Entscheidungen fällen unter Unsicherheit
Entscheidungen fällen unter Unsicherheit

Entscheidungen fällen unter Unsicherheit

Entscheidungen fällen unter Unsicherheit

Das ist unser Alltag: Entscheidungen fällen unter Unsicherheit. Erfolgreiche Unternehmer fällen Entscheidungen, die vorteilhaft für das Unternehmen, die Mitarbeiter und vor allem die Kunden sind.

Besonders herausgefordert unter Unsicherheit Entscheidungen zu treffen ist und waren im Pandemie-Jahr Politiker und Bürokraten – kurz: der Staat. Die Performance ist schlecht. Dabei gibt es Hilfsmittel (wie im Beitrag zs. mit Johannes Bachmann skizziert: Unsicherheiten mithilfe von Was-Wäre-Wenn-Szenariotechniken reduzieren)

In “Radical uncertainty. Decision-making for an unknowable future” haben John Kay und Mervyn King das Thema aus verschiedenen Perspektiven bedacht.

Besonders gut gefällt mir der Einstieg mit einem Hayek-Zitat aus seiner Nobelpreisrede:

„I prefer true but imperfect knowledge, even if it leaves much indetermined and unpredictable, to a pretence of exact knowledge that is likely to be false.“

Wenn man eine Botschaft aus dem facettenreichen Buch mitnehmen möchte, dann vielleicht die: Radikale Unsicherheit umgibt uns viel öfter als uns bewusst ist. Im Umgang damit gibt es keine einfachen Antworten. Die wesentliche Aufgabe besteht darin, die Unsicherheit und das, was dahinter steht, zu verstehen. Eine robuste Strategie und eine gute Erzählung helfen bei der Bewältigung.

Radical Uncertainty

John Kay war von 2003-2013 Gouverneur der Bank of England, der englischen Zentralbank, und ist derzeit Prof. für Wirtschaft und Recht an der New York University und der London School of Economics. Angesichts der tief gehenden Überlegungen steht unweigerlich die Frage im Raum, ob der oberste Zentralbanker sich entsprechend verhalten hat.
Mervyn King ist Ökonom, Publizist und derzeit Fellow am St. John‘s College Oxford, wo er u.a. zuvor  lehrte. Zudem war er Direktor mehrerer Staatsunternehmen.

Denkanstöße

  • Radikale Unsicherheit sei allgegenwärtig, schwer zu handhaben und lasse sich kaum quantifizieren – anders als Risiko, z.B. die Wahrscheinlichkeit eines Ausbruchs von Covid-19 in China bevor die Infektion bekannt war.
  • Menschen streben nach Sicherheit. Wir sollten indes nicht vorgeben mehr zu wissen als es tatsächlich der Fall ist.
  • Experten glauben mehr zu wissen als es tatsächlich der Fall ist. Eine der wichtigsten, vernachlässigten Antworten laute: Ich weiß es nicht. Radikale Unsicherheit bedeute: Wir wissen es nicht und wir können es nicht wissen. Lösbare Unsicherheit zeichne sich durch Kalkulierbarkeit und die Möglichkeit aus, nachzuschlagen, also das Wissen irgendwo in dokumentierter Form zu finden.
  • Politiker wälzen Entscheidungen gerne auf Experten ab, sollten stattdessen besser selbst gründlich nachdenken. Gute Entscheider hören zu, sammeln Fakten und bilden erst dann eine vorläufige Einschätzung, die sie jederzeit zu hinterfragen bereit sind.
  • Die Schlüsselfrage bei radikaler Unsicherheit laute: „What‘s really going on here?“

Zutreffend und in den letzten Jahren zunehmend thematisiert, auch in der Wirtschaft. Dem Menschen fällt es hingegen schwer, in Wahrscheinlichkeiten zu denken. Stattdessen legen sich Menschen Narrative zurecht. Das entspricht dem Menschen, der sich sich seit den ersten Lagerfeuern Geschichten erzählt. Das hilft aufgrund der Vereinfachung, der Verengung der komplexen Welt und besonders im Fall radikaler Unsicherheit über künftige Entwicklungen gerade nicht. Vielmehr schadet es.

Noch mehr Denkanstöße und Erkenntnisse

  • Menschen optimieren nicht, sondern reagieren auf etwas, und sie handeln nicht irrational.
  • Rätsel haben eine richtige Lösung, Geheimnisse nicht. Daher sei zu fragen, was dort vorgehe.
  • Dass etwas vage sei, liege nicht unbedingt an der Argumentation, sondern am zukünftigen Zustand, der nicht binär sei und damit auf begriffliche Schwierigkeiten stoße (arm, reich – warm, kalt).
  • Statistik sei geeignet für stationäre, gleich bleibende Tatsachen. Hinzu kämen strukturelle statistische Prognoseprobleme (Bsp. bei der Krebsvorsorge u.a. die falschen Positiven).
  • Computer seien nicht in der Lage, „große Welt Herausforderungen“ zu lösen, also etwa Untersuchungen zu komplexen Phänomenen mit radikaler Unsicherheit zu unternehmen und differenziert zu beantworten.

Bewertung: John Kay und Mervyn King haben ein perspektivenreiches, an Narrativen überreiches Buch geschrieben. Sie bieten viele Ansatzpunkte für tiefes Nachdenken. Insgesamt erscheint mir die Abhandlung zu umfangreich und zu kreisend oder zu mosaikhaft. Dennoch lässt sich gerade dem Gespräch mit Russ Roberts auf Econtalk viel abgewinnen, Die Einsichten der beiden zeugen von tiefem Nachdenken.

Literatur: John Kay und Mervyn King: Radical uncertainty. Decision-making for an unknowable future, Bridge Street Press, London 2020, 528 S.