Paul Freiherr von Eltz-Rübenach – ein exemplarischer Technokrat in Hitlers Regierung
Paul Freiherr von Eltz-Rübenach – ein exemplarischer Technokrat in Hitlers Regierung

Paul Freiherr von Eltz-Rübenach – ein exemplarischer Technokrat in Hitlers Regierung

Paul Freiherr von Eltz-Rübenach – ein exemplarischer Technokrat in Hitlers Regierung

„.. ich habe niemals in meinem Leben mit größerer Freude und Genugtuung meinen Dienst getan als unter Ihrer weisen Staatsführung.“ (S. 208) Mit diesem Satz endete das handschriftliche Rücktrittsschreiben von Paul Freiherr von Eltz-Rübenach adressiert an „Mein Führer“ am 30.01.1937. Sein Biograph, der Botschafter a.D. Andreas von Mettenheim, bereichert den Leser mit einem kompakten Band über das Leben und Wirken des Post- und Verkehrsministers (1875-1943). Angesichts der unspektakulären Persönlichkeit des katholischen Ingenieurs und seiner ebensolchen Aufgaben sowie limitierten Quellen bin ich als Rezensent angetan wie viele Erkenntnisse die Biographie bietet und wie mich der Lebensweg eines Eisenbahners zunehmend interessieren konnte.

Die perspektivenreiche Betrachtung und ausgewogene Beurteilung lässt sich als realitätsnaher „sowohl als auch“ Ansatz begreifen, statt eines vermeintlich eindeutigen „entweder oder“. Sie wird dem wenig bekannten Minister weitaus mehr gerecht als eine widerspruchsfreie Eindeutigkeit. Andreas von Mettenheim prägt dafür folgende Formel: „Weder war der Ingenieur ein gewissenloser, moralisch abgestumpfter Technokrat, noch der Minister ein blauäugiger Mitläufer auf hohem Niveau, noch der Katholik ein heimlicher Widerständler noch gar der Uradelige ein Staatssozialist.“ (S. 231) Zugleich, möchte man nach der Lektüre hinzufügen, war Eltz ein antiliberaler Technokrat, ein nationaler Etatist, ein legalistisches Regimemitglied sowie ein Unterstützer der NS-Politik und einer autoritären Gesellschaft, der eine beachtliche Karriere machte: „Eltz war der erste und einzige Minister, dem die beiden Ressorts Post und Verkehr zusammen anvertraut wurden.“ (S. 125) Die Biographie illustriert exemplarisch wie attraktiv das NS-Regime für Technokraten sein konnte.

Erwartungen und Maßstäbe beeinflussen die Lektüre eines Buches. Ich hoffte auf Einsichten im Anschluss an die Habilitationsschrift von Stefanie Middendorf, die die „genuin politische Dimension exekutiver Praxis“ anhand der Geschichte des Reichsfinanzministeriums untersucht hat und eindringlich zeigt „wie die Ministerialbürokratie im Prozess der Staatsbildung selbst regelverändernd, regelbrechend oder regelbildend wirkte.“[1] (S. 28) Die Biografie von Paul Freiherr von Eltz-Rübenach zeigt exemplarisch, wie und warum die Nationalsozialisten in den 30er Jahren reüssierten und dabei gleichsam von Neo-Nationalsozialisten unterstützt wurden. Andreas von Mettenheim gelingt dies als pensionierter Botschafter auf zweierlei Weise: 1. durch einen Staatsdienst erfahrenen Blick hinter die Kulissen, mit einem Gespür für politisch-bürokratische Konstellationen, 2. durch das situationsspezifische, ausgewogene Abwägen und Beurteilen der Handlungssituationen, Zwangslagen und plausiblen Motivationen soweit sie bekannt sind. Während das Reichsfinanzministerium durch die Macht der Ausnahme gekennzeichnet war, deutet der Untertitel „Technokrat, Katholik und Politiker im Kabinett Hitlers“ an, dass es keine einfache Erklärung für das bereitwillige Mitwirken von Eltz im NS-Regime gibt.

Die klassische Biographie schildert chronologisch das Leben eines als feinsinnig, zurückhaltend, sorgfältig gekleidet eher introvertiert und erst später deutlich machtbewusst beschriebenen Freiherrn von Eltz mit einer sehr ernsten Persönlichkeit. Der geborene Rheinländer befürwortete eine konstitutionelle Monarchie, war ein rechtskatholischer Integraler (papsttreu und katholisch rechtgläubig), der sich später antisemitisch verhielt, zum nationalsozialistischen „positiven Christentum“ bekannte und dabei verkannte, wie sehr Hitler und führende Nationalsozialisten nach einer politischen Religion strebten.

