Mangelwirtschaft: Interventionismus und Rationierung
Mangelwirtschaft: Interventionismus und Rationierung

Mangelwirtschaft: Interventionismus und Rationierung

Mangelwirtschaft: Interventionismus und Rationierung

Die Beschäftigung mit dem 17. und 18. Jahrhundert hilft, die Gegenwart zu verstehen. Das gilt vor allem für das politisch-ökonomische Denken. Geschichte wiederholt oder reimt sich bekanntlich. Tonangebend in der Politik, im politischen Denken vieler unserer Führungskräfte, sind heute wieder die Ideen des Merkantilismus und des Feudalismus – selbstverständlich im modernen Gewand. Eine erneute Aufklärung gewinnt an Bedeutung.

Merkantilismus bezeichnet eine Politik massiver Staatseingriffe in die Wirtschaft während des Absolutismus der Frühen Neuzeit. Ziel war die Maximierung der Staatseinnahmen für immer mehr Beamte, großen repräsentativen Aufwand und stehende Heere. Feudalismus bezeichnet eine Herrschaftsform, in der eine kleine Elite aus Monarchen, Adel und Kirche als führende Schicht die politische und ökonomische Macht innehatten und als Grundbesitzer ihren Untertanen, den Vasallen, bestimmte Rechte für treue Dienste und Ergebenheit zubilligten. Die Prinzipien der modernen Variante lassen sich in „Macht und Stellvertretung“ nachlesen – aus den beauftragenden Bürgern werden Beherrschte.

Ideologie

Viele Nachfolger der Kaiser, Könige und Fürsten sind dementsprechend nackt im sprichwörtlichen Sinn. Das gilt auch für die sie unterstützenden Bürger, die das nicht erkennen. Wer das ökonomische Grundwissen ignoriert und moderne Erkenntnisse wie die Systemtheorie nicht kennt, dem helfen wohlklingende Absichtsbekundungen nicht. Die Realität schlägt hart zu. Die Corona-Politik hat keine Rücksicht auf wirtschaftliche (und soziale) Belange genommen. Die Energiepolitik auch nicht.

Liberale Einsichten

Für Liberale sind es glänzende Zeiten. Ihre Lehren über die Voraussetzungen und die Funktionsweise einer offenen Gesellschaft und einer Marktwirtschaft im Gegensatz zu deren Feinden, den Praktikern einer geschlossenen Gesellschaft und einer Staatswirtschaft, lassen sich tagtäglich mit reichhaltigem Anschauungsmaterial besichtigen. Die Bürger dürfen sogar die Folgen der vielfach gewählten illiberalen Politik zu Hause erleben. Interventionismus, Rationierung, Denk- und Sprechverbote sind am eigenen Portemonnaie, Körper und im Kopf spürbar. Und das, was wir derzeit erleben, ist erst der Anfang. Ein General, dessen Titel noch um die Bezeichnung Sekretär erweitert werden muss, erklärte vor wenigen Tagen: „Wir haben in Deutschland keine neueren Erfahrungen mit Wohlstandsverlusten“, und er fuhr fort: „Das ist etwas, das wir aus den letzten Jahrzehnten nicht kennen. Hier werden wir uns umstellen müssen.“ (n-tv) Hinzuzufügen ist, dass mit „uns“ die Bürger, insbesondere die untere Mittelschicht gemeint ist, nicht z.B. vom Steuerzahler gut dotierte politische Spitzenkräfte und Staatsbedienstete.

Wir erleben einen Systemwechsel (LI). Das neue System beruht auf einem Jahrzehnte langen, gesteigerten Interventionismus. Es gibt längst keinen Lebensbereich mehr, der nicht staatlich reguliert ist. Das vermeintlich deregulierte Finanzsystem gehört zu den besonders stark regulierten, symptomatisch sind die Dokumentationspflichten von Bankberatungsgesprächen. Für die Cookie-Pest der Homepages, um ein anderes Beispiel zu wählen, gibt es immerhin Apps. Die deutsche Überregulierung ist auf Arbeits“märkten“ und im Steuersystem längst legendär und wird noch von der EU verstärkt. Lobbygruppen wirken daran mit, auch um den Wettbewerb einzuschränken.

Primat der Politik

Interventionismus ist ein System von Eingriffen, das darauf zielt, andere Ergebnisse hervorzubringen als die freie soziale Koordination der Menschen. Die Eingriffe, die in das Eigentum erfolgen und dessen Verwendung beschränken, sollen einzelne Gruppen besserstellen. Ein ausufernder Interventionismus führt zu einer staatlich gebundenen und gelenkten Wirtschaft mit zahllosen negativen sozialen und politischen Konsequenzen. Interventionismus ist Teil des Etatismus, einer Politik, die die Zuständigkeit des Staates zu Lasten der nicht dem Staatsapparat angehörenden Bürger auszuweiten sucht. Eine wesentliche Folge und Praxis von Etatismus ist der Verzicht und damit einhergehend die Rationierung. Wer die DDR erlebt hat, kennt das Phänomen der Warteschlangen als Wesensmerkmal des fortgeschrittenen Etatismus. Interventionismus verschlechtert die Wohlfahrt der Menschen und sollte eigentlich nicht im Interesse der Regierung sein.

Warteschlangen gibt es heute vermutlich in allen Lebensbereichen, von Handwerkern über Nahrungsmittel, von Wohnungen bis zu Baustoffen, von Elektrogeräten bis zu Arzneimittel. Ein Beispiel: Für den Neubau eines Einfamilienhauses in Südniedersachsen werden Dachziegel benötigt. Die Ziegel fehlen auf absehbare Zeit, weil deren Herstellung aufgrund der drastisch gestiegenen Gaspreise nicht mehr kostendeckend möglich ist. Politik als Haus ohne Dach.

