Wirtschaftspandemie: Unsicherheit reduzieren
Wirtschaftspandemie: Unsicherheit reduzieren

Wirtschaftspandemie: Unsicherheit reduzieren

Zwei Gedanken beschäftigen mich.

Zunächst ist das die Regime Uncertainty als wesentliche Ursache der Großen Depression.

Robert Higgs, amerikanischer Ökonom, Wirtschaftshistoriker und langjähriger Herausgeber des Independent Review, hat schlüssig begründet wie Präsident Roosevelt mit seiner wirtschafts- und insbesondere unternehmerfeindlichen Politik die Wirtschaftskrise von 1929 in ein Desaster überführt hat, das eine Dekade währte.

Der New Deal war das Problem und nicht die Lösung, vor allem wegen fortwährend autoritärer Agitation gegen Unternehmen. Die große Unsicherheit über die wirtschaftspolitische Zukunft verhinderte eine Rekonstruktion. Parallelen fallen ins Auge, vom grassierenden Antikapitalismus vor der Corona-Krise über flächendeckende Verbote wirtschaftlicher Tätigkeiten derzeit bis zur Unklarheit, welche Strategie die Regierung verfolgt und welche Folgen das für Bürger, Konsumenten, Unternehmer und Angestellte hat.

Der zweite Gedanke entspringt einem Zitat: „Unsicherheit vergrößert Distanzen, diese steigern die Unsicherheit.

Der Ausspruch stammt von Michael Marie Jung, von dem es mehr als ein Dutzend Aphorismen Bücher gibt. Als Berufsbezeichnung wird u.a. Wortspieler angegeben, was sehr sympathisch klingt und zusammen mit Hochschullehrer und Führungskräftetrainer für einen munteren Dreiklang sorgt.

Nur wenige Menschen dürften Unsicherheit als Chance begreifen – „Wat de Buer nich kennt, datt fret he nich“ – und schon gar nicht diejenigen, die investieren, aufbauen, Werte schaffen wollen. Auf Unsicherheit, insbesondere hinsichtlich Dauer und Ausmaß (wiederholter) staatlicher Lock-down-Politik, dürfte vielfach mit Zurückhaltung reagiert werden, solange bis mehr Klarheit herrscht und Unsicherheit Beständigkeit weicht.

Unsicherheit vergrößert insofern den Abstand zum wirtschaftlichen Handeln, reduziert möglicherweise aber auch die Distanz zum Staat mit seinem noch üppigen, dennoch unzureichenden Geldhandreichungen. Die wesentliche Aufgabe des Staates ist es indes, für Sicherheit zu sorgen, allen voran für Leib, Leben und Eigentum.

In der Corona-Krise möchte ich auf drei Unsicherheitsfelder eingehen: die diffuse Informationsgrundlage, die unklare Strategie, auch zeitlich, und schließlich die langfristige Unsicherheit für Politik, Wirtschaft und Gesellschaft.

1. Die Informationsgrundlage für die weitreichenden staatlichen Eingriffe in Wirtschaft und Gesellschaft, also in das alltägliche Leben aller Bürger, ist erkennbar unzureichend und muss substanziell verbessert werden.

Gravierende Mängel sind:

    • mangelnde Qualität und Einheitlichkeit der verwendeten Corona-Zahlen in Deutschland. Saubere Daten und klar definierte Kennziffern sollten für alle Gesundheitsämter und Kliniken die Meldegrundlage bilden.
    • mangelnde rechtzeitige und kontinuierliche Meldung solider Zahlen 24 Stunden und sieben Tage die Woche. Etablierte Unternehmensberatungen könnten z.B. ein professionelles Meldesystem aufbauen, das nicht von gewöhnlichen Arbeitszeiten der Bürokratie beeinträchtigt wird.
    • mangelnde Klarheit bzw. Kenntnis im Umgang mit R und anderen Kennziffern. Die Ergebnisse hängen von den jeweils getroffenen Modell-Annahmen ab. Das Nutzen von Kennziffern und Statistiken ist stark verbesserungswürdig, nicht zuletzt durch Politiker, die allerdings erst am Ende der Zahlenketten stehen. Bedenkenswerte Hinweise bietet dieser Artikel zur fehlenden wissenschaftlichen (statistischen) Begründbarkeit der ergriffenen Maßnahmen (Dank an RP!).

Zur Verbesserung der Informationsgrundlage dürfte mit Blick auf die nächste „virologische Welle“ ein Informations- und Lagezentrum erforderlich sein.

Unerlässlich ist zudem eine multiperspektivische Betrachtung der Corona-Krise. Es geht bekanntlich nicht nur um Gesundheit, sondern um viele andere Themen mehr. Komplexe Systeme lassen sich nur verstehen, wenn man die Komplexität auch erfasst und bearbeitet (Es gilt Ashby‘s Law of requisite variety).

2. Die Perspektive für das Handeln von Unternehmern und Konsumenten muss durch größtmögliche Klarheit gekennzeichnet sein. Das setzt eine Strategie der Regierung voraus, deren fortlaufende Überprüfung, klare Prinzipien und aussagekräftige Indikatoren.

