Weniger Politik wagen und dafür bessere
Weniger Politik wagen und dafür bessere

Weniger Politik wagen und dafür bessere

Weniger Politik wagen und dafür bessere

Die Deutsche Bahn kommt. Nur wann? Zu spät! Im Mai 2022 haben nach Bahn-Angaben weniger als 2/3 der Fernzüge ihr Ziel pünktlich erreicht. Im Jahr 2021 war unter günstigen Annahmen1/4 der Fernzüge unpünktlich. Schon 2012 belegte die Bahn im internationalen Vergleich der EU-Staaten den 20. Platz, abgeschlagen nach Griechenland, Bulgarien und Rumänien. Offensichtlich geht und ging es besser, auch unter anderen Rahmenbedingungen etwa im Kaiserreich.

Pünktlichkeit ist nur ein Indikator. Jeder Bahn-Reisende kennt groteske Beispiele. Am Wochenende hielt ein ICE nach Westdeutschland an der Hälfte der Bahnhöfe nicht. Die Rückfahrt begann von einem weit entfernten Gleis, die vermeintliche Information aller Reisenden per Mail sorgte zum Erstaunen des Zugpersonals für einen weitgehend leeren Zug. Die autoritären Züge des Personals beim Durchsetzen der immer noch geltenden Maskenpflicht – drei Waggons beglückten die Reisenden mit einem klimafreundlichen Ausfall der Klimaanlage – wecken Assoziationen: dysfunktionaler Ex-Staatsbetrieb, staatlich bedingter Monopolist (seit 1924), schlechtes tun in guter Absicht.

Das 9-Euro-Ticket kann als Inbegriff (schlechter) politischer Steuerung gelten, noch dazu von Schlüsselstrukturen der Gesellschaft. Die Selbstkritik nach dem Beschluss lässt zu, die Entscheidung als „Schafscheiß“ zu bezeichnen. Die mit über 30 Milliarden Euro überschuldete (Bundesrechnungshof hier), vom Steuerzahler ohnehin subventionierte Bahn, könnte sich ein solches Angebot als Unternehmen nicht leisten. Das politische Geschenk soll eine Entlastung für die Bürger in Zeiten politisch bedingter Energie- und Mobilitätshöchstpreise sein und wird die Bürger rund 2,5 Milliarden Euro kosten. There is no such thing as a free 9 Euro Ticket, wusste sinngemäß schon Milton Friedman vor einem halben Jahrhundert.

Beinahe amüsante Randerscheinungen sind Volksfest ähnliche Gedränge-Zustände auf den Bahnsteigen bei immer noch existierenden coronapolitischen Beschränkungen sowie Punks auf Sylt oder das öffentlich-rechtliche Bahnchaos.

An dieser Stelle soll nicht darüber spekuliert werden, ob das die Zukunft klimafreundlicher Mobilität sein wird und eine Vorausschau auf die alltägliche, fossilfreie Stromversorgung. Es geht auch nicht darum, ob ein immer wieder geforderter kostenloser Nahverkehr in etwa so aussehen würde. Die prekäre Lage der Bahn und der Reisenden am Pfingstwochenende hat viele Gründe. Dazu gehört auch, dass ein Unternehmen mit derartigen Leistungen am Markt im Wettbewerb nicht überleben könnte.

Ordnungspolitischer Verfall

Stattdessen soll die Aufmerksamkeit auf die Ordnungspolitik gelenkt werden. Ordnungspolitik ist weitgehend in Vergessenheit geraten, während die Lehrstühle abgeschafft wurden. Gleichzeitig hat die ordnungspolitische Verwahrlosung in Deutschland und Europa weiter zugenommen.

Der profilierte Ordnungsökonom Alfred Schüller, Marburg, urteilte 2007: „Der Niedergang des liberalen Ordnungsdenkens drückt sich in der unveränderten Neigung aus, auf jedes Problem mit einer Regierungsaufgabe, mit staatlichen Interventionen und Ausgaben zu reagieren, statt auf die Neuverschuldung zu verzichten und glaubwürdig mit dem Abbau des volkswirtschaftlich verhängnisvollen Schuldenbergs zu beginnen.“ In unserem neuen etatistischen Zeitalter sind „die“ Politik und „der“ Staat Adressaten alle Probleme. Kennen Sie einen Bereich, der nicht durch politisch-bürokratisches Handeln beeinflusst wird?

Ordnungspolitik bezeichnet herkömmlicherweise alle staatlichen Maßnahmen, die auf die Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft einwirken – also auf Regeln und Grundsätze des menschlichen Zusammenlebens. Ordnungspolitik verändert die Rahmenbedingungen des Wirtschaftens, ja des Lebens insgesamt. Das liegt daran, dass Ordnungspolitik Anreize für Menschen setzt, Dinge zu tun oder zu lassen. Bahn fahren ist eine kleine Facette dessen, Mobilität eine größere.

