Eine Dunkle Bedrohung: Verstaatlichung durch schleichende Bürokratisierung
Eine Dunkle Bedrohung: Verstaatlichung durch schleichende Bürokratisierung

Eine Dunkle Bedrohung: Verstaatlichung durch schleichende Bürokratisierung

Kurzfassung
Führen Interventionismus und Bürokratie zum Sozialismus? Berechtigte Mahnungen angesichts eines omnipräsenten, überbordenden Staatseinflusses in Wirtschaft und Gesellschaft suggerieren, es drohe ein neuer Sozialismus. Auf der Grundlage der Arbeiten von Ludwig von Mises werden Wesen und Funktionsweise der über Bürokratie und des Interventionismus dargelegt und mit Erkenntnissen bedeutender Autoren zusammengeführt. Der Westen ist nicht auf dem Weg in den Sozialismus, aber eine dunkle Bedrohung ist nicht zu übersehen: die Verstaatlichung von Wirtschaft und Gesellschaft durch eine ausufernde Bürokratisierung. Freiheit und Wohlfahrt werden so unterminiert.

Inhaltsverzeichnis

Wohin der dritte Weg führt (Einführung von Helmut Krebs)……. 4
Verstaatlichung durch schleichende Bürokratisierung?……. 7
Bürokratie dehnt sich aus… 8
Unbeschränkte Bürokratie führt zur vollständigen Verstaatlichung… 8
Bürokratie oder Marktwirtschaft……. 9
Bürokratisches Handeln ist selbstbezogen… 10
Bürokratie schwächt die Wirtschaft… 11
Bürokratie ist eigengesetzlich… 11
Bürokratismus untergräbt und zerstört eine freie Gesellschaft… 12
Bewertende Zwischenbemerkung… 13
Mises’ Kritik des Interventionismus……. 14
Hayeks Weg zur Knechtschaft……. 15
Der 3. Weg führt nach nirgendwo……. 17
Moderne Forschung stützt Mises Einschätzungen……. 18
Perspektivisches Fazit……. 20

Anhang……. 25

Wohin der dritte Weg führt

Eine Einführung von Helmut Krebs

Michael von Prollius gibt mit seiner Untersuchung „Die dunkle Bedrohung: Verstaatlichung durch schleichende Bürokratisierung“ wegweisende Antworten auf die freiheitlich denkende Menschen quälenden Fragen, welchen Charakter unser heutiges Gesellschafts- und Wirtschaftssystem hat und wohin die Reise des postsozialistischen Deutschlands geht – unvermeidlich in den Sozialismus oder doch nicht?

Im liberalen Diskurs ragen die Theorien Ludwig von Mises und Friedrich A. von Hayeks in dieser Thematik heraus. Beide liefern in ihren einschlägigen Schriften ein einfaches dichotomes Schema: Es besteht die Alternative Freiheit – Knechtschaft, Markt – zentrale Planwirtschaft, demokratischer Rechtsstaat – staatliche Willkürherrschaft, kurz Freiheit oder Sozialismus. Einen dritten Weg kann es nicht geben, weil die Alternativen ihrer Natur nach dichotom sind. Entweder reguliert der Zentralstaat die Wirtschaft oder die Millionen autonom dezentral handelnden Verbraucher. Entweder handeln freie Bürger in eigener Verantwortung und nach Maßgabe ihrer eigenen Vernunft oder es wird ein Korsett engmaschiger Handlungsvorschriften gewirkt, das dem Bürger übergezogen wird. Einen Mittelweg kann es nicht geben.

Die Idee des dritten Weges, die die angeblichen Vorzüge des Kapitalismus mit denen des Sozialismus verbinden soll, wobei die jeweiligen Nachteile ausgespart bleiben, ist eine Illusion, eben weil die Alternativen kein Drittes zulassen. Darum führt der „Interventionismus“ genannte dritte Weg unvermeidlich in einen Sozialismus. Soweit die Lehre der führenden Theoretiker des Liberalismus.

Prollius stellt die Kernideen dieser Theorie ebenso konzise wie umfassend vor. Die Untersuchung ergibt eine Bestätigung der Lehre vom auszuschließenden Dritten. Leitbegriff seiner Gedankenführung ist die Bürokratie. Interventionismus führt zwangsläufig zum Ausbau von Bürokratie und damit zum Freiheitsverlust für die Individuen. Interventionismus ist ein Prozess, den Baader „Samtpfotensozialismus“ genannt hat. Aber führt Interventionismus, führt wuchernde Bürokratisierung auch notwendig und unvermeidlich zum Sozialismus? Das Unvermeidliche darf nicht im Sinne eines blinden Geschichtsmechanismus missverstanden werden. Es können nicht wenige Korrekturen des schleichenden Hinübergleitens vermerkt werden: Thatcher, Schweden, Neuseeland sind einige Beispiele. Die Pointe aber schleicht sich fast unbemerkt in den Gedankengang ein. Die Untersuchung findet ihren Abschluss und einem fruchtbaren Gedankenkern: in der Nichtgleichsetzbarkeit der Begriffe Sozialismus und Bürokratie. Ersterer ist als Idee weitgehend obsolet geworden. Doch die zwangsläufige Tendenz des Interventionismus läuft dennoch auf ein Ziel hinaus: den bürokratischen Staat, einer Variante des Etatismus.

Wenn Mises und Hayek, und mit ihnen auch Baader, in ihren Schriften davon sprechen, dass der dritte Weg unweigerlich in den Sozialismus führt, so muss hier eine kleine, aber konsequenzenreiche Korrektur angemerkt werden. Er mündet nicht unvermeidlich in eine Gesellschaftsorganisation, die ihre Vorbilder im russischen oder deutschen Modell der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts hat. Es wäre irreführend, in diesem Sinne von einer sozialistischen Tendenz des „Wegs zur Knechtschaft“ zu sprechen. Als Mises und Hayek ihre Analysen vorlegten, lagen diese Spielarten des Sozialismus als Beispiele vor, und es herrschte eine allgemeine naive Sozialismusgläubigkeit. Insofern waren ihre Analysen vollkommen richtig und ihre Warnungen vollauf berechtigt. Heute, im siebten Jahrzehnt nach dem Untergang des deutschen und im vierten Jahrzehnt nach dem Untergang des kommunistischen Sozialismus bringt der Interventionismus keine Tendenz zu einem Abgleiten in den Sozialismus hervor, wenn wir an dem engen Begriff in seinem historischen Kontext festhalten.

Der Begriff „Sozialismus“ ist zu eng.

Prollius führt die Kernidee weiter, indem er die genannten historischen Beispiele als Varianten eines Etatismus kennzeichnet und indem er die dem Interventionismus innewohnende Tendenz zum Etatismus auch in heutiger Zeit konstatiert. Implizit wird Sozialismus als eine Unterkategorie der Klasse absolutistischer Staaten aufgefasst. Man könnte diese Klasse ergänzen durch die absolutistische Monarchie (Louis XIV.), den Cäsarismus (Caesar, Napoleon, Peron), auch den Typ Dengs in China heute. Die dazu korrespondierende Ökonomie nennt Mises gebundene Wirtschaft. Das wäre dann ebenfalls ein Oberbegriff. Die Alternativen sind nach wie vor dichotom: Entweder Freiheit oder Knechtschaft. Doch die Knechtschaft formt sich in heutiger Zeit nicht als „klassischer“ Sozialismus aus, sondern als schleichende Bürokratisierung, als eine etatistische Tendenz. Wohin also führt der dritte Weg? Das ist eine offene Frage, die nur abstrakt beantwortet werden kann. Die abstrakte Antwort lautet: in eine Gesellschaftsform, zu deren Spielarten die historisch bekannten sozialistischen Modelle gehören, die aber konkret noch im Werden begriffen, die noch nicht voll ausgereift ist. Die Hauptgefahr ist heute nicht eine totalitäre Diktatur, sondern ein Neomerkantilismus, nennen wir ihn Super-Bürokratismus.

Eine spannende Frage schließt sich daran an: Warum hat sich in einem jahrzehntelangen Prozess bis heute kein neuer totalitärer Staat herausgebildet? Neben den bürokratischen Einrichtungen bestehen die freien Institutionen fort. Der Interventionismus ist weit davon entfernt, bis zur letzten Konsequenz getrieben zu werden. Inkonsequenz und Ziellosigkeit kennzeichnen die heutige Politik. Sie besteht in einem merkwürdigen Zögern, Zaudern, auf der Stelle treten, in einem Vor und Zurück. Von Zeit zu Zeit werden Marktkräfte sogar gestärkt, wie etwa durch die Agenda 2010 der Schröder-Regierung. Die Staatsquote steigt nicht stetig in immer weitere Höhen. Sie bleibt mit Schwankungen mehr oder weniger auf gleich bleibendem Niveau. Nicht alle Parameter weisen auf einen geschwürartig sich ausbreitenden Etatismus hin. Es gibt Widersprüche. Weltweit befindet sich die Menschheit sogar auf einem Fortschrittspfad. Für Liberale ist dieser Befund eine Quelle für optimistische Zukunftserwartungen. Wenn es im Prinzip nichts Drittes geben kann, so zeigt uns die Nachkriegsgeschichte dennoch, dass es möglich ist, dass eine Nation jahrzehntelang unentschlossen zwischen den Alternativen verharren kann. Die Widersprüche können als Anzeichen fortbestehender Wertschätzung von Freiheit und Recht gewertet werden, die der wuchernden Staatsgläubigkeit entgegenstehen. Es gibt nichts Drittes, aber es gibt auch keinen blinden Geschichtsmechanismus. Die Vernunft des Menschen ist nach wie vor die Hoffnung, die wir haben.

Verstaatlichung durch schleichende Bürokratisierung?

Denken ist ein Laster, das man schwerlich mit administrativen Mitteln heilen kann.“
Wieslaw Brudzinski

Der Sozialismus ist Geschichte. Die Bürokratie ist präsenter denn je. Inzwischen existiert sie nicht nur auf den drei Ebenen Kommune – Land – Bund, sondern in besonders ausgeprägter Form auf der supranationalen Ebene der EU. Droht durch eine schleichende Bürokratisierung nahezu aller Lebensbereiche ein neuer Sozialismus in Europa?