Die Folgen der politisch geschaffenen, nicht kurzfristig revidierbaren Abhängigkeit von der russischen Gasversorgung sind beträchtlich. So würde ein Ausfall die „Grundstoffchemie, Papierindustrie sowie die Metallerzeugung und Glas- und Keramikherstellung hart treffen. Diese Industrien weisen einen hohen Gasverbrauch und ein geringes Substitutions- und Einsparpotential von Gas auf.“ (IW-Studie).

Die Politik des Interventionismus setzt sich aus Preiskontrollen, Inflation, Enteignung und Subventionen sowie Rationierung zusammen. Alle Phänomene lassen sich Deutschland beobachten. Das Konfiszieren von Eigentum erfolgt im System des Interventionismus primär durch Besteuerung. Deutschland ist Spitzenreiter in der durchschnittlichen Belastung des Bruttolohns mit Steuern und Angaben weltweit. Damit verbunden ist ein enormes Transfersystem bei gleichzeitig größtem Wohlstandsniveau aller Zeiten. 2020 wurden mit 1,19 Billiarden Euro ein Drittel des BIP für Sozialausgaben aufgewendet und die Hälfte des Bundeshaushalts wurden für Soziales ausgegeben (219 Milliarden Euro).

Besteuerung, zumal von real über 50%, behindert die Kapitalbildung und damit die Steigerung der Arbeitsproduktivität. Infolgedessen verringert das den Anstieg der Löhne. An die Stelle von Investition tritt staatlicher Konsum, das Aufzehren des Kapitals. Meist wird aus Ablenkungsgründen vorgegeben, man müsse nur die Reichen besteuern. Die Einschränkung des Konsums ist heute bereits in aller Munde, vor allem propagiert von Wohlstandsgesättigten.

Die anschaulichste Demonstration der destruktiven Folgen des wohlmeinenden Interventionismus ist das Milchpreisbeispiel. Ein Augenöffner, den man nicht mehr vergisst.

Interventionismus ist Illusionspolitik

Man schaut und zeigt nur auf die beabsichtigten und die kurzfristigen Folgen für wenige sichtbar gemachte Gruppen. Die langfristigen Folgen ballen sich: Inflationismus, sinkende Produktivität, Arbeitslosigkeit und Arbeitskräftemangel, Versorgungsengpässe, überbordende Staatsschulden. Das liegt an den unbeabsichtigten Konsequenzen. Die wiederum lassen sich anhand der Rückkopplungsgeflechte aufzeigen. Ein isolierter Eingriff in die Wirtschaft bleibt per se nie isoliert, sondern betrifft weite und vielfach unerkennbare Teile des sozialen und wirtschaftlichen Lebens. Das liegt u.a. daran, dass alle Preise mit einander verbunden sind, Erwartungen und Geschäftsmodelle verändert werden. Ein Lockdown trifft nicht nur wirtschaftliche Aktivitäten in unterschiedlichem Ausmaß in unterschiedlichen Branchen, sondern verändert langfristig Angebot und Nachfrage etwa beim Tourismus, bei Flug- sowie Schiffsreisen und damit Arbeitsplätze, Zulieferer, Innenstädte. Es entsteht das systemische Phänomen „Losers lose“, eine Negativ- oder Abwärtsspirale, mehr oder minder drastisch und sichtbar, mitunter schwelend bis zu einer Schwelle, ab der Wohlstand auf breiter Front verloren geht. Weitere Phänomene sind Shifting the Burden, d.h. ein Problem verschwindet in einem Bereich und taucht in einem anderen auf, wo es noch mehr Ressourcen beansprucht, und Accidential Adversaries, d.h. die unbeabsichtigte Schädigung eines Partners führt zu einer Gegnerschaft. Muss erwähnt werden, dass die Probleme von Politik und Bürgern der Marktwirtschaft in die Schuhe geschoben werden, die durch die Interventionen in ihrer Funktionsweise verändert wurde und zugleich die Elitenkritik drastisch zunimmt?

Ausblick

Die EU hat einen Vorschlag der IEA, der internationalen Energiebehörde, aufgegriffen. Alle Hausbewohner sollen ihre Heizung ein Grad herunterdrehen, um die Nachfrage und demzufolge die Einnahmen Russlands aus dem Verkauf fossiler Brennstoffe zu reduzieren. Derartige Milchmädchenrechnungen sind der behördliche Standard, den wir vom Interventionismus im Überfluss erwarten dürfen. Dazu gehört auch das Selbstlob, mit dem der eingangs erwähnte „General“ nicht spart. So habe die Bundesregierung bereits entschlossen gehandelt: „Sie ist noch nicht einmal ein halbes Jahr im Amt, und es gibt schon zwei Entlastungspakete mit einem Gesamtvolumen von 37 Milliarden Euro, um das die Wirtschaft und private Haushalte entlastet werden.“

Ein etatistischer Taschenspielertrick: Die Entlastung mit Steuergeldern erfolgt nach der Belastung durch Steuern mit der Aussicht auf künftig höhere Steuern und mehr Schulden.

Die gute Nachricht zum Schluss: Man braucht nur die Interventionspolitik aufzugeben und zurückzudrehen, dann verschwinden die dadurch verursachten Probleme.

P.S. Lektüretip:

Die Einschränkung wirtschaftlicher Freiheit geht mit der Einschränkung politischer Freiheit Hand in Hand. Ein zeitlos lesenswerter Klassiker ist das kompakte kleine Buch, das Ludwig von Mises nach seiner Flucht vor den Nationalsozialisten in den USA im Jahr 1940 geschrieben hat: Interventionism. An Economic Analysis (pdf). Der Band nimmt wesentliche Aspekte der modernen Public Choice Schule vorweg.