Tausch versus Anordnung
Tausch versus Anordnung

Tausch versus Anordnung

Der Tausch stellt beide Seiten besser. Wir tauschen aus freien Stücken. Niemand zwingt uns zum Tauschen. Wir geben Geld im Gegenzug für ein Gut oder eine Dienstleistung, weil uns das Geld weniger wert ist als die Tafel Schokolade, die Waschmaschine, das Haus oder die Reise, die Weiterbildung, die Massage.

Menschen tauschen alltäglich freiwillig und freimütig. Zugleich wollen viele die Tauschfreiheit anderer einschränken, teils massiv. Der Staat soll mit seinen Behörden tätig werden und mindestens einen Tauschpartner dazu bringen, sich anders zu verhalten – ökologischer, sozialer, preiswerter, genderorientierter, Sonderkonditionen einräumend für Mieter und Angestellte. Behörden ordnen an, etwas zu lassen und etwas zu tun. Das kann in Sicherheitsbelangen gut und richtig sein, etwa bei der Statik von Gebäuden und beim Brandschutz. In einer Zeit, die weitaus komplexer ist als noch vor 50 und 100 Jahren, lässt sich argumentieren, dass es mehr Aufgaben gibt, die zurecht von staatlichen Einrichtungen geklärt und geregelt werden. Unabhängig davon wie man zur Regulierung und deren Ausmaß steht, lohnt es sich die Unterschiede zwischen Tausch und Anordnung zu vergegenwärtigen.

Die beiden Sphären – hier Markt und Gesellschaft als spontane Ordnungen des Austauschs, dort Bürokratie und Staat als hierarchische Organisationen des Befehlens – unterscheiden sich grundlegend. Das gilt ökonomisch, moralisch, sozial. Ein Beispiel: Das bedingungslose Grundeinkommen wird als Errungenschaft gepriesen, weil es vermeintlich voraussetzungslos eine materielle Existenz garantiert. Verwandt ist damit die Forderung, man müsse von seiner Arbeit leben können. Die fundamentalen Unterschiede zwischen Tausch und Anordnung scheinen in Vergessenheit zu geraten:

Wer tauschen möchte, muss seinem Mitmenschen etwas bieten, das dessen Leben verbessert. Wer tauscht, dient seinen Mitmenschen. Wer etwas bedingungslos bekommt, der ist einseitiger Empfänger einer Leistung, die jemand anderes erbracht und jemand Drittes dem Empfänger zugesprochen hat. Ein Rechtsanspruch auf diese Leistung verdrängt, dass die Leistung zunächst erbracht werden muss und dass sie eigentlich gezielt von einem Menschen für einen anderen Menschen erbracht werden muss. Das liegt nicht zuletzt daran, dass die Forderung an eine höhere, unsichtbare Stelle gerichtet wird – den Staat als irdischen Gott (Ludwig Siep). Menschen überdenken ihre Forderung zuweilen, wenn es wieder konkret wird. Ein Beispiel: In einer Diskussion forderte eine Frau, der Bäcker müsse für seine Backwaren so viel Geld bekommen, dass er genug zum Leben habe. Das müsse angeordnet werden. Auf die Frage, warum die Frau nicht mit gutem Beispiel vorangehe und für ihre Brote das doppelte bezahle, stutzte sie und fing sichtbar an nachzudenken.

Heute scheint aus dem Blick geraten zu sein, dass der Tausch ökonomisch und sozial etwas zutiefst Wertvolles darstellt. Arbeitgeber müssen einfach sozial gerechte Löhne bezahlen, Vermieter bezahlbare Wohnungen anbieten, der Senat Toiletten für ein drittes Geschlecht aufstellen, Bürger folglich sämtliche wirtschaftliche Tätigkeiten erfassen und besteuern lassen.

Die Problematik reicht indes tiefer. Der große Ökonom Frank Knight bemerkte einmal über ökonomische Prinzipien, dass diese schlichtweg allgemeinere Folgen des einen Prinzips von Freiheit, Individuum und Sozialem seien, der freien Zusammenkunft. Knight meinte damit eben den Tausch als Grundlage jeder sozialen Ordnung. Und man könne nicht oft genug betonen: Tausch sei freiwillig und beidseitig vorteilhaft. Wenn beide Seiten nicht von der Interaktion profitieren würden, wäre es kein Tausch, weil sie ihn nicht freiwillig eingegangen und ihm zugestimmt hätten. Der Tausch lasse die Arbeitsteilung wachsen. Der Tausch gebe Orientierung für Produktionspläne und befriedige Verbraucherwünsche. Gegenstand von Wirtschaft und Wirtschaftswissenschaft sei letztendlich die Tauschbeziehung frei wählender Individuen, die ihren Tausch innerhalb von Institutionen vollziehen. Wer heute Akademiker fragen würden, was damit gemeint ist, welche Antwort würde man wohl bekommen?