Einer der hellsichtigsten Ökonomen und Sozialphilosophen hat auf zeitlose Weise das Wesen der Bürokratie enthüllt. Ludwig von Mises publizierte 1944 in seiner neuen Heimat New York den kleinen und feinen Band „Bürokratie“. Mises kannte sich mit dem Thema Bürokratie aus – als führender Wissenschaftler zum Wesen des Sozialismus, als Offizier im Ersten Weltkrieg, durch seine langjährige Arbeit in der Wiener Handelskammer und als aufmerksamer Beobachter von Faschismus und Nationalsozialismus. Zum Zeitpunkt seines Exils verfügte er über tiefe Einsichten in alle Facetten staatlichen Handelns.

Leitidee seiner Arbeit über die Bürokratie ist die Aufklärung des vermeintlichen Widerspruchs, der damals die öffentliche Meinung kennzeichnete und noch heute weit verbreitet ist: Viele Menschen befürworten Umverteilung und staatliche Eingriffe in Wirtschaft und Gesellschaft, beklagen aber zugleich die auf den Plan tretende Bürokratie. Das ist, wie Mises zeigt, kein Widerspruch. Vielmehr handelt es sich um die beiden Seiten derselben Medaille. Eingriffe in Wirtschaft und Gesellschaft sind stets bürokratisch – sie beruhen anders als Marktwirtschaft und freiwillige Vereinbarungen auf dem bürokratischen Prinzip. Bürokratie ist für Mises eine Verwaltungstechnik und Organisation, die Regeln und Maßnahmen zur Ausführung des Willens der obersten Behörde nach sich ziehen.

Bürokratisch heißt die Art der Geschäftsführung, die sich an genaue Regeln und Vorschriften halten muß, welche wiederum von der Autorität einer übergeordneten Person festgelegt werden.“ konstatiert Mises und fährt fort: „Die Aufgabe des Bürokraten liegt in der Ausführung dessen, was diese Regeln und Vorschriften ihm auftragen. Seine Freiheit, nach eigener, bester Überzeugung zu handeln, wird durch sie bedeutend eingeschränkt.“ (S. 59)

Bürokratie dehnt sich aus

Das Problem ist damit jedoch noch nicht in seinem vollen Ausmaß benannt. Denn die Bürokratie neigt dazu, sich auszuweiten und zu verfestigen. Auch diese gemeinhin bekannte Tatsache (Wagnersches Gesetz der zunehmenden Staatstätigkeit) erläutert Mises durch eine vergleichende Analyse mit ökonomischen Prinzipien. Was Menschen seiner Überzeugung nach eigentlich beklagen, sind weniger die Symptome, heute in Berlin z.B. komplizierte und teure Dienstleistungen, die die Bürger nutzen müssen, um etwa eine Genehmigung zum Absägen eines Baumes oder zum Ausräuchern eines Hornissennestes benötigen, sondern der unfreiwillige Verlust der Handlungsfreiheit.

Unbeschränkte Bürokratie führt zur vollständigen Verstaatlichung

Heute besitzt Mises’ „Bürokratie“ aus einem weiteren Grund eine essentielle Bedeutung. Bereits im Vorwort zur Ausgabe von 1962 weist Mises den Weg der Bürokratie mit einem Zitat von Lenin, dessen Programm es war, „die gesamte Volkswirtschaft nach dem Vorbild der Post zu organisieren“ und so aus der ganzen Gesellschaft „ein Büro und eine Fabrik“ zu machen und alle Bürger „in Angestellte des Staates“ zu verwandeln. Mit dieser Warnung vor einem Marsch in die totale Bürokratisierung ist zugleich die Frage aufgeworfen, ob die Mahnungen vor einem neuen Sozialismus heute berechtigt sind. Roland Baader prägte den Begriff des „Samtpfotensozialismus“. Im Zuge der Finanz- und Staatsschuldenkrise machten Warnungen vor einem EU-Sozialismus die Runde. EUdSSR lautete eine polemische Abkürzung. Zugleich macht der Begriff „bürokratischer Sozialismus“ die Runde, mit dem eine Ausweitung staatlicher Einmischung und Zuständigkeit über Verwaltung, Verordnungs- und Gesetzeswege sowie die Tätigkeit von Behörden bezeichnet wird, die sich zu einem Mehltau-Etatismus steigern. Der Spiegel-Autor Alexander Neubacher hat mit seinem Buch „Total Beschränkt“ das Ausmaß der Misere beschrieben, es trägt den Untertitel „Wie uns der Staat mit immer neuen Vorschriften das Denken abgewöhnt“. Schon 2007 diagnostizierte Wieland Kurzka einen „Paragraphenrausch“. Mit seiner gleichnamigen Abhandlung zur Überregulierung in Deutschland ermöglichte der Jurist dem Leser die gesellschaftliche Krise zu verstehen. Besonders anschaulich ist ihm die Darstellung der Normenflut gelungen, die noch einmal die teils absurden, teils totalitär anmutenden Eingriffe mehrerer Gesetzgeber in die bürgerlichen Freiheitsrechte aufzeigt. So müsste ein Durchschnittsbürger über 80.000 Bestimmungen beachten und die damals geplante europäische Verfassung sei mit ihren 300 Seiten ein bürgerferner Moloch. Direkte Folge dieser „gesetzgeberischen Inkontinenz“, die durch handwerklichen Pfusch sowie Alibi- und Verhinderungsgesetzgebung noch verstärkt werde, seien Ungerechtigkeit, weil die Gleichheit vor dem Gesetz aufgehoben wird, Freiheitsverlust und Standortnachteile. Als Ausweg mahnte Daniel Zimmer, immerhin Vorsitzender der Monopolkommission und Direktor des Center for Advanced Studies in Law and Economics der Universität Bonn, Recht wieder so zu sehen, wie es seine ureigenste Aufgabe ist, nämlich das eigenverantwortliche Handeln der Menschen zu unterstützen. Der Rechtsordnung komme gerade nicht die Aufgabe zu, Wirtschaft und Gesellschaft nach den Vorlieben von Politikern oder Spitzenbeamten zu gestalten: „Das Recht dient vielmehr den Menschen als eine Infrastruktur zur Ausübung von Freiheiten.“ Sein lesenswertes konzises Buch „Weniger Politik! Plädoyer für eine freiheitsorientierte Konzeption von Staat und Recht“ enthält auf dem Cover das Zitat: „Unsere Freiheit ist in Gefahr, weil die Politik immer mehr Lebensbereiche mit beschränkenden Regeln erfasst.“

Grund genug, um zu klären, ob Bürokratie und Interventionismus zum Sozialismus führen. Nachfolgend werden dazu einige bedeutende Autoren zusammengeführt, deren Erkenntnisse Einsichten in die Mechanik von Bürokratismus und Interventionismus versprechen. Im Mittelpunkt steht Ludwig von Mises.

Bürokratie oder Marktwirtschaft

Ludwig von Mises urteilte in „Bürokratie“ zeitlos: „eine staatliche Aufsicht der Wirtschaft [ist] letzten Endes unvereinbar mit jeder Form verfassungsmäßiger und demokratischer Regierung“. Mit staatlicher Aufsicht meinte Mises die Kontrolle der Wirtschaft nach staatlicher Maßgabe, also dass wesentliche Entscheidungen durch Staatsvertreter gefällt werden. Eindringlich wie kaum ein anderer wies Mises darauf hin, dass der Weg der Preiseinmischungen letztlich in eine vollständige Steuerung der Wirtschaft führt. Das Milch-Beispiel lohnt immer wieder die Lektüre, weshalb es am Ende des Textes im Anhang nachzulesen ist.

In der Praxis stellt sich die Frage, wann und ob und an welcher Stelle die Einmischung stoppt und ob Eingriffe wieder zurückgenommen werden. Unmöglich ist das nicht, wie zahlreiche Reformen in verschiedenen Ländern der ganzen Welt zeigen. Besonders prominent ist das Beispiel Großbritannien, das nach dem Zweiten Weltkrieg immer tiefer in den Sozialismus abrutschte. Die machtpolitische Führung des Landes oblag in den 1970er Jahren nicht mehr dem Parlament und der Regierung, sondern den Gewerkschaften. Margret Thatcher änderte das.

Mises hatte über 30 Jahre zuvor geschrieben: „Es ist kein Zufall, daß sozialistische Länder diktatorisch beherrscht werden.“ Eine Verstaatlichung der Wirtschaft muss diktatorisch sein, weil das Kommando über die Aktivitäten der Wirtschaft bei einer Person oder einer kleinen Personengruppe liegt. Die Wirtschaftslenkung erfolgt zentral und nicht dezentral wie in einer Marktwirtschaft. Der Markprozess ist durch Unternehmer gekennzeichnet, die nach Gewinn streben. Allerdings wird die Produktion nicht von ihnen festgelegt, sondern von den Verbrauchern: „Die wahren Herrscher im kapitalistischen System der Marktwirtschaft sind die Verbraucher. Sie entschieden – indem sie kaufen oder von einem Kauf absehen – wer das Kapital besitzen und wer die Fabriken leiten soll. Sie legen fest, was und in welcher Menge und Qualität produziert werden soll. Ihre Ansichten bestimmen Gewinn oder Verlust des Unternehmers. Sie machen Arme Reich und Reiche arm.“ (S. 37) Die Marktwirtschaft ist also eine Verbraucherwirtschaft, die Planwirtschaft wie jede staatliche Wirtschaft eine Produzentenwirtschaft. Nur in der Marktwirtschaft existiert eine Wirtschaftsrechnung – sie erfolgt mittels Marktpreisen und zieht Gewinn und Verlust nach sich. In einer Marktwirtschaft werden Menschen nach dem Dienst an Mitmenschen bewertet. In der Bürokratie ist das anders. „Die Ziele der öffentlichen Verwaltung können nicht in Geld bemessen und mit Wirtschaftsrechnung überprüft werden.“ (S. 60) Es gibt keinen Marktpreis für Leistungen der öffentlichen Verwaltung. Es gibt auch keinen Rechnungszusammenhang zwischen Einnahmen und Ausgaben, da es nur Ausgaben gibt. Einnahmen resultieren aus Gesetzen und Vorschriften. Die Nachfrage nach öffentlichen Leistungen kann nicht in Marktpreisen ausgedrückt werden. Als Ersatz dienen Vorschriften. Das ist zum Teil nicht oder kaum zu ändern wie die Beispiele Polizei, Finanzamt, Auswärtiges Amt andeuten.

