu, nämlich das Geld so knapp zu halten, dass sein Wert möglichst unverändert bleibt. Wenn die Geldnutzer darauf vertrauen können und erleben, dass das gute Geld sich zum Tausch von Gütern eignet, ist die Aufgabe erfolgreich gelöst. Das kann eine Zentralbank nachweislich schlecht, wie das Jahrhundert der Zentralbanken belegt, das ein Jahrhundert der Hyperinflationen und monetär bedingten Boom und Bust Zyklen war, und der Kaufkraftverlust seit 1971 weltweit und seit der Einführung des Euro (als Teuro) sichtbar macht.
Eine andere Bankenordnung, mit privaten Banken im Wettbewerb, statt nur einer Zentralbank, und mit konkurrierenden Währungen, statt nur einer einzigen staatlichen, erscheint indes geeignet, den Bedarf nach gutem Geld bestmöglich zu decken. Da Geld ein Gut wie jedes andere auch ist, sich nur durch die größtmögliche Tauschbarkeit auszeichnet, sollte wie für jedes andere Gut auch, der Markt mit dem Wettbewerbsmechanismus die bestmögliche Organisationsform darstellen.

David Schlichter: Paper Money Collapse. The Folly of Elastic Money and the Coming Monetary Breakdown, 1. Auflage Hoboken 2011, 267 S., 37,97 Euro.