Alexander Neubacher: Total beschränkt. Wie uns der Staat mit immer neuen Vorschriften das Denken abgewöhnt, DVA München 2014, 303 S., 19,99 Euro (Taschenbuch 9,99 Euro).
246.944. Das ist die Zahl der Bundesvorschriften, die die Bürger beachten und einhalten müssen. Diese Zahl haben Fachleute des Bundesjustizministeriums ermittelt. Vor zehn Jahren schrieb Wieland Kurzka noch seinen „Paragraphenrausch“ auf der Grundlage von 80.000 Vorschriften. Niemand dürfte indes die korrekte Zahl kennen. Allerdings enthüllt der Spiegel-Journalist Alexander Neubacher den Irrsinn, den Regulierungsneurotiker bereits verursacht haben. Die damit verbundene Folge ist ein politisch betreutes Dahindämmern der Bürger. Als Leser wird man einerseits informiert und unterhalten, andererseits macht sich Empörung breit über die Anmaßung, mit der Politiker und Bürokraten aus Deutschland und Europa einen Vorschriftenverhau errichtet haben. Besonders erfreulich ist, dass ein (Spiegel-) Journalist sich so konsequent für die Freiheit und die Bürgergesellschaft engagiert. Gleich drei Werke von Mises finden sich im Literaturverzeichnis.
Gefallen haben mir nicht zuletzt die Schilderungen über die irrationalen Umweltängste der Ökochonder, den Moralismus, eigentlich Fundamentalismus, der Anstandsmenschen, und die Rückführung des Veggie Days auf die Nazis. Indes lässt sich staatliches Nudging niemals gut heißen, anders als eine Anwendung derartiger Stups-Methoden im Privaten, etwa durch Unternehmen. Der Staat ist keine Erziehungsanstalt, auch nicht in einer milderen Form.
Nach der Lektüre der irren Vorschriften, eine Art Wall of Shame im Anhang listet 77 besonders abstruse auf, stellt sich die Frage: Wie ist das alles möglich? Die Antwort bietet Mises in seinem Werk „Bürokratie“. Ins Journalistische übertragen: Trottelbürger und Sicherheitsstaat gehören zusammen. Der beschriebene Enthaltsamkeits- und Sittlichkeitsstaat, der Kontrollstaat und der staatliche Paternalismus bilden eine Einheit. Irre Vorschriften sind keine Verschwörung, sondern spiegeln wider, was die Bürger inzwischen von der Politik verlangen und bereits sind, zu erdulden.