Mit fossilen Energien gegen den Klimawandel
Mit fossilen Energien gegen den Klimawandel

Mit fossilen Energien gegen den Klimawandel

Mit fossilen Energien gegen den Klimawandel

Der liberale Klima- und Energieaktivist Alex Epstein verbindet ungewohnte Argumente sehr konsequent zu einem Plädoyer für den Einsatz von mehr fossilen Energien. Zusammen mit seiner Kritik an der ökologistischen Position ist sein Vorgehen durch eine geschickte Rhetorik und die Verwendung von Lesern bekannten Fakten gekennzeichnet. Epsteins These lautet: Die globale Erwärmung lässt sich mit dem Einsatz fossiler Energie managen. Mehr Menschen würden besser gegen den Wandel besser geschützt und hunderte Millionen könnten zusätzlich mit dringend benötigter Energie versorgt werden. Der praktizierte zu frühe und zu schnelle sowie zu weit gehende Versuch, auf erneuerbare Energien umzusteigen, koste Millionen Menschen das Leben. (S. 82)

Alex Epstein gehört zu denjenigen, die die Anpassung an den Klimawandel für die beste Strategie halten und dabei die Wohlfahrt der Menschen in den Mittelpunkt stellen. Dazu passend schließt Epsteins Buch “Fossil Future” mit den Worten: „…for eight billion people to live in a nourishing, safe, opportunity-filled world … we need more oil, coal, and natural gas, not less.“ S. 430) Allerdings kommen die negativen Wirkungen konventioneller Energien zu kurz.

Der Publizist und Gründer des Center for Industrial Progress erweitert mit „Fossil Future“ die Positionen, die er 2014 in seinem Buch „The Moral Case for Fossil Fuels“ aufgebaut hatte. Das Buch richtet sich an eine breite Öffentlichkeit und bietet primär zweierlei:

  1. Den Versuch, eine Debatte zu eröffnen oder die bestehende so zu verschieben, dass die Vorteile fossiler Energien genauso berücksichtigt werden wie die Nachteile alternativer Energien.
  2. Eine rhetorisch konsequente Argumentation gegen Ökologismus und für das Energie-System, das die Grundlage unseres derzeitigen Wohlstands bildet.

Mich erinnert das Buch konzeptionell an einen ausgefeilten Beitrag in einem Debattierclub.

Ein wesentlicher Bezugspunkt in Epsteins Argumentation ist das „Knowledge System“, mit dem er die medial bzw. aktivistisch vermittelte Sicht von Experten auf das Klima bezeichnet: „It is .. the system we rely on to tell us what experts think is significantly distorting what actual experts think.“ (S. 9) Epstein kritisiert das Wissenssystem als kaputt. Gemeinsamkeiten mit dem lesenswerten Buch des Journalisten Jonathan Rauch „The Constitution of Knowledge” drängen sich auf. Rauch diagnostiziert darin eine drastische Veränderung der Normen und Institutionen, die Ideen und Wissen in der Gesellschaft generieren.

Alex Epstein grenzt sich von Ökologisten grundsätzlich ab, weil diese den menschlichen Einfluss auf das Klima und die Erde verringern wollten, statt das Wohl der Menschen in den Mittelpunkt zu stellen. Als Befürworter fossiler Energien bezieht Epstein anschließend eine Underdog Position und kritisiert zunächst die verzerrte, einseitige, selektive mediale Darstellung mit letztlich inhumanen Positionen von Experten, die in der Geschichte schon viel Elend angerichtet hätten, darunter Eugenik. Dieses Beispiel illustriert zwei oder drei wichtige Aspekte der Argumentationsweise: Epstein weist auf relevante Defizite hin, verwendet wiederholt ad hominem Gruppen Argumente und muss sich den Vorwurf gefallen lassen, seinen eigenen Standards einer ausgewogenen Betrachtung von Vor- und Nachteilen aller Positionen nicht gerecht zu werden. Hinzu kommt, dass Epstein keineswegs der Erste mit seiner Argumentation ist und sich nicht durchweg die stärksten Gegner vornimmt, wie Jordan McGillies zeigt.

Mich stört vor allem der repetitive, deterministische Charakter der Argumentation (“We need to look at the best versions of the moral case …“). Gleichwohl halte ich das Buch für lesens- und bedenkenswert. Das gilt auch, weil Epstein versucht die meiner Wahrnehmung nach kümmerlich einseitige und abschreckend ideologisierte veröffentlichte Meinung mit ähnlichen, mitunter geschickteren Mitteln und vielen Argumenten zu verschieben. Das Plädoyer für fossile Energien hat Kraft: „They are the ultra-cost-effective machine labor, enormous amounts of freed-up mental labor, and materials that radically increase humanity’s productive ability and therefore make our naturally deficient, dangerous, low-opportunity, stagnant planet into a naturally nourishing, safe, opportunity-filled, progressing world.” (S. 161) Und wer über die katastrophalen Folgen einer globalen Erwärmung räsoniert, sollte die beste Anpassung an Umwelteinflüsse durch den höchsten Lebensstandard in der Geschichte der Menschheit nicht verschweigen genauso wenig wie die massiven negativen Folgen unzuverlässiger alternativer Energien. Niemals gab es so wenige Umwelt bedingte Opfer. CO2-Entwicklung und Lebenserwartung und Wohlstand pro Kopf und Bevölkerungswachstum sind exponentiell positiv korreliert. Viele Menschen, Epstein schreibt von 800 Millionen Menschen ohne Elektrizität und 2,3 Milliarden Menschen, die Holz und Dung zum Kochen und Heizen verwenden, brauchen mehr preiswerte Energie. Zugleich verwendet er rückwärtsgewandte Korrelationen.

Stärker betonen und ausarbeiten ließe sich ein offener Prozess von Innovationen und konkreter Anpassungsfähigkeit, der alternative Energien insofern einschließt, als diese sich bewähren, wie alle Güter. Weniger neofeudaler Etatismus flankiert vom Katastrophismus  radikaler Ideologen, mehr kluge und mutige Debatten mit dem zwangslosen Zwang des besseren Arguments würden Wirtschaft, Gesellschaft und langfristigem durchschnittlichen Wetter gut tun. Dazu gehören vor allem Zwischentöne und Perspektivenvielfalt. Fossil Future liefert einen Beitrag.

Alex Epstein: Fossil Future. Why Global Human Flourishing Requires More Oil, Coal, and Natural Gas – Not Less, Penguin, New York 2022, 468 S., 27,99 Euro.