Hayek im Hotel de Rome
Hayek im Hotel de Rome

Hayek im Hotel de Rome

Hayek im Hotel de Rome

Hayek widmete „The Road to Serfdom“, das zuerst im März 1944 in Großbritannien bei Routledge erschien, bekanntlich den Sozialisten in allen Parteien. 80 Jahre später hielt der sozialdemokratische Bundeskanzler Olaf Scholz den deutschen Vortrag auf der prominent besetzen und besuchten Veranstaltung der Friedrich-August-von-Hayek-Stiftung. Vorangegangen war eine prägnante Einführung von Jens Weidmann, Vorsitzender des Kuratoriums der Stiftung, und ein Vortrag der Ministerpräsidentin von Estland Kaja Kallas. Ihr Vater, ebenfalls Ministerpräsident, hatte das Vorwort zur estländischen Ausgabe von „Der Weg zur Knechtschaft“ beigesteuert. Es folgte ein schwungvolles Interview mit dem Bundesminister der Finanzen Christian Lindner, der augenzwinkernd auf eine Eigentümlichkeit hinwies: Während ein Sozialdemokrat einen Vortrag zu Hayeks Thesen hält, wird der Liberale mit Fragen gegrillt. Der Parteivorsitzende der Liberalen hatte ein Heimspiel, machte es indes auch zu einem Heimspiel.

Hayek war in den Beiträgen immer wieder präsent, vor allem als Stichwortgeber, wich indes zunehmend der Tages- und Krisenpolitik. Das kann als Fingerzeig verstanden werden, nämlich dass politische Theorie prägnante Formeln und knappe Leitsätze benötigt, um in realpolitischen Konstellationen und Konfliktlagen Orientierung stiften zu können.

Jens Weidmann bezog die wechselvolle Geschichte des Veranstaltungsortes auf Wege in und aus der Knechtschaft, erwähnte Ludwig von Mises als Hayeks „großen Lehrer“ und thematisierte, dass in Zeiten multipler Krisen Hayek Orientierung stiften könne.

Kaja Kallas warb mit „Stay. Look. Listen.“ für ein Innehalten, für Geduld, für ein Überprüfen eigener Erwartungen angesichts vergleichbarer Gefahren für Demokratie, Rechtsstaat und Marktwirtschaft 80 Jahre nach dem Erscheinen des Bestsellers. Zugleich müssten die Regierungen die Probleme anpacken – „Getting things done.“ – verantwortungsvoll, transparent und funktional handeln. Sie machte klar, dass es heute um viel gehe angesichts der massiven Bedrohung durch Russland. Dazu zählte sie auch eine gefährliche russische Propaganda-Arbeit, die kritisches Denken und Fähigkeiten im Umgang mit Medien erfordere. Unsere Freiheit werde nicht zuletzt in der Ukraine verteidigt.

Olaf Scholz thematisierte treffend Hayeks Unterscheidung zwischen politischer Theorie und Zwangslagen praktischer Wirtschaftspolitik und präsentierte eine „moderne Angebotspolitik“ mit einem Bekenntnis zum Wirtschaftswachstum und Freihandel, mit Mindestlöhnen und staatlich geleiteter Klimapolitik, das mit einem Wohlstand weltweit für alle im Jahr 2050 auf dem Niveau von mindestens 1950 (der damaligen Industriestaaten), aber nicht mit der Umweltbelastung von 1950 einhergehen solle. Anschließend bilanzierte er werbend und detailreich die Arbeit der Bundesregierung.

Christian Lindner sah in Hayeks Weg zur Knechtschaft eine Mahnung zur Demut, eine Warnung vor der Anmaßung von Wissen und betonte die Interdependenz der Ordnungen – Demokratie und Marktwirtschaft und Rechtsstaat als Einheit. Was würde Hayek zur allgegenwärtigen „Transformation“ sagen, fragte er anschließend. In Richtung Tagespolitik gelenkt wurde er von Heike Göbel einem kleinen Stresstest unterzogen, den er mit kommunikativer Fitness reaktionsschnell und immer wieder humorvoll absolvierte. Das Entdeckungsverfahren von Märkten, auch in der Klimapolitik, zog er weitreichenden Planungen vor. Die Kritik des gerade auf EU-Ebene beschlossenen Lieferkettengesetzes illustrierte er mit drohenden Klagen von US-Rechtsanwaltskanzleien gegen europäische Unternehmen. Selbstbewusst konstatierte er, dass die deutschen Staatsfinanzen „top in Ordnung“ seien, die Schuldenbremse als Staatskonsumbremse fungiere und stattdessen Investitionen befördere. Seinen Äußerungen zur Rentenreform ließ sich entnehmen, dass mit einer bisher unterschätzten Reform ein Einstieg gemacht sei und mehr folgen werde. Mit seiner Unterscheidung von politischen Entscheidungen, die in die richtige Richtung gingen (Staatsverschuldung, Investitionen, Steuerlast und Bürokratieabbau) und mehr und schneller erwünscht sei, setzte er ein Zeichen gegen Politik- und Staatsverdrossenheit.

Was bleibt für und mit Hayek: Knechtschaft droht heute wieder von außen und von innen, wenn auch nicht als Sozialismus. Menschen auf Märkten tun nicht das, was Politiker und Technokraten als beste Lösung identifizieren und in Plänen herunterbrechen. Es braucht Geduld, Demut und einen langen Atem. Im weitesten Sinne liberale Reformen benötigen Zeit und schmerzen zuweilen. Komplexe Probleme benötigen mehr als einfache Versprechen. Die reine politische Theorie kann ein Kompass sein, aber hilft nicht in der komplizierten Realpolitik mit einer Bundesregierung, sechzehn Bundesländern, fast 300 Landkreisen und über 100 freien Städten bzw. Stadtkreisen sowie über 500 Ausländerbehörden. Das Delegieren auf die unteren Ebenen wurde nicht thematisiert, Hayeks Faible für kleine Länder schon. Das ist mindestens ein Subsidiaritätshinweis. Das Ringen um Reformen hat mit ersten Schritten begonnen. Der Weg ist lang und beschwerlich. Ökonomische Freiheit bleibt das offene Erfolgsgeheimnis. Ohne „Rollback“ wird das nicht gelingen. Ein Thema für eine Folgeveranstaltung.