Ein Beispiel: Es reicht nicht aus, einen Maskenzwang zu verordnen. Vielmehr muss laufend die Tauglichkeit des Maskenzwangs untersucht werden, um den Grad der Zielerreichung zu überprüfen. Ist die Zahl der Ansteckungen ursächlich rückläufig? Ist sie relevant? Darüber hinaus sind Aufwand und Folgen zu beurteilen. Dazu gehören mögliche unbeabsichtigte schädliche Folgen wie ein Anstieg von Haut- und Atemwegserkrankungen durch Schwitzen und langes Einatmen überhöhter CO2-Werte.

Mehr Sicherheit für zukünftiges Handeln ist eine bedeutende Voraussetzung für eine Annäherung an normale wirtschaftliche und gesellschaftliche Verhältnisse sowie das Erwägen von Alternativen.

Einige Beispiele: Viele Gastronomiebetriebe, insbesondere die, die auf Touristen angewiesen sind, lohnen sich angesichts längerer Einschränkungen nicht mehr wie sie sich für 2020 abzeichnen und würden (besser) aufgegeben werden. Ausgesetzte Mieten können nicht aus dem reduzierten Geschäft nachgezahlt werden.

Kapital ist nicht einfach flexibel und lässt sich nicht beliebig von einer Branche in eine andere transferieren. Kapital ist mit Wissen verknüpft und Wissen ist regelmäßig branchenspezifisch geprägt.

Langfristige Flugverbote verändern bereits innerhalb von Europa die Reisemöglichkeiten sowohl für Touristen als auch für Geschäftsleute. Internationale Wertschöpfungsketten benötigen Wartung, der Maschinen- und Anlagenbau, eine deutsche Stärke, intensive Reisetätigkeiten von der Anbahnung über die Realisierung bis zur Wartung.

Der Konsum, insbesondere langlebiger Güter, wird durch die erwartete Dauer einer angeordneten Wirtschaftsstagnation beeinflusst. Wer kauft sich ein neues Autos oder eine neue Küche, wenn die wirtschaftlichen Aussichten ungewiss sind?

3. Die Unsicherheit über die Entwicklung problematischer Wohlstandsprofiteure erscheint als vergleichsweise positive Perspektive.

Derzeit ist es wenig wahrscheinlich, dass Parteien wie die sogenannten Grünen, Lobbygruppen wie Fridays for Future und ökologistische Vereine dieselbe Aufmerksamkeit genießen werden, wie noch in der Zeit der Hochkonjunktur.

Wo Wohlstand erst wieder erarbeitet werden muss, bleibt weniger für die Rettung der Welt vor dem beschworenen Untergang in ein paar Jahrzehnten oder Jahrhunderten.

Zudem werden die Steuereinnahmen drastisch sinken, während die Staatsverschuldung durch den dramatischen Anstieg weniger Spielräume lässt.

Folgen wir Annahmen über die Bewältigung der Krise binnen zehn Jahren, so steht damit auch die Energierevolution zur Diskussion. Weiter erhöhte Strompreise sind in Deutschland für viele Haushalte nicht bezahlbar, Batterieautos konnten nur mit üppigen Subventionen und Privilegien abgesetzt werden. Massenhaft Arbeitslose und Wohlstandsverlierer werden nicht Klimaretter wählen, sondern diejenigen, die ein Aufschwungprogramm für die Wirtschaft konzipieren, das sehr einfach sein kann – mit den Worten von Henry Hazlitt:

Als Alexander der Große den Philosophen Diogenes besuchte und fragte, ob er etwas für ihn tun können, soll Diogenes geantwortet haben: ‘Ja, steh ein bisschen weniger zwischen mir und der Sonne’. Das ist es, was jeder Bürger berechtigterweise von seiner Regierung fordern kann.

Fazit

Eine herausragende Aufgabe der Regierung ist es, Unsicherheit zu reduzieren, insbesondere die von ihr selbst zu verantwortende. Das betrifft sowohl die staatliche Informationsgrundlage für Entscheidungen als auch die staatlich gesetzten Rahmenbedingungen für das Handeln der Bürger, gerade wenn sie Unternehmer und Konsumenten sind. Gelassen lässt sich die Unsicherheit betrachten, die die politische Zukunft radikaler Parteien und Gruppen betrifft, darunter die Grünen.

Als Leitgedanke mögen folgende Zeilen dienen, deren Urheber mir nicht bekannt ist:

Es erfordert mehr Mut, seine Unsicherheit zu zeigen, als sie zu verbergen, Es erfordert mehr Stärke, sich auf Menschen einzulassen, als sie zu beherrschen, mehr Männlichkeit, nach wohldurchdachten Prinzipien zu leben, statt automatisch zu reagieren. Der wirklich starke Mann zeigt sich im seelischen und spirituellen Bereich, nicht im Muskelspiel und in unreifem Denken.