Bürokratisches Handeln ist selbstbezogen

Interessant wird es jenseits dieser Makro- auf der Mikroebene, dort wo Menschen handeln. Die Personalführung unterliegt vollständig dem bürokratischen Prinzip. Alles hängt vom Vorgesetzten persönlich ab: „Völlige Abhängigkeit von der Gunst des Vorgesetzten war ihr Schicksal. Der Amtseid band sie auch außer Dienst.“ (S. 67) schrieb Mises über die Beamten und fügte hinzu, dass sich ihr Charakter veränderte, weil sie zumeist dauerhaft dem Leben in der gewinnorientierten Privatwirtschaft entzogen waren. Schwerpunkt bürokratischer Tätigkeit ist es, Formalitäten einzuhalten. Anweisungen und deren Einhaltung werden wichtiger als echter Erfolg, zumal der bürokratische Erfolg nicht messbar ist. Häufig ist es nicht einmal möglich, den Bedarf für eine bürokratische Tätigkeit überzeugend zu begründen, geschweige denn zu quantifizieren oder in ein Verhältnis von Aufwand und Ertrag zu setzen. Den Erstellern bürokratischer Leistungen sind zuweilen nicht einmal die Abnehmer bekannt, da keine Übersicht vergleichbar mit einer Marktanalyse der Konsumenten existiert, es sei denn es handelt sich um Tätigkeiten für Vorgesetzte. Kein Wunder, dass Tatkraft und Unternehmergeist verloren gehen.

Bürokraten stehen nicht unter Wettbewerbsdruck, verfolgen ihre Ziele unter den Anreizbedingungen öffentlicher Wahlhandlungen. Das kann verfassungskonform erfolgen, aber auch nicht. Erst ein Rechtsstaat kann und soll der Willkür Grenzen setzen. So ruht für Mises bürokratisches Wirtschaften in einer Demokratie auf zwei Säulen: Vorrang des Gesetzes und ein von Volksvertretern kontrollierter Haushalt. Das sollte bedeuten: Keine Strafe ohne Gesetz. Und alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. Aber die Maßnahmen der Behörden dienten stets der Ausführung des Willens der obersten Behörde, so Mises. Ergänzen lässt sich: Die behördliche Perspektive ist zumeist nicht die der Gleichheit aller Menschen. Zudem kann der Staat nicht jemanden besser stellen, ohne jemand anderen schlechter zu stellen, wenn er mehr als allgemeine Gesetze erlässt. Kann es sein, dass die „soziale Gerechtigkeit“ zur Leitidee erkoren wurde, weil sie mit bürokratischem Wirtschaften korrespondiert? Staatliches Handeln wird in allen Lebensbereichen auch moralisch gerechtfertigt. Im Namen der Alternativlosigkeit verhält es sich ähnlich bei der EU und EZB wie Markus C. Kerber prägnant in „Wehrt Euch Bürger! Wie die Europäische Zentralbank unser Geld zerstört“ schildert. Bekanntlich geht die EU-Bürokratie nach dem Prinzip vor: Tun, was gefällt bis sich Widerstand regt. Und bei alldem gilt heute mehr denn je, Dilettanten, Kurzfristdenker und Politaktivisten dominieren die Staatsbürokratie.

Bürokratie schwächt die Wirtschaft

Dabei bleibt es jedoch nicht. Staatseingriffe schwächen auch die Privatwirtschaft und das Gewinnmotiv der Unternehmen. Gewinnorientiertes Wirtschaften wird durch Staatsinterventionen geschwächt, weil Preise verfälscht, unternehmerisches Handeln erschwert, Entdeckungswege versperrt und zugleich Subventionen gewährt werden. Das Bürokratisieren der Wirtschaft bedeutet regelmäßig einen hohen Verwaltungsaufwand, der für die Einhaltung von Vorschriften und das Erstellen von Dokumentation anfällt und so Kräfte bindet, die sich nicht um die Bedürfnisse der Kunden kümmern können. Direkte Eingriffe in das Gewinnmotiv sind Regulierungen der Gewinnhöhe (Höchstpreise), Eingriffe in die Personalauswahl (Frauen, Frauenquote), Abhängigkeit vom Gutdünken der Bürokraten (Genehmigungen, Konzessionen, Zölle). Wie demotivierend das sein kann, dafür hat jeder sein eigenes Beispiel. Problematisch ist einen Mischung aus obrigkeitlichem Verhalten und mangelndem Wissen. Das zeigt sich bei der genehmigungspflichtigen Namensgebung für Kinder. So lehnte eine Mitarbeiterin eines Einwohnermeldeamtes in Berlin Mitte den Zweitnamen Nike ab, weil sie ihn für eine Sportmarke hielt. Vom antiken Griechenland und seinen Siegesgöttinnen hatte sie noch nichts gehört.

Bürokratie ist eigengesetzlich

Bürokratie erwächst nicht aus einer freien Gesellschaft, sondern ausschließlich aus der Sphäre des Staates. Das gilt auch für die milde Form einer Bürokratisierung von Konzernen, da diese noch dem Gewinnmotiv unterliegen. Die Staatsbürokratie folgt eigenen Gesetzmäßigkeiten und schafft sich eine Rechtssphäre, die sich grundsätzlich von der freier, gleicher Menschen unterscheidet. Ein Beispiel ist das Beamtengesetz. Ein anderes ist jene Sondergesetzgebung, die sonst illegales, unmoralisches Handeln legitimiert, darunter Gewaltanwendung, Geheimdienste mit ihrer Informationsbeschaffung und die Immunität von Abgeordneten. All das geschieht in einem Rechtsstaat nicht im rechtsfreien Raum. Dabei wachen Staatsvertreter über die Einhaltung der Gesetze anderer Angehöriger des Staates. Umso bedeutender ist eine mündige Bürgergesellschaft.

Auffällig ist, dass es in Bürokratien eine verbreitete Haltung gibt, für alles eine pragmatische Lösung finden zu können und zu müssen. Das kann zu einer eigentümlichen Mischung aus Aktivismus und Faulheit führen, aus zu spätem oder zu frühem Handeln. Bis die Flüchtlingsströme unübersehbar geworden sind, verhält sich die Bürokratie abwehrend, dann unvergleichlich träge. Wenn die Konjunktur aus Sicht von Politik und Bürokratie schwächelt, werden Konjunkturpakete geschnürt, die sich erst im bereits begonnenen Aufschwung auswirken.

Ungeachtet dessen hat die Bürokratie immer Recht. Die Argumentation lautet: Wir müssen handeln, um schlimmeres zu verhindern. Wenn nichts besser geworden ist, lautet die Argumentation: Gut, dass wir gehandelt haben – das war ein Erfolg, sonst wäre es schlechter geworden. Stets soll Pflichterfüllung ausreichen, um ein nützliches Mitglied zu sein und für Unzulänglichkeiten nicht verantwortlich gemacht zu werden. Dementsprechend herrscht die Auffassung, die Gesellschaft schulde ihren Beamten ein Beamtengehalt.

Bürokratismus untergräbt und zerstört eine freie Gesellschaft

Ein weiteres Merkmal bürokratischen Handeln ist die Spaltung der Gesellschaft. Durch staatliche Eingriffe werden Gewinner und Verlierer geschaffen, werden spezifische Gruppen mit Vorteilen versehen, während andere leer ausgehen. Sobald die Verluste zu groß werden, wandern Bürger in die Schattenökonomie ab. Steuerwiderstand ist das prominenteste Beispiel, das dem Wohlstand mindernden Handeln der Bürokratie geschuldet sein kann. Das darf nicht dazu führen, dass Bürger kriminalisiert werden. Es darf nicht in dieser Pauschalität gelten: Die Staatsbürokratie erklärt sich zum Verteidiger von Recht und Ordnung, die gegen geltende Gesetze verstoßende Bürger sind Steuersünder. Sind die Steuergesetze verhältnismäßig, ist eine wichtige Frage. Moralisierung darf nicht Einzug halten in staatliches Handeln. Das wäre ein Rückschritt hinter die Aufklärung. Eine Senkung von Steuern und Abgaben, die in einem Zusammenhang mit der Steuerflucht vielleicht bereits (mehrfach) versteuerter Gelder in der Wissenschaft als geeignete Maßnahme gilt, wird nicht erwogen, sollte es aber. Das gilt umso mehr als Bürokratie eine florierende Marktwirtschaft für die eigene Existenz benötigt.

Bei allen Beispielen gilt, das sei an dieser Stelle ausdrücklich betont, es gibt viele kluge und tatkräftige Menschen in Bürokratien, viele wirklich Fachkundige und Hellsichtige. Als große Organisationen haben sie mit den Problemen zu kämpfen für die im übertragenen Sinne gilt, was Generaloberst Kurt von Hammerstein-Equord über Offiziere sagte: „Ich unterscheide vier Arten. Es gibt kluge, fleißige, dumme und faule Offiziere. Meist treffen zwei Eigenschaften zusammen. Die einen sind klug und fleißig, die müssen in den Generalstab. Die nächsten sind dumm und faul; sie machen in jeder Armee 90 % aus und sind für Routineaufgaben geeignet. Wer klug ist und gleichzeitig faul, qualifiziert sich für die höchsten Führungsaufgaben, denn er bringt die geistige Klarheit und die Nervenstärke für schwere Entscheidungen mit. Hüten muss man sich vor dem, der gleichzeitig dumm und fleißig ist; dem darf man keine Verantwortung übertragen, denn er wird immer nur Unheil anrichten.