Die Weltsicht von Eltz war durch die Eisenbahn und die Gemeinschaft der Eisenbahner mit ihrem Korpsgeist geprägt. Dazu gehörte das „auf einer leistungsbezogenen Hierarchie aufbauende Prinzip unbedingter Loyalität.“ (S. 31) und eine autoritäre, reaktionäre, paternalistisch, antiliberal, dezidiert anti-freiheitlich und „technikgetriebene Modernität“. (S. 32) Eltz durchlief verschiedene Positionen im Eisenbahnmaschinenamt und Eisenbahnzentralamt und qualifizierte sich weiter in einer Ministerialverwendung im Reichsverkehrsministerium. Die in der Weimarer Republik seit 1919 praktizierte Zentralisierung der Eisenbahn entsprach seiner Überzeugung einer wohltuenden Übertragung des „Reichsgedankens auf allen Gebieten des völkischen Lebens“ (S. 34). Acht Jahre lang war er als landsmannschaftlich Fremder erfolgreich Präsident der Reichsbahndirektion Karlsruhe. Im Kabinett von Papen wurde er 1932 Reichspost- und Verkehrsminister und blieb in dieser Spitzenposition bis Anfang 1937. Zuvor hatte Eltz eine doppelte Niederlage in für ihn existenziellen Fragen erlitten: eine Entschärfung des antikonfessionellen Hitlerjugend-Gesetzes nach zweistündigem Gespräch mit Hitler im November 1936 misslang ebenso wie die angestrebte verkehrspolitische Gesamtkonzeption unter dem Primat der Eisenbahn in einem Ministerium.

Die Biographie folgt keiner Theorie, profitiert vom versierten Umgang mit politisch-ministeriellen Konstellationen und vom lebenserfahrenen Anschauen des Menschen und dessen differenzierter Einordnung in Kontexte. Ein Beispiel ist das Kapitel II. Der Minister, Hitler und die Partei (insbes. S. 151)

Technokraten gelten vielfach als rein auf das Fachliche und als richtig angesehene Vertreter von wissenschaftlichem und technischem Wissen. Im Fall des seit 1929 parteilosen Eisenbahnfunktionärs Eltz, dem eine ausgleichende Persönlichkeit nachgesagt wurde und der beruflich einmal als „ehrlicher Makler“ bezeichnet wurde, bedeutet das: Verehrung für Hitler und die Mitwirkung an einer vermeintlich besseren, dezidiert nationalsozialistischen Welt. Die Bahn brauchte sich nicht erst umzustellen, bekannte Eltz in einer Rede 1934. „Sie war dem Nationalsozialismus schon vorausgeeilt.“ (S. 94). Zuvor hatte er auf einem Presseempfang im November 1933 erklärt, dass eine dem Gemeinwohl verpflichtete Bahn dem Gehalt nach ein nationalsozialistischer Grundsatz sei. Eltz warnte dementsprechend vor kapitalistischen Gedanken und vor der „Lockung sogenannter kaufmännischer Grundsätze“ und bekannte: „Das deutsche Verkehrswesen wird … vom Staatsgedanken beherrscht und staatlich geleitet.“ (S. 94) Als Etatist und Nullsummendenker sah der Eisenbahner den Straßenverkehr als Konkurrenz. Als Minister hat er die Rassenpolitik früh durchgesetzt und Kompetenzen für das eigenständige Absetzen von (jüdischen) Aufsichtsratsmitgliedern gefordert. Die antijüdische Beschaffungspolitik der Eisenbahn und diverse antijüdische Alltagspraktiken der Bürokratie des Verkehrsministeriums bedeuteten indes keine Vorreiterrolle.

Wer das Buch als zeitlose Mahnung begreift, nicht unbedarft auf Technokraten zu blicken, liegt sicherlich nicht falsch. Gleichwohl dürfte es Andreas von Mettenheim um mehr gegangen sein, darunter die Person Eltz, insbesondere als Minister, sein Handeln und die dem zugrundeliegenden Konstituanten zu erhellen. Das ist bis zur lehrreichen Schilderung der Briefmarkenpolitik als Propagandamittel (S. 130ff.) überaus gelungen.

Zusatz: Das E-Book ist sehr gut lesbar und könnte mehr Funktionen besitzen. Dennoch besteht ein substanzieller Unterschied zu handfesten Büchern, zumindest für den etablierten Leser und Freund von Bleistiftkommentaren bei der griffigen Lektüre.

Michael von Prollius

Andreas von Mettenheim: Paul Freiherr von Eltz-Rübenach. Technokrat, Katholik und Politiker im Kabinett Hitlers, (Zeitgeschichtliche Forschungen Bd. 65), Berlin 2023, 252 S, 29,90.

[1] Stefanie Middendorf: Macht der Ausnahme. Reichsfinanzministerium und Staatlichkeit (1919-1945), (Das Reichsfinanzministerium im Nationalsozialismus Band 5), De Gruyter Oldenbourg, Berlin, Boston 2022.