Führung – Manager im Entdeckungsverfahren der spontanen Ordnung
Führung – Manager im Entdeckungsverfahren der spontanen Ordnung

Führung – Manager im Entdeckungsverfahren der spontanen Ordnung

Führung – Manager im Entdeckungsverfahren der spontanen Ordnung

Letzte Woche habe ich eine Lanze für Unternehmen gebrochen. Wer führt in Unternehmen und ganze Unternehmen? Manager. Das Management. In Deutschland kommt es nach dem Ende des Führers, dem mangels jedweder Voraussetzung während vier Jahren Krieg nie Führung übertragen wurde, zu Verrenkungen, die zur Übernahme der englischen Begriffe und dem brachialen deutschen Wort Führungskräfte geführt haben. Wer führt eigentlich wen?

Bereits ein Blick auf die neuere Forschung weist auf die Gefahr einer Überfrachtung und Überforderung hin. So beschäftigt sich die Wissenschaft im Hinblick auf Personalführung derzeit mit Eigenschaft und Persönlichkeit von Führungskräften, insbesondere Attraktivität von Gesicht und Körper, ferner mit der Interaktion von Führern mit Geführten, Stake- und Shareholdern, natürlich mit der Ethik der Führung und mit Gender, außerdem mit speziellen Gruppen, die geführt werden, darüber hinaus mit guter Führung und ob diese zu guten Ergebnissen führt, mit authentischer, aber auch mit optimistischer Führung, mit Führung in speziellen Kontexten wie virtuellen Teams und Krisen und manchem mehr wie kürzlich Renate Ortlieb (Universität Graz) aufzeigte.

Über-Forderung

Wer führt, kann unmöglich den facettenreichen und durchaus widersprüchlichen Anforderungen und Erwartungen gerecht werden. Wer Führung ausübt und darüber reflektiert, wird das wissen und ist gut beraten die Reflexion nicht zu übertreiben. „Just do your job!“ Was genau ist der Job? Das erfordert Klarheit und Selbstbeschränkung. Wer vom Sofa Führungskräfte in Unternehmen kritisiert, darüber hinaus auch in Politik und Gesellschaft, tut gut daran, einmal inne zu halten und über eine Frage nachzudenken: Ist meine Kritik fundiert? Und im Anschluss daran: Wäre bessere Führung in dieser Situation und unter den herrschenden Bedingungen möglich?

Es gibt fundierte Kritik an Führung. Es gibt Führungsmissstände, en masse. Es gibt zu viele Menschen, die Führung ausüben und das nicht tun sollten. Jeder erlebt das in seinem Umfeld und sieht manches in der Öffentlichkeit. Einige Anreize verschieben sich, z.B. wenn fachliche Fähigkeiten zu höheren Gehältern führen als die von Führungskräften. Darum soll es hier jedoch nicht gehen. Stattdessen sollen lediglich einige klassische Herausforderungen aufgezeigt werden, die Manager in ihrer Funktion als Entrepreneur betreffen.

Anmaßung und das richtige Maß

Am Anfang steht die „Anmaßung von Wissen“, vor der Friedrich August von Hayek in seiner Nobelpreisredewarnte. Dabei hatte er nicht zuletzt die spontane Ordnung im Blick. Seine Warnung an die Ökonomen lässt sich auch als Warnung vor zu viel Vertrauen in planerische Fähigkeiten von Politikern und Wissenschaftlern sowie von Managern begreifen. Die massive Zunahme von Wissen und Komplexität überfordert eine einzelne Person schnell. Neue Management- und Organisationsformen sind eine Folge: agil, dezentral, flach, scrum, selbststeuernd in Projekten – mit Abgabe von Führungsaufgaben an Team-Mitglieder, die zudem neue Komponenten von Führung übernehmen können, ob als Product Owner oder Scrum Master, als institutionalisierter Red Teamer und Advocatus Diaboli, ggf. unterstützt von Ratgebern mit konkreten Teilzeitaufgaben.

Zum Ent-decken führen

In dieser Perspektive besteht Führung im Entdecken neuer Möglichkeiten, in der Förderung von (organisationalem) Lernen, im Schaffen von Rahmenbedingungen, unter denen Wissen neu verknüpft werden kann und Zusammenarbeit gelingt.

Eine ähnliche Sichtweise nahm der Organisationsforscher Karl E. Weick ein mit seinem Verständnis von Organisationen als „Self-Designing Systems“ (1977). Weick forderte, die Menschen in einem Prozess Lösungen selbst finden zu lassen, statt als Verfügungsmasse verplant zu werden wie es seit dem Scientific Management respektive dem Taylorismus üblich war. Die Idee der „lernenden Organisation“ war geboren. Damit verbunden ist ein Plädoyer für Ineffizienz, für „Slacks, Redundanzen und lose Kopplung“ (Wolfgang Staehle) statt einem Lean-Management und ein schlanken Organisation, die voll aus- und eher überlastet ist. Entsprechend galt und gilt es Hierarchien aufzubrechen. Organisationen befinden sich dann in einem Zustand permanenter Veränderungsbereitschaft („chronically unfrozen“). En passent räumte Weick mit einem auch heute noch weit verbreiteten Irrtum auf: Zur Lösung von Problemen reicht es in der Regel gerade nicht aus, die Anstrengungen zu verdoppeln: „quantaties don’t generate designs“ und Mehraufwand ändert keine Muster.

