Eleuthokratie – Denkanstoß zur Demokratie-Diskussion
Eleuthokratie – Denkanstoß zur Demokratie-Diskussion

Eleuthokratie – Denkanstoß zur Demokratie-Diskussion

Eleuthokratie, eine Freiheitsherrschaft, das könnte ein spannender Ansatz sein, um eine Debatte über verschiedene Staatsformen anzustoßen. Angesichts zunehmender Kritik am „System“ und „den Eliten“ liegen konstruktive Diskussionen über andere Staatsformen als die schlechteste, bis auf alle anderen, in der Luft.

Die Diskussion ist für Spezialisten nicht neu. Anarchokapitalismus gibt es seit und mit Stefan Blankertz im deutschen Sprachraum. Die Privatrechtsgesellschaft ist mit Projekten zu Privatstädten verbunden. Robert Nef hat Nonzentralismus als Perspektive und Prinzip einer Gesellschaftsstruktur thematisiert. Dabei handelt es sich um eine konsequente Fortentwicklung des Subsidiaritätsprinzips. Letzteres ist ein wesentlicher Bestandteil des Essays von Elias Gudwis, der als Ghostwriter der gleichnamigen Agentur firmiert, auch wenn der Begriff nicht fällt:

„… der zentral .. Gedanke ist folgender: Ebenso wie Individuen darüber entscheiden sollten, was sie selbst betrifft, sollten Gruppen oder Gemeinden darüber entscheiden, was sie selbst betrifft.“

Und Gudwis fährt fort:

„Das ist der demokratische Aspekt dieser Theorie: Diejenigen, die etwas betrifft, sollen entscheiden.“

Die Nähe zur Gemeindefreiheit von Adolf Gasser ist offensichtlich. Der schweizer Historiker vertrat die Auffassung, eine wirksame Disziplinierung von Legislative und Exekutive werde möglich durch kommunale Autonomie, Gemeinschaftsethik und Selbstverwaltung, d.h. insbesondere einen Verwaltungsapparat, der von unten nach oben aufgebaut ist, ferner das Subsidiaritätsprinzip und den Wettbewerb vieler kleiner Einheiten – verbunden mit der Möglichkeit abzuwandern – sowie direkte Demokratie.

Elias Gudwis bezeichnet die Entscheidung einer Gruppe über Dinge, die eine andere Gruppe betreffen, als Zwangsherrschaft. Zuvor betont er, dass die größtmögliche Übereinstimmung zwischen den Entscheidungsträgern und den Entscheidungstreffenden vorherrschen solle. Dieses in den letzten Jahren zunehmend virulenter gewordenen Problem ist wiederum von Wolfgang Sofsky ausgezeichnet dargelegt worden in „Macht und Stellvertretung“ – die von ihren Wählern beauftragten Vertreter fordern Gehorsam von ihren Wählern.

Demokratie ist nicht die Herrschaft des Volkes, trennt Entscheider und von den Entscheidungen Betroffene – nicht in einem Gemeinwesen, das über eine direkte Demokratie wie in den antiken Poleis hinausgeht.

Elias Gudwis thematisiert dieses Problem:

„Im Parteien- und Präsidialsystem werden keine politischen Maßnahmen oder Ziele gewählt, sondern Personen. Das ist ein fundamentaler Unterschied. Die Wähler entscheiden nicht, welchen Weg de Gemeinschaft einschlagen soll, sondern sie wählen eine Person oder einen Zusammenschluss von Personen, die dies entscheiden sollen.“

Und dann:

„Die Wähler herrschen nicht, sondern wählen sich ihre Herrscher.“

Das ist m.E. der interessanteste Ansatzpunkt für eine Grundsatzdiskussion. In Eleuthokratie heißt es: „Faktisch besteht demnach im Präsidialsystem eine Art Monarchie, im Parteiensystem eine Art Oligarchie.“ Und die Wähler würden in jedem Fall die Beherrschten bleiben, egal welche Herrscherwahl sie treffen.

Darüber hinaus bleibt in dem kurzen Essay eher unklar, wie eine Eleuthokratie ausgestaltet werden könnte. Ein Denkanstoß ist so viel wert wie man daraus macht.

 

Literaturhinweis: Elia Gudwis: Eleuthokratie. Eine radikale Reform, IDEA Verlag, Palsweis 2021, 57 S., 9,80 Euro.