Literarisch wertvoll – warum?
Manche Bücher sind schön gestaltet und laden zum Lesen und Haben ein. Manche Bücher halten nicht was sie versprechen. Für „Ein anarchistischer Bankier“ gilt sowohl als auch.
Ich gebe gerne zu, dass Literatur mich selten fesselt. Bei Fernando Pessoa (1888-1935) finde ich vor allem die Lebensgeschichte interessant. Der Portugiese gilt als einer der bedeutendsten Lyriker und wichtigsten Dichter in portugiesischer Sprache. Zu Lebzeiten schätzten ihn nur wenige Freunde und Bekannte. Die Masse seiner Manuskripte – über 24.000 Fragmente – blieben bis zu seinem Tod unveröffentlicht. Als Handelskorrespondent führte der starke Raucher und Trinker ein unscheinbares Leben als Single.
Ein anarchistischer Bankier ist ein 50 Seiten Essay und besteht aus einem Gespräch, über weite Strecken eher ein Monolog, das der Erzähler mit seinem Freund führt, der „Bankier, ein großer Händler und namhafter Schieber“. Ich habe mit Inhalt und Stil leider Schwierigkeiten über die mir andere Leser vielleicht hinweghelfen können.
Inhaltlich mäandriert die wenig glaubhafte Begründung des Anarchisten-Daseins zwischen Sozialismus, Nihilismus und „Anti-Monetarismus“ im Sinne einer Abschaffung des Geldes und schließlich einem konstruiert erscheinendem Anti-Konstruktivismus. Die Begründung des Anarchismus ist eine Mischung aus a priori Feststellungen und verrenkten Kausalschlüssen. Ein Beispiel: „Für wen will ein Anarchist Freiheit? Für die ganze Menschheit. Und wie erreicht man Freiheit für die ganze Menschheit? Indem man alle gesellschaftlichen Fiktionen völlig vernichtet.“ Der Bankier hält Konventionen und Recht für schädlich. Anders als Reinhold Werner in seinem begleitenden Essay zeugt „Ein anachronistischer Bankier“ gerade nicht davon, dass Pessoa Figuren vortäuschen konnte. Statt radikaler Egoismus lese ich ziemlich verstiegene Äußerungen. Gilt (auch) hier: je verworrener umso wertvoller?
Fernando Pessoa: Ein anarchistischer Bankier, übersetzt und mit einem Nachwort versehen von Reinhold Werner, Verlag Klaus Wagenbach, 5. Auflage der Neuauflage Berlin 2018.