Abschließend sei ein letzter Aspekt erwähnt, den Mises persönlich erlebte und als „Bürokratisierung des Denkens im Kampf gegen die Nationalökonomie“ bezeichnete. Da die Bürokratie nicht nach ökonomischen Gesetzmäßigkeiten funktioniert, hegen ihre Vertreter eine natürliche Abneigung gegen die Wirtschaftswissenschaft, zumal die durch den klassischen Liberalismus geprägte. An die Stelle der Ökonomie tritt die Staatswissenschaft, heute immer noch überwiegend die Rechtswissenschaft. Dementsprechend staatsfreundlich ist die Einstellung der Masse der auf staatlichen Universitäten und staatlichen Schulen und Kindergärten tätigen Beamte und öffentlichen Angestellten. Das hat wiederum zur Folge, dass die Geisteshaltung der Bürokratie flächendeckend Einzug hält. Der Beamtenstaat schafft sich seine eigene Grundlage. Die antikapitalistische Mentalität breitet sich aus. Kritische Geister und Querdenker haben keinen Platz, Mitläufer werden belohnt.

Den Kern der Philosophie des Bürokratismus beschreibt Mises aus Sicht der Bürokraten wie folgt: „Wenn der individuelle Bürger eines des Gesetze seines Landes verletze, sei er ein Krimineller, der Strafe verdient. Er habe für seinen eigenen, selbstsüchtigen Vorteil gehandelt. Aber es sei ganz etwas anderes, wenn ein Amtsinhaber von den ordnungsgemäß verkündeten Gesetzen des Landes zum Vorteil des ‚Staates’ abweicht. Nach Meinung ‚reaktionärer’ Gerichte möge er, technisch gesehen, eines Vergehens schuldig sein. Doch in einem höheren moralischen Sinne habe er recht. Er brach menschliches Gesetz, um nicht gegen ein Gesetz Gottes zu verstoßen.“ (S. 84) Daraus folge, dass es nicht akzeptabel sei, dass ein Krimineller seiner Strafe entgehe, nur weil Staatsangehörige ein paar Formfehler bei seiner vernachlässigbare Verfolgung begangen haben. Warum soll ein Mensch niedrigere Steuern zahlen, nur weil es eine übersehene, aber natürlich nicht so gemeinte Lücke im Steuergesetz gibt? Von dieser Auffassung sei es nicht weit bis zu der Überzeugung: Wenn der Staat nur nicht so viele gesetzliche Fesseln hätte, würde die Welt besser werden. Mises warnt: Derartige Bürokraten vergessen, dass ihre berufliche Daseinberechtigung allein im Dienst an den Bürgern besteht, von denen sie bezahlt werden. Allerdings ist diese freiheitliche und ökonomische Sichtweise umfangreicher Kritik ausgesetzt. Antikapitalistische und proetatistische Meinungen werden durch Produzenten öffentlicher Meinung verbreitet. Warum das so ist, dazu hat Mises später einen eigenen Band veröffentlicht: „Die Wurzeln des Antikapitalismus“.

Als Waffe gegen Bürokratismus und Sozialismus gibt es für Mises nur die Vernunft. „Nur gesunder Menschenverstand wird benötigt, um den Menschen davor zu bewahren, zur Beute illusorischer Phantasien und leerer Schlagwörter zu werden.“ (S. 128)

Bewertende Zwischenbemerkung

Es gibt einen Bedarf für Politik und es gibt einen Bedarf für Bürokratie. Es gibt einen Unterschied zwischen guter und schlechter Bürokratie, was an ihrem eigengesetzlichen Wesen nichts ändert. So ist es sinnvoll, sich aus freien Stücken Beschränkungen aufzuerlegen, etwa um Verträge einzugehen, deren Nichterfüllung zu Sanktionen führen, denen man vor Vertragsabschluss zugestimmt hat. Sonst würden die meisten Verträge nicht zustande kommen. Eine professionell arbeitende, unter dem Recht stehende Bürokratie stiftet Nutzen. Das gilt offensichtlich für die Polizei, die schwerlich nach dem Gewinnmotiv arbeiten kann. Das gilt offensichtlich auch für die Streitkräfte und für Gerichte respektive erhebliche Teile des Justizwesens. Indes bieten sich hier Ansatzpunkte für die Privatisierung von Teiltätigkeiten. Überhaupt sollte mehr experimentiert werden innerhalb der Bürokratien und im echten Wettbewerb mit nicht-bürokratischen Institutionen, was vielfach auf eine Zuständigkeitsfrage hinausläuft. Indes geht es Mises nicht um eine derartige umfassende Würdigung, sondern darum, das Wesen der Bürokratie zu enthüllen. Und dieses Wesen ist nicht freiheitlich, sondern obrigkeitlich bestimmt. Gleichwohl finden sich in der Staatsbürokratie bemerkenswerterweise seit je her Freigeister. Einer der namhaftesten von ihnen war zeitweise Wilhelm von Humboldt.

Mises’ Kritik des Interventionismus

Mises Verständnis von Interventionismus wurde geprägt durch den Ersten Weltkrieg und die Zwischenkriegszeit. Während und nach der Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts veränderte sich die einst globalisierte Welt, die trotz sukzessiver Abkehr noch durch den Liberalismus geprägt war. Nationalismus, Protektionismus und Etatismus brachen sich in ungeahnter Dimension Bahn. Der Einfluss des Staates nahm Ausmaße an, die es nie zuvor gegeben hatte. Im Faschismus und unter den Nationalsozialisten, aber auch in der Roosevelt-Ära wurde die pragmatische und progressive Lenkung von Wirtschaft und Gesellschaft nach den Zielen der Herrschenden vorangetrieben. Im nationalsozialistischen Deutschland gerieten handstreichartig immer weitere Teile von Wirtschaft und Gesellschaft unter die Kontrolle von Partei und NS-Staatsbürokratie. Der Sammelband „Kritik des Interventionismus und Verstaatlichung des Kredits“, bestehend aus fünf bzw. sechs Aufsätzen, vermittelt Einblicke in die Welt der 1920er Jahre, die in mancherlei Hinsicht heute wieder relevant sind.

Mises unterscheidet und trennt Interventionismus von Sozialismus. Interventionismus stellt für ihn einen Dritten Weg dar, der (zunächst) weder kapitalistisch noch sozialistisch ist, sondern ein eigenständiges Wirtschaftsystem darstellt. Interventionismus ist ein System staatlicher Eingriffe, die das Privateigentum beschränken, regeln und lenken. Interventionismus führt zur „gebundenen Wirtschaft“ und sollte nicht mit Sozialismus vermengt werden. Mit Mises Worten:
„Doch der Interventionismus will eben, und das gerade kennzeichnet ihn, nicht so weit gehen. Er will das Sondereigentum an den Produktionsmitteln nicht aufheben, sondern nur einschränken. Er erklärt einerseits, daß das uneingeschränkte Sondereigentum an den Produktionsmitteln der Gesellschaft schädlich sei, aber er hält anderseits das Gemeineigentum an den Produktionsmitteln, den Sozialismus, entweder überhaupt oder doch wenigstens für den Augenblick für undurchführbar. Und so will er etwas Drittes schaffen: einen Gesellschaftszustand, der in der Mitte zwischen Sondereigentum an den Produktionsmitteln auf der einen Seite und gesellschaftlichem Eigentum an den Produktionsmitteln auf der anderen Seite liegt. Damit sollen die ‚Auswüchse’ und Schäden des Kapitalismus vermieden werden und doch die Vorteile freier Initiative und Regsamkeit gewahrt bleiben, die der Sozialismus nicht gewähren kann.“

Folglich entscheidet nicht das Gewinnstreben, sondern die Staatsräson über Gewinn und Verlust. Das Privateigentum bleibt dem Namen und der Sache nach bestehen, wird aber durch den Interventionismus eingeschränkt. Recht und Eigentumsschutz sind unvereinbar mit dieser Politik. Die Eingriffe sind vielfältiger Natur und können in

  • direkten, lenkenden Eingriffen in die Produktion bestehen, etwa über den Ausschluss von Verwendungen von Gütern, und
  • Eingriffen in die Preise („Preistaxen“) bestehen, die regelmäßig bei staatlich geschützten Berufsständen existieren, etwa Apothekern und Notaren, aber in Form von Mindest- und Höchstpreisen heute weit verbreitet sind.

Zudem wirken sich ähnlich

  • Eingriffe steuerlicher Art aus, nicht zuletzt durch Anwendung unterschiedlicher Steuersätze selbst für ähnliche Produkte, etwa den Kauf eines Brötchens und das Essen eines Brötchen an einem Tisch in einer Bäckerei oder für Maultiere und Pferde.

Gesonderte Kritik gilt

  • Eingriffen in das Kreditwesen, das Mises unter „Verstaatlichung des Kredits?“ behandelt.

Viele Eingriffen verbindet leider, dass sie Knappheit erzeugen und Übelstände vermehren, die sie beseitigen sollten. Die angestrebten Ziele werden nicht erreicht. Die Folgen sind dementsprechend Destruktion, Korruption und Moralverzehr. Der Verbraucher wird entmachtet. Die Ökonomie weicht der Staats- und Polizeiwissenschaft der Obrigkeit wie es früher hieß.

Mises urteilt, dass die eigentliche Vorstellung des Etatismus das Zusammenleben im sozialistischen Ideal ist: „Zu den Eigentümlichkeiten der etatistischen Lehre gehört es, daß sie sich das gesellschaftliche Zusammenleben der Menschen überhaupt nicht anders als in der Gestalt ihres besonderen sozialistischen Ideals vorzustellen vermag.“ (S. 125)

Schon in seiner Kritik des Interventionismus von 1929 sieht Mises nur die beiden Alternativen: entweder marktliche oder bürokratische Steuerung. Der „Dritte Weg“ stellt für ihn einen Marsch auf dem „Dritten Weg“ in die „Gebundene Wirtschaft“ dar. Das haben nicht zuletzt die Nationalsozialisten praktiziert, die viel Wert darauf legten, die Wirtschaft nicht sichtbar zu verstaatlichen, aber so weit als irgend möglich auf den staatlichen Rüstungskurs zu trimmen.