Die Marktwirtschaft funktioniert innerhalb eines Systems privater Eigentumsrechte, Vertragsfreiheit und monetärer Stabilität durch relative Preisanpassungen sowie Gewinn und Verlust, die Individuen in ihren wirtschaftlichen Entscheidungen leiten und dabei die relevanten Informationen über relative Knappheit und Austauschmöglichkeiten berücksichtigen. Beidseitig vorteilhafter Tausch schafft Wohlstand. Die Marktwirtschaft korrigiert sich selbst durch relative Preisanpassungen.

Heute wird einem der Vorwurf des Marktversagen entgegen geschleudert. Permanentes menschliches Versagen beim Tausch. Vom Staatsversagen ist weniger die Rede, noch. Menschen in Behörden versagen offenbar nicht. Der selbstverantwortliche, selbst entscheidende Bürger kommt immer weniger vor. Es dominiert das Bild des betreuungsnotwendigen Verbrauchers. Schützenswert. Gefährdet. Unselbständig.

Etatisten und Behörden geht es primär um die Verteilung von gegebenen Ressourcen. Liberale und Markwirtschaftler befassen sich mit dem Tausch und der Koordination. Erstere gehen von einem statischen Zustand aus und streben einen optimierten Zustand an, letztere wissen um die zutiefst menschliche und soziale Form des Tauschens als Fundament einer sich stetig wandelnden Ordnung. Erstere suchen nach einer Gruppe, die alles kontrolliert und entscheidet. Letztere wissen, dass es um mehr geht als die kontrollierte Verteilung eines immer gleichen, vorhandenen Kuchens. Der Unterschied zwischen der erwarteten Situation und der eingetretenen motiviert viele Tauschteilnehmer zum Lernen, zur Verhaltensanpassung, zur Innovation.

Die Anordnung ist Teil einer geplanten, überschaubaren Organisation. Dazu gehört die Erwartung, jemand müsse endlich das Richtige anordnen und dann werde es genauso geschehen. Die Sphäre der Anordnung ist die der Sicherheit, des gesicherten Einkommens, der überschaubaren Arbeitsabläufe, der begrenzten Verantwortung, mitunter organisierten Verantwortungslosigkeit, der Folgenlosigkeit für die Verantwortlichen. Unternehmertum, Neues wagen, Versuch, Irrtum, Scheitern und besser machen, Möglichkeiten entdecken und gezielt Nutzen stiften, Risiken kalkuliert eingehen und auf seine Fähigkeiten vertrauen sind nicht herausragende Merkmale des Anordnungsapparates.

Wie sich die Welten berühren, überschneiden und unterscheiden, schildert für mich Russ Roberts, ohne es beabsichtigt zu haben. Der jede Woche hörenswerte Gastgeber von Econtalk ist in fortgeschrittenem Alter Präsident des Shalem College in Jerusalem geworden. Russ Roberts wollte nach Israel fliegen. Mitten im Schneegestöber brach er von Manhattan aus mit dem Taxi zum JFK Flughafen auf. Die Straßen waren so verschneit, dass das Taxi nur 30 km/h auf freier Straße fuhr. Noch rechtzeitig am Flughafen eingetroffen stellte er fest, dass praktisch alle Flüge gestrichen waren. Beim Check-in für El Al fanden dennoch die üblichen, besonderen Sicherheitsmaßnahmen statt. Russ Roberts erkundigte sich, ob das Ganze nicht Fassade sei. Wenn man nach draußen schaue, könne man sehen, wie sich der Schnee auftürme. Der Flug würde heute doch wohl ausfallen. Die Dame am Schalter antwortete: Unsere Piloten haben alle Militärerfahrung. Es ist allein ihre Entscheidung, ob der Flug stattfindet. Solange der Flughafen offen sei, könne Prof. Roberts davon ausgehen, dass der Flug stattfinde. Er fand statt.