Über die erhellende Fähigkeit ökonomisch zu denken
Über die erhellende Fähigkeit ökonomisch zu denken

Über die erhellende Fähigkeit ökonomisch zu denken

Ein leidenschaftliches, Mut machendes Plädoyer für Ökonomie und Liberalismus hat Peter Boettke veröffentlicht, in seiner Funktion als Senior Fellow des American Institute for Economic Research in Great Barrington (Massachusetts).

Economics lässt sich mit Wirtschaftswissenschaft, Volkswirtschaftslehre, politische Ökonomie oder einfach Ökonomie übersetzen. Alle vier Bezeichnungen decken einen Teil des ökonomischen Verständnisses ab, dessen vier Säulen für Boettke sind: Truth and Light, Beauty and Awe, Hope, Compassion. Der Doyen der Österreichischen Schule in den USA lehrt als Professor an der George Mason University und ist einer der produktivsten liberalen Wissenschaftler. Das gut lesbare Buch wird getragen von der Absicht und Notwendigkeit, jeder Generation erneut die grundlegenden Einsichten von (liberaler) Ökonomie vermitteln zu müssen. Leider versagen große Teile der intellektuellen Klasse seit dem 19. Jahrhundert dabei, eben die fundamentalen analytischen, historischen und philosophischen Einsichten der Ökonomie zu begreifen. Und schlimmer für die Bürger, die Eliten verstoßen permanent dagegen.

Die Fähigkeit, sauber ökonomisch zu denken, bringt Licht ins Dunkel und – möchte man hinzufügen – in vielerlei Mauscheleien, die alltäglich im politischen Halbdunkel vollzogen werden. Ökonomik verleiht die Fähigkeit, Sinn zu stiften in nahezu allen menschlichen Aktivitäten und durch den Gebrauch von Theorien die nicht für sich sprechenden Daten und Fakten zu interpretieren. Ökonomie ist ein Werkzeug für ein besseres soziales Verständnis.

Gute Ökonomie tut das Gegenteil von Politik, konzentriert nämlich die Kosten bei den Entscheidungsträgern und verteilt die Vorteile unter den Konsumenten. Weil das so ist, geraten gute Ökonomie und gute Politik in einen Konflikt. Die erste Regel der Ökonomie ist: Wir leben in einer Welt von Knappheit. Die erste Regel der Politik ist es, diese ökonomische Regel zu leugnen.

Ökonomisches Verstehen ist ein Werkzeug sozialer Kritik, für die Bewertung verschiedener Politiken und deren Ergebnisse, die alle Menschen betreffen, nicht nur die wenigen, die von den Versprechungen profitieren sollen.

Peter Boettke versteht es, Ökonomie und ökonomisches Denken von den Vorwürfen kalt oder schmerzhaft zu sein, zu befreien und als wunderschön, lebensbejahend, als einen abenteuerreichen Weg zu prosperierenden offenen Gesellschaften darzulegen. Dazu gehört die Erinnerung an das Wesen des Liberalismus als eine Befreiung von Unterdrückung. Liberalismus war und ist ein Emanzipationsprojekt, das den Wert und die Bedeutung menschlicher Kooperation in seinen Mittelpunkt stellt. Liberalismus ist in diesem Sinne Humanismus.

Dazu greift Boettke auf die zeitlosen Erkenntnisse großer politischer Ökonomen zurück, darunter Mises, Hayek, Knight, Buchanan, Tullock, Ostrom, Smith, Mill, Hume. Er erläutert die herausragende Bedeutung von Institutionen. Elitenkritik und Populismus sind keine Lösungen für institutionellen Probleme, die institutionelle Lösungen benötigen. Marktwirtschaft und Gesellschaft bieten erforderliche Lösungen in Hülle und Fülle. Leider kommen diese durch einen internalisierten Primat der Regierung viel zu wenig zum Zuge.

Ökonomisches Denken ist kontra-intuitiv, zugleich analytisch und systemisch. Das zeigt sich nicht erst in den lesenswerten Abschnitten zur Bürokratie und zum sowjetischen Sozialismus.

Seitdem die Menschheit Marktwirtschaft und marktwirtschaftliche Institutionen nutzen kann, entkommen die Menschen überall den Grenzen des Wachstums, des Hungers und Elends. Das stiftet Hoffnung für Millionen, letztlich Milliarden Menschen, weil so die kreativen Kräfte einer freien Zivilisation entfesselt werden. Hilfe besteht vor allem in gegenseitiger Selbsthilfe als produktiver Austausch. Ökonomisches Wachstum ist schon allein deshalb ein moralischer Imperativ.

2016 lebten erstmals weltweit weniger als 10 % der Menschen in absoluter Armut. Seitdem hat sich die Lage durch politisch induzierte Krisen und weniger Marktwirtschaft respektive ökonomische Freiheit wieder verschlechtert.

“The Four Pillars of Economic Understanding” ist auch ein persönliches Buch. Es besteht aus gut zusammen gefügten Texten die als Kolumnenbeiträge und Reden entstanden sind und eine kleine (intellektuelle) Bilanz zum 60. Lebensjahr des Autors bilden:

„It conveys the hope that entrepreneurship offers for the discovery of new and fascinating products and the implementation of new rules of social interaction which enable productive specialization and peaceful social cooperation. It does so with a sense of deep compassion for the least advantaged, who most benefit from the unleashing of economic forces to alleviate extreme poverty, and raises the material standards of living of people. Economic freedom brings with it progress and peace.“

Peter J. Boettke: The Four Pillars of Economic Understanding, American Institute for Economic Research, o.O. 2020, 184. S., 14,91 Euro.