Wohin Sozialismus und „Dritte Wege“ führen, das hat Friedrich August von Hayek in seinem Beststeller dargelegt.

Hayeks Weg zur Knechtschaft

„Der Weg zur Knechtschaft“ wurde 1944 zunächst auf Englisch als Kriegsbeitrag Hayeks veröffentlicht und ein Jahr später auf deutsch. Gewidmet allen Sozialisten, erläuterte Hayek, dass ihre Politik eine zwangsläufige Gefahr für die Freiheit darstellt, mehr noch, eine Tyrannei, die die konsequente Folge einer Kontrolle der wirtschaftlichen Entscheidsprozesse durch die Regierung ist. Die Ausdehnung von Planung und Lenkung durch den Staat bedingt eine Einschränkung der Wahlfreiheit der Bürger. Letztlich stellt der Sozialismus sogar eine Tragödie dar, weil er das Gegenteil von dem bewirkt, was er zu erreichen vorgibt. Macht löst sich nicht auf, indem man sie Individuen nimmt und „dem“ Staat überträgt. Vielmehr geben die Skrupellosesten den Ton in einer Gesellschaft an, die sich in Richtung Totalitarismus entwickelt. Zugleich zeigt Hayek die Verwandtschaft von Sozialismus und Faschismus auf, aber auch die Familienbande zum Wohlfahrtsstaat. Alle drei stellen für Hayek Wege zur Knechtschaft dar. „Was tatsächlich die Sozialisten auf der Linken und auf der Rechten zusammenführt, ist die gemeinsame Feindschaft gegen die Konkurrenz und ihr gemeinsamer Wunsch, sie durch eine gelenkte Wirtschaft zu ersetzen.“ urteilte Hayek und warnte daher vor gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Planung und Kontrolle durch eine Zentralregierung. Diese zeitlose Mahnung richtet sich an all jene, die vom Staat eine Lösung aller Probleme erwarten. Statt den Fortschritt zu planen, gilt es Bedingungen zu schaffen, die es ermöglichen, dass sich der Fortschritt Bahn bricht.

Ursache ist eine wesentliche Gemeinsamkeit aller drei zuvor genannten Wirtschaftssysteme: Der Staat ist befugt, seine Machtstellung über das Individuum in alltäglichen Belangen einzusetzen – jenseits hoheitlicher Aufgaben, die dem Schutz von Leib und Leben sowie Eigentum gegen äußere Gefahr dienen. Diverse staatlichen Eingriffe sind nicht harmlos, sondern zerstören die Institutionen, auf denen eine freie Gesellschaft ruht: Eigentum, Markt, Demokratie, die Freiheit. Alle drei Systeme besitzen für Hayek einen totalitären Charakter, allerdings in deutlich unterschiedlicher Ausprägung. Alle drei ermöglichen die Dominanz zentraler Planung über die dezentralen Pläne der Bürger. Der Wohlfahrtsstaat löst für Hayek, hier gleicht die Argumentation offensichtlich der von Mises, eine Planungsspirale aus. Zudem erfordert zentrale Planung Allmacht und führt zur Sehnsucht nach einem starken Mann. Ungeachtet dessen bleibt der Weg in die Knechtschaft mit gut gemeinten Vorsätzen gepflastert.
Dritte Wege, die Mischung von Demokratie und Sozialismus und von Rechtsstaat und Sozialismus, hält Hayek für unmöglich. Gegensatzpaare ließen sich nicht vereinen, sondern nur als Alternativen realisieren. Das kommt in einem längeren Zitat anschaulich zum Ausdruck:

„Vor dem Gedanken einer völligen Zentralisierung der Wirtschaftssteuerung schrecken die meisten Menschen immer noch zurück, nicht nur, weil die Aufgabe so ungeheuer schwer ist, sondern weit mehr noch aus dem Grunde, weil sie die Vorstellung verabscheuen, dass alles und jedes von einem einzigen Zentrum aus gelenkt werden solle. Wenn wir trotzdem rasch einem solchen Zustand zutreiben, so zum großen Teil deswegen, weil die meisten Leute immer noch glauben, es müsse möglich sein, irgendeinen ‚Mittelweg’ zwischen ‚atomistischem’ Wettbewerb und zentraler Steuerung zu finden. Sowohl das Wettbewerbsprinzip wie das der zentralen Steuerung werden zu schlechten und stumpfen Werkzeugen, wenn sie unvollständig sind. Sie sind einander ausschließend Prinzipien zur Lösung desselben Problems, und eine Mischung aus beiden bedeutet, dass keines von beiden wirklich funktionieren und das Ergebnis schlechter sein wird, als wenn man sich konsequent auf eines von beiden verlassen hätte.“

Hayeks Anliegen war es, den intellektuellen Irrtum mit immanenten fatalen Folgen – einen schleichenden Totalitarismus – als solchen zu entlarven. Wer die Wirtschaft beherrscht, der beherrscht das Leben insgesamt, weil der Verbraucher umfassend entmündigt wird. Es ließe sich entgegnen, dass eine Umkehr möglich ist. Das zeigte Thatcher, die Hayek gelesen hatte. Das belegen historisch die bankrotten skandinavischen Staaten, genauer Schweden, das einen neoliberalen Wandel erlebte. Auch Neuseeland war ein Erfolgsbeispiel. Gleichwohl bleibt die schiefe Ebene zum Autoritären, das gilt auch für die vereinheitlichte Weltanschauung, die entstehende Kollektivmoral. Und es gilt vor allem im Hinblick auf das Recht. Formale Normen des Rechtsstaats wurden in den 1930er Jahren zu materiellen Normen des totalitären Regimes. Aus abstrakten allgemeinen Rechtsregeln wurden konkrete, mitunter bewusst mehrdeutige Gesetze und Verordnungen, die konkreten Zielen dienten, denen die Regeln untergeordnet wurden. „Der Zweck heiligt die Mittel!“ war die Devise. In seiner berühmten Analyse zum Nationalsozialismus bezeichnete Ernst Fraenkel diesen Prozess als Wandeln vom Normen- zum Maßnahmenstaat.

Der 3. Weg führt nach nirgendwo

Das Ansinnen, die Effizienz der Märkte mit Egalitarismus und Kollektiveigentum verbinden zu wollen, ist ein fundamentaler Irrtum. Egalitarismus und Kollektiveigentum zerstören über institutionelle Anreize und Zwänge die Märkte. Sozialismus verändert wie der Interventionismus nicht nur die Verteilung dessen, was Märkte hervorbringen, sondern zerstört gerade die Institutionen, die für die marktwirtschaftliche Leistungserbringung erforderlich sind. Märkte sind effizient, weil sie Gewinner und Verlierer, Risiko und Haftung, Unternehmertum und Bankrott, Spekulation und Unsicherheit benötigen, argumentiert Anthony de Jasay, der 1948 aus dem kommunistischen Ungarn emigrieren musste. Sozialisten wollen zur Produktivitätssteigerung nur die positiven Seiten gelten lassen. Sie bekämpfen die negative Kehrseite der Medaille und enden so zwangsläufig im Bankrott. Märkte können nur erfolgreich sein, wenn sich das Eigentum in privater Hand befindet. Und das bedeutet, dass jeder, der Ressourcen bündelt und nutzt, bei einer richtigen Wahlentscheidung in vollem Umfang profitiert, aber auch bei einer schlechten alle Konsequenzen selbst trägt.

Konsequente Sozialisten rennen für de Jasay genauso wie Verfechter eines Marktsozialismus in eine Mauer totaler Widersprüche: Kann es eine Eigentumsform geben, die in ihren Auswirkungen auf die Motivation der Menschen privat bleibt, zugleich aber auch nicht-privat, indem sie marktwirtschaft-liche Dominanz, marktwirtschaftliche Ungleichheit und vermeintliche marktwirtschaftliche moralische Willkür ausschließt?

In unnachahmlicher Weise resümiert de Jasay die Konsequenzen von Kollektiveigentum: „Sobald der Staat der einzige Besitzer von Vermögenswerten ist, die getauscht werden, kann er bestenfalls den Tausch zwischen seiner rechten und seiner linken Hand organisieren, mit dem Ergebnis eines ’simulierten Marktes‘, der simulierte Vermögenspreise erzeugt, einem simulierten ‚veränderlichen‘ Zinssatz, simulierten Gewinnen und Verlusten simulierter Effizienz, am Ende des Weges simulierten Geschäften, die vortäuschen simulierte Güter zu verkaufen.“ Marktsozialismus ist ein Selbstbetrug infolge verworrenen und widersprüchlichen Denkens. Daher sind Marktsozialismus und Dritter Weg mit den Worten des vielleicht erfrischendsten politischen Denkers unserer Zeit ein „offener begrifflicher Widerspruch wie heißer Schnee, jungfräuliche Prostituierte, fettes Skelett, rundes Quadrat“.

Moderne Forschung stützt Mises Einschätzungen

Mises Einschätzungen zum Interventionismus, der auf einer rutschigen Bahn immer mehr Interventionen nach sich zieht und schwer zu stoppen, geschweige denn zurückzuführen ist, wurde in modernen Forschungsbeiträgen bestätigt und ausgeführt. Exemplarisch und nicht repräsentativ seien einige nachfolgend erwähnt.

Eine führende Arbeit zur veränderten Rolle des Staates im 20. und frühen 21. Jahrhundert hat Vito Tanzi verfasst: „Government versus Market. The Changing Role of the State“ (2011). Tanzi untersucht auf breiter statistischer Grundlage die Ausdehnung des Staatseinflusses, die Muster der Staatsausgaben und den Zusammenhang zwischen einem wachsenden Staat und einer vermehrten Nachfrage nach staatlichen Leistungen. Praktisch alle Staaten nehmen inzwischen drei Aufgaben war: 1. Die Akkumulation von Ressourcen zur Finanzierung von Großprojekten. 2. Die Umverteilung von Einkommen. 3. Die sogenannte Stabilisierung der Wirtschaft, vor allem durch keynesianische Fiskalpolitik. Politikökonomisch begründet untersucht Tanzi welche Aufgaben eine Regierung übernehmen sollte.

