Das kalte Herz des Kapitalismus – eine Rezension
Das kalte Herz des Kapitalismus – eine Rezension

Das kalte Herz des Kapitalismus – eine Rezension

Gastbeitrag von Maximilian Tarrach

In Werner Plumpes Monumentalwerk „Das kalte Herz des Kapitalismus: Die Geschichte einer andauernden Revolution“, erschienen 2019 im Rowohlt-Verlag, entwickelt er eine Weltgeschichte mit unerhörtem Sprengstoff. Dieses Buch ist dafür gemacht, die linke, marxistische bis sozialdemokratische Geschichtsschreibung zurückzuweisen und alle wuchernden antikapitalistischen Vorurteile zu widerlegen.

Werner Plumpe ist eine herausragende Figur seines Fachs. Von vielen als antiquiertes Nebenfach abgetan, fristet die Wirtschaftsgeschichte in Deutschland meist ein Schattendasein. Plumpe rückt sie in das richtige und verdiente Rampenlicht.

Wie der große Ökonom Ludwig von Mises einst in seinem Spätwerk mit dem gleichen Titel herausstellte, braucht ein guter Akademiker beides: Theorie und Geschichte. Ohne das Studium der Geschichte können wir keine Erdung unserer Weltsicht erhalten. Nur im Spiegel der Erfahrungen der Vergangenheit sehen wir klar und deutlich.

Durch die schiere länge und überwältigende Faktenaufzählung wird den meisten Lesern Plumpes Kernbotschaft wohl entgehen: Dass alle Vorurteile gegenüber dem Kapitalismus falsch sind.

Weder begann der Kapitalismus als eine Ausbeutergesellschaft von Kapitalisten, Plumpe zeigt, dass sich der Kapitalismus im engeren Sinne aus den Handelsgesellschaften der Frühen Neuzeit entwickelte und von Anfang an im Dienste der Konsumenten und vor allem der wenig betuchten Konsumenten stand.

Auch bildeten die „Kapitalisten“ mitnichten eine geschlossene Kaste, die „den Arbeitern“ gegenüberstand. Die ersten Unternehmer rekrutierten sich sogar vermehrt aus der Unterschicht und dem aufstrebenden Handel und zerstörten damit die alte Ständeordnung.

Noch stimmt nach Plumpe die weitverbreitete Mär, es brauche einen planenden starken Staat, damit der Markt überhaupt funktioniere. Das beste Gegenbeispiel bildet die bisher ungehemmteste Periode des Kapitalismus: Das 19. Jahrhundert.

Hier zieht sich der Staat aus der Wirtschaftsplanung zurück und trotzdem prosperieren die Gemeinwesen in ungekanntem Ausmaß: Wirtschaftlich, wissenschaftlich und kulturell. Eine Blüte der spontanen Ordnung nach Hayek entfaltet sich, die gerade durch den geringen Einfluss der politischen Sphäre gekennzeichnet ist.

Die Krisen des Kapitalismus, so zeigt Plumpe des Weiteren auf, sind meist nur von kurzer Dauer, haben spezifische, strukturelle Gründe und können die Grundfesten des Kapitalismus nicht erschüttern: Die freie Preisbildung und die Schaffung von Kapital- und Konsumgüter durch Unternehmer.

Plumpe ist ein Geniestreich gelungen. Er zieht in seinem Buch die Summe aus einer langen Forschungstätigkeit. Die Sätze sind geschliffen, gespickt mit scharfen Pointen gegen seine intellektuellen Gegner, die er nie wirklich in Erscheinung treten lässt. Eine Nebenbemerkung reicht aus, um ihre fehlerhaften Gedankengänge zu entlarven.

Doch auf der anderen Seite bleibt Plumpe ein typisch deutscher Akademiker: er versteckt sich hinter Fakten und Zahlen, möchte nicht ideologisch gelesen werden, obwohl das bei diesem Thema natürlich unumgänglich ist.

Die Fakten und die Interpretation der Geschichte haben direkten Einfluss auf unser Weltbild und damit auch auf unsere Weltanschauung.

Natürlich ist es nobel, dass Plumpe ein wertfreier Wissenschaftler sein möchte. Doch sind so viele Missverständnisse und Lügen von linker Seite im Laufe der Zeit über den Kapitalismus erfunden und in Umlauf gebracht worden, dass schon die Widerlegung dieser Fakten zu einem politischen Statement wird.

Plumpes „Kaltes Herz“ ist ein Standardwerk für jeden, der sich ernsthaft mit der Geschichte des Kapitalismus beschäftigen möchte. Es handelt sich um einen Steinbruch für weitere Forschungsfelder.

Plumpes Titel verweist auf das gleichnamige Märchen von Wilhelm Hauf, in dem ein armer Köhler sein Herz bei einem Waldgeist gegen viel Geld eintauscht und von nun zwar an erfolgreich ist, aber nur noch ein Herz aus Stein besitzt.

Es handelt sich um den Kern jeder Kapitalismuskritik: die Idee, dass der Kapitalismus und das Geldwesen eine kalte Ordnung bilden, die der wahren Menschlichkeit widersprächen. Nur ist gerade diese kalte Ordnung für den Massenwohlstand und das Glück so vieler Milliarden von Menschen verantwortlich.

Wer daher Herz gegen Verstand tauscht, wird am Ende beides verlieren. Eine Ordnung kann nur auf rationalen Grundlagen errichtet werden, nicht auf gutgemeinten Gefühlen. Plumpe zeigt uns, wie komplex der Kapitalismus ist, und wie er sich zu allen Zeiten stets weiterentwickelt hat, wie er bereits mehrere Häutungen überlebte.

Die Kälte gegenüber den kurzfristigen Gefühlen und Wünschen der Menschen erweist sich hier sogar als ein Vorteil. Dadurch konnte sich der Kapitalismus in allen Kulturen, Ethnien und Weltgegenden verbreiten, unter ganz unterschiedlichen politischen Vorzeichen.

Wer schon nicht lernt, den Kapitalismus zu lieben, der wird zumindest faszinierter auf ihn schauen als vor der Lektüre von Werner Plumpe, die trotz der Kälte des Materials hiermit wärmstens empfohlen ist.

 

Quelle: Die Rezension zuerst erschienen auf der Homepage von Maximilian Tarrach “Philosophie neu denken” und dort in seinem Blog. Schauen Sie doch öfter mal auf seiner Seite vorbei.