Geschichtslektion Reichsbank – Zentralbanken auf gefährlichem Kurs
Geschichtslektion Reichsbank – Zentralbanken auf gefährlichem Kurs

Geschichtslektion Reichsbank – Zentralbanken auf gefährlichem Kurs

Zentralbanken wiederholen die Fehler der Vergangenheit – Reichsbank als abschreckendes Musterbeispiel – Unabhängigkeit von Zentralbanken zweifelhaft

Die Unabhängigkeit der EZB ist gesetzlich festgeschrieben. Ihre Mitglieder dürfen keine Weisungen der EU und ihrer Mitgliedstaaten entgegennehmen. Technokraten sollen als neutrale Sachwalter des Gemeinwohls fungieren. Zugleich steht die EZB zu Recht massiv in der Kritik, zugespitzt: als Helfershelfer überschuldeter Staatsführungen und maßloser Finanzinstitute. Ist politische Unabhängigkeit lediglich eine Fiktion? 

Reichsbank 1924

Geschichte, die sich bekanntlich nicht wiederholt, aber reimt, ist die beste Lehrmeisterin mit den schlechtesten Schülern. Die Geschichte der Reichsbank ist ein Lehrstück über einen verdeckten Umbau des Finanzsystems. Die Unabhängigkeit des Reichsbankdirektoriums von der Reichsregierung war gesetzlich verankert. Ein international zusammengesetzter Generalrat sollte das Direktorium und die Geldpolitik überwachen. Das Reichsbankgesetz von 1924 setzte aufgrund der Erfahrung mit der Hyperinflation sowohl der Geldmengenausweitung als auch der Verschuldung des Staates klare Grenzen. Deshalb war die Kreditgewährung an das Reich auf einen Betriebskredit von 100 Millionen Reichsmark (RM) begrenzt. Die Diskontierung und Lombardierung von Reichswechseln war seit 1926 auf eine Höhe von bis zu 400 Millionen RM beschränkt.

NS-Keynesianismus

Krise und Machtwille tragen maßgeblich dazu bei, eine gesetzlich verankerte Unabhängigkeit auszuhebeln. Die Nationalsozialisten strebten für die Ankurbelung der Wirtschaft und die massive Aufrüstung nach unbeschränkten Kredit. Die erste Änderung des Bankgesetzes im Oktober 1933 ermächtigte den Reichspräsidenten, den Reichsbankpräsidenten und die Direktoriumsmitglieder zu ernennen und abzuberufen. Der Generalrat wurde aufgelöst und seine Kompetenzen dem Reichspräsidenten übertragen. Zudem wurde die seit 1931 ausgesetzte Vorschrift aufgehoben, Gold und Devisen im Gegenwert von mindestens 40 Prozent des Notenumlaufs als Reserve zu halten. Das Teilreservesystem wurde durch ein ungedecktes Papiergeldsystem ersetzt. Eine „Deckung“ erfolgte fortan vor allem durch Staatsschulden, d.h. Pfandbriefe und Schuldverschreibungen des Reiches, der Länder und der Kommunen.

Reichsbankchef unterstützt Politik

Reichsbankpräsident Hjalmar Schacht wirkte als Steigbügelhalter für den finanzpolitischen Ritt der Nationalsozialisten auf der Rasierklinge. Sein System der Mefo-Wechsel ermöglichte mittels einer Scheingesellschaft eine Rüstungsfinanzierung durch Kreditschöpfung. Die kurzfristigen Staatsschulden versechsfachten sich binnen 5 Jahren auf 18 Mrd. RM. In einem vertraulichen Memorandum an Hitler brachte das Reichsbankdirektorium am 07.01.1939 angesichts der für Fachleute längst unübersehbar ruinösen Finanzpolitik viel zu spät Bedenken gegen die schrankenlose Kreditausweitung vor und wurde daraufhin abgelöst. Schacht hatte sich verkalkuliert. Der Hinweis auf die Überspannung der Staatsausgaben und die Gefahren kurzfristiger Kredite infolge einer „hemmungslosen Ausgabenwirtschaft“ mit „Staatsfinanzen am Rand des Zusammenbruchs“ hatte die Reichsbank mit zu verantworten. Nur Ausgaben zu tätigen, die durch Einnahmen oder langfristige Kapitalmarktfinanzierung gedeckt sind, wie es die Reichsbankführung Anfang 1939 forderte, gelingt auch heutigen demokratischen Regierungen selten.

