Das Wirtschaftssystem der Nationalsozialisten
Das Wirtschaftssystem der Nationalsozialisten

Das Wirtschaftssystem der Nationalsozialisten

Meine Bücher. Einsichten. #2

Das Wirtschaftssystem der Nationalsozialisten

Mein zweites Buch habe ich auf dem Fahrrad, auf dem Fußboden und im Dunkeln geschrieben. Das Cover ist nicht deshalb schwarz, sondern dem Thema entsprechend gestaltet. Abgebildet ist eine Szene aus der Ausstellung „Gebt mir vier Jahre Zeit“, Berlin 1937, mit Hitler in der linken oberen Ecke.

Den Titel habe ich sehr bewusst gewählt: „Das Wirtschaftssystem“ ist nicht nur ein Begriff, sondern enthält zugleich die systemische Perspektive, die ich verwende, und „der Nationalsozialisten“ zielt auf die Akteure, die eine zentrale Rolle für die Entstehung, Entwicklung und Erklärung spielen. Mit den drei E sind zugleich meine drei erkenntnisleitenden Themen benannt. Wie ist das Wirtschaftssystem entstanden, wie hat es sich entwickelt und wie lässt die Funktionsweise mit Theorien und Modellen erklären?

Entstehen konnte die Dissertation dadurch, dass ich zwei separate Studiengänge teils parallel, teils sequentiell studiert habe. Saß ich morgens in der Freien Universität Berlin um 8.15 Uhr bei den Wirtschaftswissenschaften und hörte eine Vorlesung über Systemtheorie bei Prof. Georg Schreyögg, folgte anschließend um 10.15 Uhr eine Vorlesung über die attische Demokratie bei Prof. Volker Fadinger am Friedrich-Meinecke-Institut, ich hatte bereits eine Seminararbeit über das Funktionieren ihrer Institutionen geschrieben. Abends fand ein Colloquium bei Prof. Ludolf Herbst an der Humboldt Universität statt. Während ich in einer Vorlesung und in einem Seminar zum Nationalsozialismus saß, gingen mir insbesondere wirtschaftswissenschaftliche Theorien und Modelle durch den Kopf. Daraus formte sich beim Fahrradfahren und mit zahlreichen Karteikartenstücken auf dem Boden meiner Einzimmerwohnung mit Balkon allmählich ein Modell. Mein Ziel war es, Akteure und Strukturen, Institutionen und Ideologien zu verbinden. Der Untertitel gibt das Ergebnis wieder: Steuerung (das ist die Koordinationsperspektive) durch emergente (das ist die Mischung aus geplanten und ungeplanten Entwicklungen) Organisation (das wird institutionell und funktional analysiert) und Politische Prozesse (das sind Entscheidungsmuster).

Mir hat die Untersuchung sehr viel Freude bereitet, wenn auch enorm viel Kleinarbeit damit verbunden war, gerade dann, wenn es in Lichterfelde völlig ruhig geworden war. Die Organisationsperspektive eröffnet einen vielleicht noch immer unterschätzten dritten Pfad zwischen Markt- und Planwirtschaft.

Die Arbeit, entstanden 1998/99 bis 2000, erschienen Anfang 2003 im Schöningh Verlag bietet noch heute Anregungen für mein Denken über autoritäre Systeme. Das Modell lässt sich auch auf andere Phänomene anwenden und anpassen.

Meine Magisterprüfung begann mit der Frage, ob ich nicht mehr aus meiner Magisterarbeit zu eben dem Thema machen wolle. Ich sehe mich gleichermaßen überrascht und erfreut in der Hittorfstraße bei den Wirtschaftshistorikern sitzen. Es wurde dann viel mehr und etwas völlig Neues. Das Ergebnis hat die Gutachter und die Mitglieder der Disputationskommission sehr überzeugt, was mich gerade einmal wieder lächeln lässt. Zumal die Disputation recht munter war – Akademiker können richtig streiten.

Der interdisziplinäre, primär qualitative Ansatz ließe sich mit modernsten Methoden noch einmal ganz frisch angehen.