Die Rücknahme von Interventionen wird wegen des Sperrhakeneffekts („ratchet effect“) erschwert. Robert Higgs hat in „Crisis and Leviathan“ die Ausdehnung der Regierung in Krisenzeiten analysiert, die ihm als irreversibel erscheint. Der Krieg diente noch immer der Ausdehnung des Staates. Passend dazu ist eine seiner Publikationen betitelt mit „From Warfare to Welfare State“. Bereichert hat Higgs die Debatte im die Große Depression und ihre Ursachen durch den Terminus „regime uncertainty“, d.h. die Unsicherheit von Investoren, ob sie ihr Eigentum behalten und darüber verfügen können, gerade auch Kapital. Ursächlich sind Eingriffe des Staates oder deren Ankündigung und ein antikapitalistisches, insbesondere gegen Unternehmer gerichtetes politisches Klima.

Das Stichwort „Deep State“ deutet an, warum es institutionell schwer ist, eine Rollback-Politik erfolgreich gegen tief verwurzelte Bürokratien durchzuführen. Ursprünglich diente die bürokratische Schöpfung der Überwindung akuter Krisen; einmal existent, finden sich nicht nur „unverzichtbare“ neue Aufgaben für die Behörde, es bildet sich auch ein bürokratisches Netzwerk, das Beharrungskräfte mobilisiert, mit wirtschaftlichen und sicherheitlichen Machtgruppen verbunden sein kann, die wechselnde Regierungen überdauern und zuweilen die Organisation eines Staates im Staate annimmt. Beispiele sind keineswegs nur in Entwicklungsländern Legion.

George Joseph Stigler hat in „The Theory of Economic Regulation“ seine Capture Theory entwickelt. Interessengruppen nutzen regulatorische und zwangsbewährte Regierungsmacht, um Gesetze und Regulierungen zu ihren Gunsten zu beeinflussen. Für die staatlichen Eingriffe waren vielfach weder Verbraucherschutz noch sogenanntes Marktversagen ursächlich. Dass es dennoch zu Regulierung kommt, liegt nach Stigler daran, dass eine spezifische Branche (oder organisierte Interessen) Vorteile durch staatliche Eingriffe erzielt, die Regulierung daher entwirft, umsetzen lässt und für ihre Zwecke nutzt. Dabei hat Ronald Coase in „The Problem of Social Cost“ 1960 aufgezeigt: Gut definierte Eigentumsrechte unter Berücksichtigung von Transaktionskosten begrenzen externer Effekte (Coase-Theorem) und machen selbst ein zunächst berechtigt erscheinendes staatliches Eingreifen überflüssig.

Die Public Choice Theorie hat zutage gefördert, dass Staatsvertreter eigene Interessen verfolgen, nicht, wie immer noch leichthin erklärt wird, das Gemeinwohl, und dementsprechend persönlich günstige Entscheidungen treffen, allerdings gebunden an Recht und Ordnung. Analysiert und erklärt werden zudem Rentenstreben, Wahlen und Wahlverhalten, das Entstehen konstitutioneller Regeln. Bemerkenswert ist auch, dass die Politik irrationale, emotionale Entscheidungen und Einstellungen (der Wähler) begünstigt, wie Bryan Caplan in „The myth of the rational voter“ aufzeigt. Die Mechanik ist die des Mises’schen Interventionismus: Wenn die Politik selektiv Vorteile subventioniert, z.B. durch Protektionismus, verteilt sie die Kosten zugleich auf die Allgemeinheit. Während Sonderinteressen gut organisiert sind und professionell arbeiten, ist die Abschaffung von Subventionen und Privilegien teuer und der Nutzen für den Steuerzahler gering. Umgekehrt kommt das Lobbying für ein öffentliches Gut einer spezifischen Gruppe zugute, während der Steuerzahler nur mit wenigen Euros belastet wird. Dieser Mechanismus lässt sich gut mit dem Sperrhakeneffekt verbinden und erklärt die schiefe Ebene, die in die Knechtschaft führt.

Erwähnt sei auch William Niskanen („Bureaucracy and Representative Government“, 1971), der die Public Choice Theorie und die der Bürokratie verbindet. Sein Budget-Maximierungs-Modell besagt, dass das Streben der Bürokraten nach einer Ausweitung ihres Budgets, häufig auch ihrer Mitarbeiterzahl und ihrer Zuständigkeit, wesentlich zum Staatswachstum beiträgt. Hintergrund ist: Die Regierung gewährt das Budget, hingegen nicht die Wähler und schon gar nicht die Konsumenten. Je mehr Zuständigkeit die Bürokratie besitzt, desto größer ist das Budget über das sie verfügen kann. Da es keinen Wettbewerb und keine Grenzanbieter gibt, können auch keine Grenzanbieter ausscheiden.

Schließlich sei noch einmal etwas ausführlicher erläutert, wie die schiefe Ebene, die Interventionsspirale funktioniert. Als schiefe Ebene oder rutschiger Pfad (Slippery slope), auch Dammbruchargument, Dominoeffekt bzw. Gewöhnungseffekt, wird das Betreten und Fortschreiten auf einem abschüssigen Weg bezeichnet, der Stück für Stück weitere negative Konsequenzen zeitigt, darunter eine Reihe unbeabsichtigter Folgen:

  • Die Umverteiler konzentrieren den Nutzen, indem sie eine Gruppe mit Transfers begünstigen. Die dafür erforderlichen Steuereinnahmen werden zumeist nicht erwähnt und fallen durch ihre Verteilung auf alle Steuerzahler ohnehin kaum auf. Während der Begünstigte einen erheblichen Betrag erhält, sind die Cents oder Euros, die die Steuerzahler zusätzlich bezahlen müssen nicht der Rede wert, geschweige denn Widerstand.
  • Sind Subventionen erst einmal gewährt, so gewöhnen sich die Empfänger daran. Sie wollen das, was ihnen zugestanden wurde, nicht mehr hergeben. Widerstand formiert sich.
  • Auch hier lohnt sich die Abschaffung für die vielen, nicht organisierten Steuerzahler nicht, würden sie doch lediglich einige Euros weniger bezahlen müssen. Die Gruppe der Subventionierten ist jedoch klarer gefasst und wird als Gruppe gegen andere Gruppen in Stellung gebracht. Die Klassengesellschaft ist einer Gruppengesellschaft gewichen, in der Politiker Ansprüche von Gruppen formulieren.
  • Schließlich verursachen die Subventionen und Privilegien aber doch Probleme. Die werden dann dem Markt angelastet, der versagt haben soll. Dabei hat der Markt einwandfrei funktioniert, bis Politiker und Lobbyisten Einwände erhoben haben und Eingriffe getätigt haben. Das Problem ist stets nicht der Markt, sondern der Eingriff in den Markt.

Die Ausdehnung politischer Zuständigkeiten und Macht verläuft ähnlich. Handlungsspielräume werden genutzt und erweitert. Wenn erforderlich, werden sie zuvor oder im Nachhinein legalisiert. Unnachahmlich hat das Jean-Claude Juncker zum Ausdruck gebracht: „Wir beschließen etwas, stellen das dann in den Raum und warten einige Zeit ab, ob was passiert. Wenn es dann kein großes Geschrei gibt und keine Aufstände, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter.“ 1999 über die Bürokratie in Brüssel, und „Wenn es ernst wird, muss man lügen.“ 2011, im Zusammenhang mit der Schuldenkrise. Die ganze Ungeheuerlichkeit des EU-Zentralismus deckt Hans Magnus Enzensberger auf ironische Weise in seinem Essay „Sanftes Monster Brüssel oder Die Entmündigung Europas“ auf. Europa habe schon ganz andere Versuche überstanden, den Kontinent zu uniformieren, resümiert der Schriftsteller: „Allen gemeinsam war die Hybris, und keinem von ihnen war ein dauerhafter Erfolg beschieden.“ Das gelte auch für die gewaltlosen Versuche, die „an ihrer Überdehnung und ihren inneren Widersprüchen gescheitert“ seien.

Perspektivisches Fazit

Die gute Nachricht lautet: Die Welt wird immer besser. Seit der kapitalistischen Revolution Mitte des 18. Jahrhunderts ist die Lebenserwartung drastisch gestiegen, sind Bevölkerung und massenhafter Wohlstand einzigartig gewachsen. Nie war die Versorgung mit hochwertigen Produkten so gut wie heute, die Sterblichkeit geringer und zugleich die Kritik an vorhandenen Missständen ausgeprägter. Die weltweite Kooperation hat zusammen mit dem Freihandel nach dem Rückschlag durch Weltkriege und Protektionismus ein neues Niveau erreicht. Überall dort, wo es Marktwirtschaft gibt, geht es den Menschen stetig besser. China ist das vielleicht eindringlichste Beispiel, auferstanden aus kommunistischen Ruinen.

Die schlechte Nachricht lautet: Wir leben in einer Zeit der schleichenden Verstaatlichung und Bürokratisierung. Nie war die Regulierung der Lebensbereiche im freien Westen ausgeprägter, der Staatseinfluss und die Steuer- und Abgabenlast höher: Vom ökologistischen Umbau der Energieversorgung über die semistaatlichen Finanzmärkte bis zur Regulierung des gesamten Lebens – von der Babyanfangsnahrung bis zum Friedhof – ist die Staatsbürokratie nun einmal zuständig.

Die schleichende Verstaatlichung und Bürokratisierung bleibt nicht folgenlos. Nach der Implosion des real existierenden Sozialismus ist vielfach das Gespür verloren gegangen, dass sich westliche Gesellschaften auch per Samtpfotensozialismus in die Sackgasse bewegen können. Sinkende Innovationen, sinkende Investitionen und abnehmendes Produktivitätswachstum sind Alarmsignale. Die zugrunde liegenden Ursachen sind für Österreicher und Liberale klar, nicht jeder teilt diese Sicht. Zugleich ist nicht abzusehen, dass es zu einer Umkehr kommen wird, der einzigen Möglichkeit aus einer Sackgasse herauszukommen.