Reichsbank wird Reichshauptkasse

Mit dem Gesetz über die Deutsche Reichsbank vom 15.06.1939 wurde die Reichsbank zu einer weisungsgebundenen Reichsbehörde und verlor alle Reste ihrer Autonomie. Sie wurde fortan „nach den Weisungen und unter Aufsicht des Führers und Reichskanzlers … geleitet und verwaltet“. Nach ihrem Selbstverständnis fungierte die Reichsbank fortan als Hauptkasse des Reiches, um die Finanzierung aller Staatsausgaben sicherzustellen. Zugleich beseitigte das Gesetz alle verbliebenen Schranken, die einer exzessiven Geldschöpfung im Wege standen. Formell erfolgte noch die Aufhebung der Goldbindung. Bereits vor Kriegsausbruch war so eine unbegrenzte Geld- und Kreditversorgung der öffentlichen Hand sichergestellt.

Interventionsspirale

Die Inflationspolitik der Nationalsozialisten zeigt auf drastische Weise, wohin eine alternativlose Rettungspolitik führen kann. Eine stetig wachsende Diskrepanz zwischen Geld- und Gütermenge führte auch in NS-Deutschland zu einem künstlichen Boom, begleitet von Währungskrisen; ein bereinigender Bust wurde nicht zugelassen. Als Transmissionsriemen wirkten die Politik des billigen Geldes und eine „sozialistische“, genauer dirigistische Wirtschaftspolitik, die zur Verstaatlichung von Geld, Kredit und Vermögen führte. Rationierungen, Preis- und Lohnstopps sorgten dafür, dass bis weit in den Krieg hinein die Teuerung sich nicht Bahn brechen konnte. 

Zugleich schalteten die Nationalsozialisten sukzessive die Kapitalmärkte aus. Um das Ziel eines reibungslosen Absatzes von Staatspapieren zu erreichen, setzten sie faktisch eine Emissionssperre für alle Arten von Wertpapieren durch. Der Besitzwechsel von Aktien wurde mit Sondersteuern belegt. Termingeschäfte an der Börse waren generell verboten. Auch die Zinssätze an den Kapitalmärkten wurden durch den Staat festgelegt. Das Gesetz über das Kreditwesen vom 5.12.1935 verpflichtete Banken Staatsanleihen zu halten; die Höhe wurde vom Aufsichtsamt für das Kreditwesen festgelegt. Diese Form der geräuschlosen Rüstungsfinanzierung schuf eine Vermögensillusion. Durch die Anlagepflicht in Staatsanleihen wurden die Sparer zu Gläubigern des Reiches über Nacht – ohne es zu wissen. Nominell prall gefüllte Sparkonten waren real weitgehend wertlos, weil das private Kapital in Staatsanleihen eingetauscht werden musste. Dementsprechend hart fiel der Schnitt bei der Währungsreform im Juni 1948 mit 100 zu 6,5 aus.

Monopolistische Zentralbanken sind staatspolitische Akteure

Politische Unabhängigkeit ist eine Fiktion. Das gilt gerade für eine Monopolorganisation, die unkontrolliert und kaum beschränkt, ohne Wettbewerb und Rechenschaftspflicht agiert. Technokraten sind nicht unparteiisch und sie verfolgen eigene Interessen. Zu den zeitlosen Lehren gehört überdies: Überschuldung und Inflation sind siamesische Zwillinge. Privater Konsum kann durch Staatskonsum verdrängt werden. Eine legalistische Umverteilung von den Bürgern zum Staat stellte eine latente Gefahr dar, die weiter wächst.