Nun entscheiden über die Ordnung Politiker, die weit überwiegend weder ordnungstheoretisch versiert noch ordnungspolitisch erfahren sind. Sie entscheiden zudem unter parteipolitischen und koalitionstaktischen Gesichtspunkten und nicht allein im Hinblick auf das sachlich Notwendige. Das ist wiederum Ausdruck der politischen Ordnung.

Interventionistisches Gefummel

Das Ergebnis ist ein wirtschaftspolitischer Punktualismus, so bezeichnete der kluge Ordnungsökonom Alfred Schüller privilegierende oder diskriminierende Eingriffe in das Wirtschaftsgeschehen. Über die bereits per se problematischen Interventionen hinaus entsteht eine destruktive Wirkung, die sich aus dem isolierten Charakter der Eingriffe speist, zumal wir seit mindestens 70 Jahren wissen, dass alle wirtschaftlichen Handlungen, Bewertungen und Phänomene sich durch Interdependenz auszeichnen. Kurz und simpel: Alles hängt mit allem zusammen. Ein 9 Euro Ticket bringt Punks nach Sylt, erfordert das Aufbringen der Differenz zu den realen Fahrtkosten mit Steuergeldern, die durch aufwändige zusätzliche Planung und Bürokratie höher sind als das normale Angebot, verschleudert Ressourcen an nicht prioritären Stellen, überfordert die Bahn personell und materiell usw.

Die unausweichliche Folge eines derartigen „Punktualismus“ ist eine Spirale immer neuer Probleme und vermeintlicher Lösungen. Alfred Schüller brachte es angesichts der Finanzkrise auf den Punkt: „Der Ursprung der Banken- und Finanzmarktkrise liegt in einer hektischen Geld- und Zinspolitik der amerikanischen Zentralbank im Dienste einer aktivistischen Konjunktur-, Beschäftigungs- und Sozialpolitik.“ Letztlich handelt es sich um eine Pervertierung der Marktwirtschaft.

In meinem ordnungspolitischen Resümee in Buchform „Auf der Suche nach einer anderen Ordnung“ schrieb ich 2014: Die ordnungspolitische Lage Deutschlands und Europas ist hoffnungslos, aber nicht ernst. Euro und Energiepolitik sind Mühlsteine am Hals der Bürger. Demographie, Staatsverschuldung und ausstehende Reformen der Sozialsysteme belasten als Dauerprobleme gleich mehrere Generationen. Die damit verbundenen Lasten werden allen voran die deutschen Steuer- und Abgabenzahler schultern müssen. Noch gravierender als die Rechnungen, die sich aufgrund einer mangelnden politischen Reformbereitschaft und einer aus dem Ruder gelaufenen politischen Allzuständigkeit aufstauen, ist indes der Verlust dessen, was man nicht sieht.

Bessere Politik

Erforderlich wäre für besseres politisches Handeln zunächst Wissen, d.h. die Kenntnis der Knappheitsverhältnisse und Prioritäten aller Menschen statt weniger politischer Prioritäten. Im politischen Prozess müsste es zusätzlich zu der niemals existierenden Fähigkeit diese Informationen in hinreichendem Ausmaß zu beschaffen überhaupt die Motivation geben, die Informationen zu beschaffen und von ihnen bestmöglich Gebrauch zu machen. Schließlich fehlen – anders als auf Märkten – die entsprechenden politischen Werkzeuge für eine Koordination, Kontrolle und Anpassung.

Das Problembewusstsein ist in der Politik durchaus vorhanden. In der Außen- und Sicherheitspolitik aktuell etwa bei Norbert Röttgen, der eine bessere Politik durch analytische Fundierung und Folgenabschätzung fordert. Johannes Bachmann und ich haben auf Ansätze im Zusammenhang mit einer besseren Corona-Politikhingewiesen. Es gibt viele Ansätze. Bessere Politik ist möglich und not-wendig.

Dramatisch unterschätzt wird indes eine Handlungsoption, die vielfach schlagend ist und noch dazu enorm preiswert: nichts tun! Statt einen mystischen Staat Fehler machen zu lassen, wäre unsere Welt sehr oft viel besser und wohlhabender, wenn man sich der alten Weisheit erinnern würde: Laissez-faire!

P.S.

In dieser Kolumne wurde der politische Interventionismus mit der Folge des Wohlstandsverlusts mehrfach thematisiert, in: Mangelwirtschaft: Interventionismus und Rationierung, Asoziale Politik verursacht Wohlstandsverlust und beim Grundproblem Staatsversagen.