Viele Menschen begrüßen den wachsenden Staatseinfluss: Sicherheit, Überschaubarkeit, alles ist geregelt, immer gibt es eine Stelle, an die man sich wenden kann und über die man klagen kann. Eine andere Welt ist für die allermeisten gar nicht vorstellbar und die Vorstellung von einem Nachtwächterstaat verursacht entweder Zornesröte oder Schweißperlen. Ein erheblicher Teil der jungen Generation Deutschlands strebt die Sicherheit eines Arbeitsplatzes beim Staat an, wenn man aktuellen Umfragen Glauben schenkt. Das war früher dem weitaus etatistischeren Frankreich vorbehalten.

Zugleich wird deutlich, dass die Bürokratisierung des Lebens nicht folgenlos bleibt. Das gilt nicht nur für den alltäglichen Ärger über Vorschriften, Anmaßungen, Ungerechtigkeiten im Namen „sozialer Gerechtigkeit“, nicht nur für den Gang auf Amtsstuben, die im Vergleich zu Unternehmen museal und ungeheuer trist anmuten. Nein, die Folgen sind weitaus schwerwiegender. Das wirtschaftliche Wachstum hat sich parallel zur Bürokratisierung über Jahrzehnte hinweg abgeschwächt. Die Produktivität bzw. der Produktivitätszuwachs sinkt ebenfalls. Die Investitionen sind rückläufig. Die Innovationsfähigkeit schwindet. Und die Reallöhne sind unter Druck, hinter der Entwicklung der Gehälter in der Finanzindustrie bleiben sie ohnehin seit Jahrzehnten zurück. Das sollte nicht verwundern, denn der Finanzsektor ist durch das Zentralbanksystem zu einem „Geldsozialismus“ mutiert, um noch einmal Roland Baader zu zitieren. Eine Monopolbehörde versucht Geldmenge und Zinsen zu dirigieren. Die permanente Politik des billigen Geldes und der Zinsmanipulation hat zu einer Teilverstaatlichung geführt. Während in der Finanzkrise von einer Kernschmelze im Finanzsystem die Rede war, ist das Gegenteil der Fall, zumindest in der Realwirtschaft: Es findet eine Erstarrung statt, die unter dem Mehltau, der immer wieder auf Deutschland und Europa respektive der westlichen Welt liegt.

Gunther Schnabl ist dieser Entwicklung in zwei lesenswerten monetär ausgerichteten Working Paper auf den Grund gegangen. In „Mit dem Kopf im Sand? Goodharts Gesetz und die Wirkungslosigkeit von Inflationszielen als geldpolitische Regelmechanismen“ arbeitet der Finanzwissenschaftler der Universität Leipzig den ausgehebelten Zusammenhang zwischen steigender Geldmenge und steigender Inflation heraus. Das Geld kommt nicht mehr in der Realwirtschaft an, sondern wird von den Finanzinstituten im Finanzsektor angelegt. Die Folge sind wandernde Finanzblasen und Vermögenspreisinflation. Außerdem sorgen Cantillon-Effekt, Reallohnrepression und Nullzinspolitik für soziale Ungerechtigkeit: Umverteilung findet zugunsten der vermögenden Schichten statt: „Eine Geldpolitik, die seit Mitte der 1980er Jahre hinter dem Feigenblatt geringer Inflation die Finanzmärkte inflationiert, Umverteilung zugunsten vermögender Einkommensschichten bewirkt und damit Reallohnrepression für breite Bevölkerungsschichten bewirkt, dient nicht dem Wohlstand der Nationen, sondern dem Luxus kleiner Eliten.“ (S. 23) In einem zweiten, aktuellen Working Paper „Wege zu einer stabilitäts- und wachstumsorientierten Geldpolitik aus österreichischer Perspektive“ zeigt Gunther Schnabl den Zusammenhang von Stagnation und verfehlter Geld- und Finanzpolitik auf. Sinkenden Innovationen, Investitionen und Produktivitätszuwächse sind Folge einer expansiven Geldpolitik im Dienste der Finanzmärkte, die im Grunde schleichend verstaatlicht werden. Nicht mehr wettbewerbsfähige Grenzanbieter werden gerettet und Banken verstaatlicht (Zombie-Banken entstehen), Einkommen Wohlhabender werden durch stabilisierte Vermögenspreise gesichert, eine Umkehr durch die Kosten einer Leitzinserhöhung erschwert. Es kommt zu einer „Negativspirale aus sinkender Kapitalverzinsung, sinkender Ersparnisbildung der Haushalte, sinkenden Investitionen und sinkender Güterproduktion. Der Wohlstand verfällt.“ (S. 28). Wohlstand durch Staatseingriffe ist die Grundlage des ungehemmten Wachstums der Finanzindustrie im Rahmen des staatlichen Geldsystems.

Samtpfotenzozialismus klingt publizistisch peppig. Offensichtlich leben wir aber nicht im Sozialismus,. Allerdings scheinen Ähnlichkeiten mit sozialistischen Verhältnissen zuzunehmen, zumindest wenn man die Abwesenheit von Kapitalismus mit Sozialismus oder den wachsenden Staatseinfluss mit Sozialismus gleich setzt. Das ist jedoch zu kurz gesprungen.
Sozialismus zeichnet u.a. aus, dass

  • es eine sozialistische Ideologie gibt, etwa die des Kollektivismus und der Klassengesellschaft. Das ist aber heute nicht der Fall, da flächendeckende Verstaatlichungen weder politisch noch ideell eine relevante Rolle spielen, vielmehr handelt es sich um etatistische Ideen. Die desavouierte Ideologie des Sozialismus spielt ebenfalls keine nennenswerte Rolle mehr.
  • es einen Geschichtsdeterminismus gibt, etwa eine Geschichtsphilosophie mit einer vorbestimmten Entwicklung der Gesellschaft. Das ist aber nicht der Fall. Die herrschenden Ideen sind eher durch Pluralität oder Abwesenheit von Entwicklungsmodellen gekennzeichnet.
  • es eine Zentralverwaltungswirtschaft gibt, die Top down das wirtschaftliche Leben der Menschen über die Produktion lenkt. Das ist aber nicht der Fall, vielmehr dominiert die Marktwirtschaft, die allerdings zunehmend bürokratisiert wird.

Grundsätzlich gilt es zwischen verwandten, aber wesentlich verschiedenen Begriffen zu unterscheiden. Sozialismus und Bürokratie sind nicht identisch.

Bürokratie – in der übersteigerten Form als Bürokratismus – ist die Herrschaft des Büros bzw. der Verwaltung. Innerhalb einer festen Hierarchie nehmen die Bürokraten festgelegte Kompetenzen wahr. In positiver Form geschieht dies sachkundig, rational und rechtsgebunden, so dass die Vorschriften dem menschlichen Zusammenleben dienen und Vorschriften nicht über den Menschen gestellt werden. Das an anderer Stelle noch detailliert zu analysierende Problem ist nicht die Bürokratie an sich, sondern ihre Ausdehnung und ihre Existenz in Lebensbereichen, in denen sie nichts zu suchen hat.

Interventionismus ist ein System von Eingriffen, das darauf zielt, andere Ergebnisse hervorzubringen als es die freie Koordination der Menschen zeitigt. Die Eingriffe, die in das Eigentum erfolgen und dessen Verwendung beschränken, sollen einzelne Gruppen besser stellen. Ein ausufernder Interventionismus führt nicht zum Sozialismus, sondern zu einer staatlich gebundenen und gelenkten Wirtschaft. Interventionismus zielt nicht von Beginn an auf eine vollständige Umwälzung von Wirtschaft und Gesellschaft.

Interventionsmus ist Teil des Etatismus, einer Politik, die die Zuständigkeit des Staates zu Lasten der Bürger auszuweiten sucht. Interventionismus ist ein heute weniger verbreiteter Begriff als Regulierung. Regulierung bezeichnet ebenfalls Eingriffe in den Markt, um Unternehmen und Verbraucher zu einem anderen Handeln als dem von ihnen beabsichtigten zu veranlassen. Regulierung wird auch zur Beschränkung des Wettbewerbs von Unternehmen nachgefragt. Dirigismus bezeichnet schließlich eine umfangreiche staatliche Lenkung der Wirtschaft, die noch nicht das Ausmaß und den Charakter einer Zentralverwaltungswirtschaft annimmt.

Alle Begriffe werden uneinheitlich verwandt und sind offenkundig nicht trennscharf. Interventionismus, Etatismus, Regulierung und Dirigismus sind zugleich Begriffe, die zur Politik des „Dritten Weges“ gehören. Unter dem Rubrum Bürokratisierung lässt sich die zunehmende Staatstätigkeit heute treffender fassen als unter Sozialismus.

In Deutschland, Europa und dem Westen nimmt der Einfluss des Staates seit einem guten Jahrhundert zu. Die Probleme unterscheiden sich dementsprechend eher graduell: Staatsverschuldung, verlangsamtes Wirtschaftswachstum, sinkende Produktivität und Innovation sowie dauerhafte und periodisch zunehmende Massenarbeitslosigkeit sind einige wesentliche ökonomische Missstände, die der Staat zugleich permanent erklärt zu bekämpfen. Unauflösbar damit verbunden sind die politischen Probleme, die in einer Rückkopplung aus den ökonomischen Missständen zurückschlagen. Ganz am Ende des rutschigen Weges, im Morast, lauert etwas, das in Romanen und Filmen als Dystopie geschildert wird. So weit wie in Fahrenheit und 1984, in Gattaca, Die Insel und Matrix wird es nicht kommen; es gibt aber Aspekte und Facetten, die bereits Realität geworden sind. Besonders gut hörbar ist die bürokratische Dystopie im Hörspiel „Jonas, der letzte Detektiv“ von Michael Koser, als Geflecht aus Bürokratismus und Konzernen, Apparatschik-Ideologie Welten und der Herrschaft des (zynischen) Pragmatismus.

