Mehr zyklisches Denken, mehr Systemdenken, mehr Wertschätzen
Mehr zyklisches Denken, mehr Systemdenken, mehr Wertschätzen

Mehr zyklisches Denken, mehr Systemdenken, mehr Wertschätzen

Mehr zyklisches Denken, mehr Systemdenken, mehr Wertschätzen

Bürger sind als Wähler zu schlecht informiert, urteilte Tyler Cowen in einem Gespräch mit Robert Murphy. Der rationale Wähler ist ein gut dokumentierter Mythos. Politiker überschauen regelmäßig nicht die Folgen ihrer Entscheidungen oder nehmen sie billigend in Kauf. Dass sie nicht das Gemeinwohl verfolgen, fällt in schlechten Zeiten stärker auf. Wir alle neigen zu Narrativen, zu einfachem Ursache-Wirkung-Denken. Das spart Energie und sorgt für eine einfache Welt, in der wir uns gut zurechtfinden.

Es gibt nur ein Problem damit: Die Welt ist nicht so einfach. Die Welt ist vielmehr komplex, dynamisch und zeichnet sich vielfach durch emergente Phänomene aus, also nicht geplante Zustände, die mehr als die Summe der Teile sind. Eine Fußballmannschaft ist mehr als die Summe ihrer Spieler. Die Leistungsfähigkeit der Regierung wird durch mehr bestimmt als die Summe der Fähigkeiten ihrer Mitglieder und die Standortqualität D ist u.a. das Resultat vieler verschleppter Probleme.

Es gibt noch ein Problem: Bei Narrativen neigen wir dazu, unsere Sichtweise, unser Narrativ, das sich so stringent, so klug und erhellend anhört, von dem wir überzeugt sind, gegen die Ansichten anderer durchsetzen zu wollen. Und es ist etwas dran, wer das Narrativ bestimmt, ist mächtig. Indes täte uns mehr Wertschätzung, mehr Perspektivenvielfalt, mehr Offenheit für andere Denk- und Sichtweisen gut. Langsamer denken, mehr zuhören gehören dazu.

Eine Alternative zum linearen Denken ist ein zyklisches Denken. Damit meine ich Rückkopplungsgeflechte, die Ökonomen wohl bekannt sind, weil sie nicht nur die intendierten, sondern auch die nicht beabsichtigten, und die langfristigen statt nur die kurzfristigen Folgen von Entscheidungen berücksichtigen lernen. Wer einen Einblick sucht, findet ihn bei Henry Hazlitt: Economics in one lesson. Die Mietpreisbremse ist Ausdruck linearen Denkens, dabei waren die Auswirkungen auf die Bautätigkeit bekannt. Die Verteufelung der AfD ist Ausdruck linearen Denkens, weil dieser Ansatz sowohl attraktivitätssteigernd wirkt als auch mit einer Problemverschleppung einhergeht und damit das Gegenteil von dem bewirkt, was das erklärte Ziel ist.

Ein klassisches Beispiel für das Versagen linearen Denkens ist das Beispiel des Viktoriabarsch. Schlechtes tun in guter Absicht, so könnte das heißen, was unter dem Titel Darwin’s Nightmare dokumentarverfilmt wurde. 35 Nilbarsche, die im Viktoriasee ausgesetzt wurden, um für eine bessere Ernährung zu sorgen, führten eine ökologische, soziale und wirtschaftliche Katastrophe herbei.

Die überlegene Alternative ist zyklisches Denken. Ein wesentlicher Aspekt sind Kausalschleifen. Ein breiterer Ausdruck für zyklisches Denken ist systemisches Denken. Systemisches Denken ist eine umfassendere und distanziertere Art zu Denken, ist Grundlage für explizit Modell basiertes Denken, berücksichtigt systemische Erscheinungen, die als Archetypen bekannt geworden sind.

Hinweise:

  • Eine Einführung mit Basics und verbunden mit Zukunftsdenken – rasch verstehbare Abbildungen inbegriffen: Link
  • Systemdenken eignet sich für die Lösung verwickelter Probleme, auch bei der Softwareentwicklung: Link
  • Eine schrittweise Einführung in Systemdenken mit zunehmender Komplexität, abgebildet in Zyklen, die mit einander verbunden sind, inkl. Peter Senges „Fifth Discipline“: Link
  • Ein kurzer Einblick, warum Systemdenken Schwierigkeiten bereitet: Link
  • Eine graphische Erläuterung wesentlicher Archetypen: Link

Bemerkenswerterweise bietet die britische Regierung ihren Staatsbediensteten eine differenzierte Einführung in Systemdenken mit einem Werkzeugkasten online an. Verfügbar für jedermann: Link.

Ich halte es für sinnvoll, sich mit Systemdenken zu beschäftigen. Bereits das abstrakte Verstehen bietet eine andere Weltsicht, fördert anderes Denken als das Gewohnte. Es reicht bereits, wenn sich eigene Fortschritte allmählich anhäufen und verbinden. Das ist nicht zuletzt eine Chance, dass 2024 (und die nachfolgenden Jahre) anders werden kann, und sei es „nur“ in persönlicher Hinsicht. Das wäre viel wert.

P.S. Zum Einstieg können frühere Beiträge dienen: Denken des Maschinenzeitalters überwinden, auch erschienen in Attack Titans, genauso wie Liberalismus und Ökonomisches Denken. Außerdem mit Schwerpunkt eigener Voreingenommenheiten Vom Wert der alternativen Perspektive.

 

Quelle Beitragsbild: Leyla Acaroglu: Tools for Systems Thinkers: The 6 Fundamental Concepts of Systems Thinking