Eine ressourcenbasierte Sichtweise von Unternehmen bietet Robert M. Grant: Wissen, Kernkompetenzen, Innovationen und neue Produkte rücken in den Vordergrund. Für Grant ist Wissen ein eigenständiger und zugleich der wichtigste Produktionsfaktor. Wissen bleibt sowohl explizit als auch tacit, also implizites Erfahrungswissen, stets Personen bezogen. Folglich gewinnt vertikale Integration an Bedeutung, da Wissen häufig in Produkten gespeichert ist. Zudem werden strategische Allianzen bedeutsam.

Steuerungsperspektive

In allen zuvor genannten Überlegungen wurden Macht- und Entscheidungsstrukturen vernachlässigt. Georg Schreyögg betrachtet diese unter dem Begriff implizite Phänomene. Der Berliner Organisationsforscher hatte zudem bereits 1991 den klassischen Management-Prozesses reformuliert und die Notwendigkeit einer anderen Steuerungstheorie betont. Seine fundierte Kritik des überkommenen plandeterministischen Ansatzes mit der „Herrenfunktion“ Planung und der Zwillingsfunktion Kontrolle sowie ausführenden „Sklavenfunktionen“ Organisation, Führung und Personaleinsatz zeigt: die Umwelt ist entgegen den Annahmen nicht wohlstrukturiert und überschaubar, über die Zukunft sind (vorwiegend) Mustervoraussagen möglich, zudem herrscht keine Strukturgleichheit zwischen individueller und kollektiver Handlungsrationalität. Anstelle der untauglichen linearen Abfolge lässt Georg Schreyögg die Managementfunktionen gleichberechtigt neben einander treten – jede verfügt somit über ein eigenes Steuerungspotenzial. Die individuelle Handlungsrealität wird zur Grundlage der neu gedachten Unternehmensrationalität. Lernfähigkeit ist von zentraler Bedeutung. Einheit in Differenz wird zur Maßgabe. Organisation kann vor Planung treten und systematischen Einfluss auf die Planung ausüben („Strategie folgt Struktur“). Strategische Kontrolle erfolgt dementsprechend kontinuierlich über alle klassischen Funktionen hinweg.

Was ist daran liberal?

Das Dezentrale, das Vermeiden und Vermindern von Herrschaft, die arbeitsteilige Verknüpfung von Fähigkeiten, vielleicht das Wissen um Kontingenz, dass alles anders möglich ist und Offenheit hilfreich ist. Auf diese Weise erfährt der spontane Erkenntnisgewinn seine große Bedeutung. Das ist zugleich ein Fingerzeig auf eine eher gegenteilige politische Entwicklung.

Zudem hat die Österreichische Schule auch hier viel zu bieten mit ihrem methodologischen Individualismus, subjektiven Informationen, Homo agens statt Homo oeconomicus, dem Verständnis von Märkten als Entwicklungsprozessen und der herausragenden Rolle des Unternehmers auf von Verbrauchern gelenkten und durch Preise koordinierte Märkte. Der Begriff „Unternehmen“ wird (wieder) zu einem Synonym für Handeln. Die Aufgabe des Managements ist es, Gelegenheiten zu entdecken, Ziele zu erreichen und neu zu formulieren, insbesondere Gewinnmöglichkeiten zu identifizieren und Gewinne zu realisieren. Führung von Unternehmen bedeutet nicht zuletzt: subjektives Wissen, das verstreut in den Köpfen der Mitarbeiter liegt und vielfach nicht artikulierbar ist oder aber durch unternehmerisches Handeln erst geschaffen wird, nutzbar machen. Erfolgreiche Unternehmen folgen dabei einem spezifischen Entdeckungsverfahren. Sie werden pfadabhängig. Nelson und Winter konstatierten: „Organisations remember by doing.“

Und zum Schluss das Paradoxe: Eine Herausforderung und Aufgabe von lernenden Organisationen ist es, nicht zu lernen. Zudem kann es notwendig werden, die Pfadabhängigkeit zur rechten Zeit zu brechen. Problembewusstsein, Praxiserfahrung und die rechten Anreize helfen die enormen Herausforderungen zu stemmen.

Wie schaut jemand auf die nächsten Jahre, wenn er diese skizzenhaften, selektiven Gedanken auf Politik, Staatsführung und Staatsbürokratie überträgt?