Wie Mises und Hayek in ihren Schriften perspektivenreich aufgezeigt haben, schaffen die Eingriffe in die freie Koordination der Menschen erst die Probleme, die anschließend durch vermehrte Eingriffe gelöst werden sollen und auf diese Weise doch nur verschärft werden. Zugleich gibt es Gegenkräfte in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, sogar in der Bürokratie, die sich für einen Rückzug des Staates auf ein früher als angemessen angesehenes Maß einsetzen. Unsere Zeit bietet viele Herausforderungen. Das rechte Maß für Bürokratie und deren kontinuierliche Modernisierung gehören dazu genauso wie das Wissen, dass es vielfach nicht-bürokratische Lösungen gibt und tatsächlich erreichte Entbürokratisierung viel Zuspruch finden dürfte.

Anhang

Der Regierung kommt zu Ohren, daß sich die Leute beschweren, weil der Milchpreis gestiegen ist. Milch ist sicherlich sehr wichtig, besonders für heranwachsende Kinder. Deshalb setzt sie einen Höchstpreis für Milch fest, einen Höchstpreis der niedriger ist als der potentielle Marktpreis. Dann sagt die Regierung: „Jetzt haben wir bestimmt alles getan, damit arme Eltern soviel Milch kaufen können, wie sie brauchen, um ihre Kinder zu ernähren.“
Was geschieht aber nun? Einerseits steigt durch den niedrigen Milchpreis die Nachfrage nach Milch. Leute, die sich Milch zum höheren Preis nicht leisten konnten, können es jetzt zu dem niedrigeren, von der Regierung festgesetzen Preis. Andererseits haben einige Produzenten Verluste, nämlich jene, die mit den höchsten Kosten produzieren, d.h. die Grenzproduzenten, denn der Preis, den die Regierung festgesetzt hat, bringt weniger, als ihre Kosten ausmachen. Das ist ein sehr wichtiger Punkt in der Marktwirtschaft.
Der private Unternehmer, der private Produzent, kann nicht lange mit Verlusten arbeiten. Deshalb schränkt er die Milchproduktion für den Markt ein. Vielleicht verkauft er sein Kühe als Schlachtvieh oder er verkauft stattdessen Milchprodukte, wie Rahm, Butter oder Käse.
Das Ergebnis dieses staatlichen Eingriffs in den Milchpreis ist, daß weniger Milch als zuvor angeboten wird und gleichzeitig die Nachfrage steigt. Es können nicht mehr alle Leute, die bereit sind, den von der Regierung festgesetzten Preis zu zahlen, Milch kaufen. Besonders ängstliche Menschen werden versuchen, als erste in den Geschäften zu sein. Sie müssen nun vor den Geschäften anstehen; lange Warteschlangen vor den Geschäften sind eine bekannte Erscheinung in solchen Städten, in denen die Regierung Höchstpreise für die Waren, die sie für wichtig hält, festgesetzt hat. Das war immer so, wenn der Milchpreis kontrolliert wurde, und das wurde von den Wirtschaftswissenschaftlern auch immer so vorausgesagt. Natürlich nur von den vernünftigen Nationalökonomen, und deren Zahl ist nicht sehr groß. Was ist aber schließlich das Ergebnis dieser staatlichen Preiskontrolle? Die Regierung ist enttäuscht. Sie wollte die Zufriedenheit der Milchtrinker vergrößern. Aber in Wirklichkeit sind diese jetzt unzufriedener als zuvor. Bevor die Regierung sich einmischte, war die Milch teuer, aber man konnte sie kaufen. Jetzt ist nicht mehr genug Milch verfügbar, der Gesamtkonsum an Milch geht zurück. Die Kinder bekommen weniger Milch, nicht mehr.
Die nächste Maßnahme, zu der die Regierung greifen wird, ist die Rationierung. Aber Rationierung bedeutet, daß bestimmte Menschen privilegiert sind und Milch bekommen, während andere leer ausgehen. Wer Milch bekommt und wer nicht, das wird immer sehr willkürlich entschieden. Es kann z.B. angeordnet werden, daß Kinder unter vier Jahren Milch bekommen sollen und daß Kinder, die älter als vier oder zwischen vier und sechs Jahren sind, nur die halbe Ration bekommen sollen. Wie immer die Regierung auch entscheidet, die Tatsache bleibt bestehen, daß die verfügbare Milchmenge geringer sein wird. Deshalb sind die Menschen unzufriedener als zuvor. Fragt nun die Regierung die Milchproduzenten (weil sie nicht genug Phantasie hat, es selbst herauszufinden), warum sie nicht dieselbe Milchmenge wie zuvor liefern, bekommen sie zur Antwort: „Das können wir nicht. Denn die Produktionskosten sind höher als der von der Regierung festgesetzte Höchstpreis.“ Wenn dann die Regierung die Produktionskosten im einzelnen überprüft, wird sie feststellen, daß das Futter ein wichtiger Posten ist.
Oh“, sagt die Regierung jetzt, „das ist sehr einfach. Wir werden die gleiche Kontrolle, die wir bei Milch angewandt haben, nun auch auf Futter anwenden und einen Höchstpreis für Futtermittel festsetzen. Sie könne dann ihre Kühe billiger füttern und werden weniger Aufwendungen haben. Dann kommt alles in Ordnung. Sie werden mehr Milch produzieren und mehr Milch verkaufen können.“
Was geschieht aber nun? Die gleiche Geschichte wiederholt sich mit dem Futter, natürlich aus denselben Gründen. Die Futterproduktion sinkt und die Regierung steht vor dem gleichen Problem. Sie sorgt nun dafür, daß neue Anhörungen stattfinden, um herauszufinden, wo es bei der Futterproduktion hapert. Und die Futterproduzenten geben ihr genau die gleiche Erklärung wie die Milchproduzenten. So muß die Regierung noch einen Schritt weiter gehen, denn sie will ja das Prinzip der Preiskontrolle nicht aufgeben. Sie setzt jetzt einen Höchstpreis für die Materialien fest, die zur Futterproduktion notwendig sind. Und wieder geschieht dasselbe.
Die Regierung geht nun dazu über, nicht nur Milch, sondern auch Eier, Fleisch und andere zum Lebensunterhalt notwendige Güter zu kontrollieren. Und jedesmal erzielt sie dasselbe Ergebnis mit den gleich Folgen. Sobald sie einen Höchstpreis für Konsumgüter festgesetzt hat, muß sie einen Schritt weiter zurückgehen und auch ein Preislimit für die Produktionsgüter festsetzen, die man zur Produktion der preisgebundenen Konsumgüter braucht. Und so greift sie, nachdem sie mit einigen wenigen Preiskontrollen angefangen hat, immer tiefer in den Produktionsprozeß ein und setzt Höchstpreise für alle möglichen Produktionsgüter fest, natürlich auch den Preis für Arbeit, denn ohne Lohnkontrolle bliebe die staatliche „Preiskontrolle“ wirkungslos.
Hinzu kommt noch, daß der Staat Eingriffe in das Marktgeschehen nicht auf jene Güter beschränken kann, die er für lebensnotwendig hält, wie Milch, Butter, Eier und Fleisch. Er muß sie zwangsläufig auch auf Luxusgüter ausdehnen; denn wenn er deren Preise nicht auch festsetzt, würden Arbeit und Kapital aus der Produktion der lebensnotwendigen Güter in jene Produktionsbereiche abwandern, die der Staat als unnötigen Luxus betrachtet. So zieht – es ist wichtig, sich das klar zu machen – die begrenzte Einmischung in die Preisbildung bei einigen wenigen Konsumgütern zwangsläufig weitere Folgen nach sich, die noch weit weniger zufriedenstellend sind als es die Zustände zuvor waren. Bevor der Staat sich einmischte, waren Milch und Eier zwar teuer, aber nach der staatlichen Einmischung begannen sie vom Markt zu verschwinden.
Die Regierung hielt diese Bereiche für so wichtig, daß sie sich einmischte. Sie wollte das Angebot vergrößern und die Versorgung verbessern. Doch sie erreichte das Gegenteil. Die punktuellen Eingriffe führten zu einem Zustand, der vom Standpunkt der Regierung aus noch viel unerwünschter war als die früheren Verhältnisse, die sie hatte verändern wollen. Und da die Regierung, nachdem sie einmal mit Preiskontrollen begonnen hat, gezwungen ist, weiter und weiter zu gehen, wird sie schließlich an einem Punkt anlangen, wo alle Preise, alle Löhne, alle Zinsen, kurzum alles im Wirtschaftssystem vom Staat bestimmt wird. Und das ist – da besteht kein Zweifel – Sozialismus.“

Quelle: Das Zitat stammt aus einer sechsteiligen Vorlesungsreihe, die Ludwig von Mises 1958 in Buenos Aires gehalten hat. Sie lassen sich in dem schmalen Band „Vom Wert der besseren Ideen“ nachlesen.

Forum Freie Gesellschaft (FFG) …
… setzt sich ein für eine freie Gesellschaft, die Herrschaft des Rechts, die Unverletzlichkeit des Privateigentums, eine Kultur der Freiheit und Bürgerlichkeit, und eine politische Ordnung, die durch maximale Abwehrrechte des Bürgers und einen minimalinvasiven Staat gekennzeichnet ist. Die Aufgaben der Staatsvertreter bleiben vor allem auf hoheitliche Funktionen beschränkt, also den Schutz von Leib, Leben und Eigentum sowie die Durchsetzung des Rechts im Fall von Konflikten. Recht wird dabei von Gesetzen unterschieden, weil ersteres aus Konventionen entsteht und letzteres Top down von Experten zum Gesetz erhoben wird.
Aufgabe von FFG ist es, die Erkenntnisse des klassischen Liberalismus wieder zu beleben und fortzuentwickeln. Wir sind der Auffassung, dass eine zweite Aufklärung erforderlich ist, die einer Erneuerung der geistigen Grundlagen folgt. Die Österreichische Schule, deren Stärken und Schwächen thematisiert werden, ist dabei ein Teil einer umfassenden Sozialphilosophie.

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